Manhattan Project

Max Simonischek an der Burg: "Finde Theater spielen spannender als Netflix"

Teilen

Der Sohn von Theaterlegende Peter Simonischek ist jetzt Ensemblemitglied am Burgtheater.

Als Robert Oppenheimer feiert Max Simonischek (42) am Donnerstag, 7.11., in der Uraufführung von Stefano Massinis "Manhattan Project" seinen Einstand als Burgtheater-Ensemblemitglied. Es ist die erste Neuinszenierung am Haus von Direktor Stefan Bachmann. Im APA-Interview begründet Simonischek seine Entscheidung, das Theater künftig dem Film vorzuziehen, erläutert den Konflikt des "Vaters der Atombombe" und erklärt, warum auch ihm der rasante Fortschritt Sorgen bereitet.

Mehr zum Thema

Max Simonischek im Interview mit der APA

  • Sie haben in den vergangenen Jahren an vielen verschiedenen Theatern gespielt und auch viel gedreht. Nun sind Sie als fixes Ensemblemitglied ans Burgtheater gewechselt. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
    Max Simonischek: Die Initialzündung ging von meiner Frau aus, die Tirolerin ist. Wir wollten mit unseren beiden Kindern wieder näher an unserer Heimat und den Großeltern sein. Ich habe sie vor zehn Jahren nach Berlin geholt, wo ich in den letzten zwei Jahren fest am Deutschen Theater engagiert war. Und jetzt war sie dran, sich eine Stadt auszusuchen - und das war Wien. Ich kann mit Wien viel anfangen, woraufhin ich mich mit Stefan Bachmann in Verbindung gesetzt habe. Die Entscheidung, fest an ein Theater zu gehen, hängt auch damit zusammen, dass meine Tochter eingeschult wurde und ich nicht mehr so viel unterwegs sein möchte. Aber der hauptsächliche Grund war, dass ich den Beruf, wie ich ihn mir wünsche und ursprünglich gewünscht habe, wieder ausüben wollte: nämlich mich über eine Gruppe zu identifizieren und in der Gruppe etwas zu schaffen. Das ist leichter, wenn man fester Bestandteil einer Gruppe ist.
  • Werden Sie auch weiterhin vor der Kamera stehen?
    Simonischek: Ich bin ehrlich gesagt gar nicht mehr so scharf aufs Drehen. Denn wenn ich mir die Fernseh- oder Netflix-Landschaft angucke, findet immer weniger statt, was mich inhaltlich interessiert. Ich würde eher den entgegengesetzten Weg einschlagen als viele meiner Kollegen und lieber mehr Theaterspielen als Drehen in Zukunft.
  • Was gefällt Ihnen am Theater besser?
    Simonischek: Die Qualität der Auseinandersetzungen. Mit Text, mit Regie, mit Kolleginnen und Kollegen, mit sich selbst. Es ist einfach intensiver und verschwenderischer und nicht so an der Oberfläche wie beim Drehen. Beim Drehen ist Zeit Geld, und das bestimmt alles. Das bestimmt die Art und Weise, wie man miteinander umgeht, und auch den Rahmen, wie man sich auf etwas als Schauspieler einlassen kann.
  • Die Kritiken für den Saisonstart von Stefan Bachmann waren weitgehend positiv bis euphorisch. Wie haben Sie diese ersten Monate unter seiner Direktion erlebt?
    Simonischek: Aus den Stimmen der Stadt entnehme ich, dass man ganz froh ist um diesen Wechsel. Was mich persönlich in diesen ersten zwei Monaten gefreut hat, ist, dass es relativ viele Soloabende gibt, in denen man die neuen Kollegen durch die Arbeit kennenlernt. Ich könnte mir vorstellen, dass das auch vom Publikum goutiert wird. Dass man den neuen Ensemblemitgliedern den Rahmen oder die Möglichkeit gibt, sich so zu zeigen, das finde ich irgendwie sympathisch und einen guten Schachzug von der Leitung.
  • Können Sie sich dieses Format für sich selbst auch vorstellen?
    Simonischek: Absolut. Ich bin ab 3. Jänner mit einem Soloabend zu Kafkas "Der Bau" hier im Akademietheater zu sehen.

