Was war das? Für ein Sprechstück wurde entschieden zu wenig gesprochen. Für eine Oper gab