Simonischek
© Getty Images
× Simonischek
  • Zunächst starten Sie mit einer Hauptrolle in Ihre erste Saison: Sie spielen Robert Oppenheimer, dessen Namen die breite Masse bis zu Christopher Nolans "Oppenheimer" im Vorjahr wohl kaum kannte. Was reizt Sie an der Rolle?
    Simonischek: Zum Ersten finde ich es sehr gut, in meiner ersten Produktion gleich Stefan Bachmann zu begegnen. Wir haben ja zuvor nicht miteinander gearbeitet und haben so eine gute Gelegenheit, uns kennenzulernen. Und was das Stück betrifft, hatte ich das Gefühl, dass "Manhattan Project" wie ein modernes Gedicht ist, ein sehr formal geschriebenes Textwerk, das trotzdem plastische Figuren skizziert. Ich als Schauspieler bin ganz altmodisch immer auf der Suche nach Figuren, die ich spielen möchte. Und von den Arbeiten, die ich von Stefan Bachmann gesehen habe, wusste ich, dass hier der Raum dafür gegeben sein wird, Figuren zu entwickeln. Und: Ich stand mit keinem Kollegen, der hier mitspielt, schon mal auf der Bühne. Und dieser Beruf lebt ja von einer Neugier an neuen Begegnungen - bei mir jedenfalls.
  • Das Stück von Stefano Massini setzt früher ein als der Film und fokussiert zunächst auf die Immigrationsgeschichte von Oppenheimers Kollegen. Können Sie den Handlungsbogen kurz skizzieren?
    Simonischek: Es ist ein relativ undramatisches Stück, weil ja auch jeder weiß, wie es ausgeht. Die Bombe wird gebaut. Das ist keine große Überraschung am Ende. Es ist auch ein Stück über jüdische Immigranten, drei ungarische Physiker, die im ersten Teil des Stückes zusammenfinden und in den USA zu forschen beginnen. Dann kommt die Politik auf sie zu und bringt Nazi-Deutschland und den Wettlauf um die ersten Forschungsergebnisse ins Spiel. Und erst im zweiten Teil kommt Oppenheimer sozusagen als "Vater der Bombe" dazu. In zweiter Linie geht es um die ethischen, moralischen Bedenken, so eine Vernichtungswaffe zu entwickeln und auch die Frage, ob es überhaupt möglich ist, sich mit seinen Fähigkeiten diesem Fortschritt zu entziehen.
  • In der Bevölkerung lässt sich eine gewisse Wissenschaftsskepsis erkennen. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
    Simonischek: Also ich kann nur von mir sprechen. Ich merke auch eine gewisse Skepsis gegenüber dem Fortschritt, weil ich das Gefühl habe, der Fortschritt überrollt uns. Oder sagen wir mal, er schreitet in einem Tempo voran, bei dem wir nicht mehr hinterherkommen. Und zwar beispielsweise in der Gesetzgebung, was Soziale Medien betrifft oder was jetzt alles möglich ist, am Handy zu kaufen. Aber was mich vor allem interessiert, ist der gesellschaftliche Impact, den diese Errungenschaften - wenn man sie so nennen will - auf uns haben. Ich habe eine Tochter im Schulalter, und da wird es jetzt irgendwann darum gehen, ihr beizubringen, wie sie mit diesen Sozialen Medien verantwortungsvoll umgeht und wie sie sich Informationen im Internet beschaffen kann. Wird das an den Schulen gelehrt? Ich habe das Gefühl, da hinken wir den Möglichkeiten, die uns geboten werden, weit hinterher. Das ist auch die Lücke, die Populisten nutzen, um gezielt dort ihre Agenda an den Mann oder die Frau zu bringen. Und das macht mir große Bedenken.
  • Und was kann man aus Ihrer Sicht dagegen tun?
    Simonischek: Ich würde sagen, hier bekommt das Theater eine ganz neue Bedeutung - oder besser: Es findet wieder zu seiner alten Bedeutung zurück. Es müsste unsere Aufgabe sein, den Menschen wieder ein Biotop zu bieten, in dem es möglich ist, sich länger als drei Sekunden auf etwas einzulassen, aus komplexeren Blickwinkeln Sachverhalte betrachten zu können und sich auch eigenständig dazu Gedanken machen zu können. Was wiederum für eine liberale Demokratie unerlässlich ist. Und wir dürfen nicht dem Drang erliegen, Theaterabende zu kreieren, die möglichst viel Abwechslung in möglichst kurzer Zeit bieten, sondern man sollte eher wieder darauf hinarbeiten, sich wirklich auf Momente einzulassen, auf das empathische Miterleben von Schicksalen, die auf der Bühne verhandelt werden.
  • Oppenheimer ist eine Figur, die im Konflikt lebt, etwas in seiner Forschung weiterzubringen, andererseits weiß er, wozu das Ergebnis eingesetzt werden soll. Wie gehen Sie diesen Konflikt an?
    Simonischek: Ich versuche beide Antipoden ernst zu nehmen. Ich versuche ihn nicht als leidend zu zeichnen, weil ich glaube, das war er nicht. Obwohl er wirklich viel Druck hatte. Ich versuche anhand meiner Fantasie und Vorstellungskraft, mir diese riesen Hebel vorzustellen, denen er da ausgeliefert ist.
  • Wie haben Sie sich vorbereitet? Haben Sie den "Oppenheimer"-Film gesehen?
    Simonischek: Ja, den habe ich gesehen, bevor mir diese Rolle angeboten wurde. Das hat mir eigentlich ganz gut gefallen, aber auch nicht mehr. Ich habe Bücher gelesen, "Heller als tausend Sonnen" und "The Passenger" von Cormac McCarthy. Also Bücher, die sich mit der Thematik, der Zeit auseinandersetzen. Ich habe mich eher assoziativ damit beschäftigt als eine Dokumentation oder ein Biopic anzusehen, weil ich finde, es ist nicht die Aufgabe des Theaters, diese Figur naturgetreu nachzuspielen, sondern mit dem Zeitgeist und den Konflikten umzugehen.
  • Sehen Sie im Zeitgeist von damals Parallelen zu heute?
    Simonischek: Natürlich gibt es Assoziationen. Ich höre jeden Morgen, wenn ich zur Probe fahre, die Nachrichten und höre wieder, wie viele Tote es in Israel oder im Libanon gibt. Bei all dem Aufrüsten und dem Muskelspiel der atomaren Kräfte braucht man keine große Fantasie, um das zu verlinken. Auch die Migration von Fremden, ohne die der Arbeitsmarkt völlig zusammenbrechen würde, ohne die wir uns zurückentwickeln würden, ist ja ein Thema, das man durchaus ins Heute transferieren kann. Aber ich scheue mich eigentlich davor, Antworten zu geben, weil wenn man diese Brücke selbst schlagen soll, wenn man das Stück sieht. Das ist ja die Faszination von guten Kunstwerken, dass man mit dem Betrachter in Kommunikation tritt und er diese Arbeit selber leistet. 

Das ist Max Simonischek

Max Simonischek wurde am 19. Oktober 1982 als Sohn des Schauspielerpaares Peter Simonischek und Charlotte Schwab in Berlin geboren. Er absolvierte seine Schauspielausbildung am Mozarteum Salzburg und war festes Ensemblemitglied am Maxim-Gorki-Theater in Berlin und an den Münchner Kammerspielen. Engagements führte ihn u.a zu den Salzburger Festspielen, ans Burgtheater und die Schauspielhäuser Stuttgart und Frankfurt. Zuletzt war er im Ensemble des Deutschen Theaters Berlin. Er steht regelmäßig für Film und Fernsehen vor der Kamera, etwa als Kommissar in der ZDF-Reihe "Laim".

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.
OE24 Logo
Es gibt neue Nachrichten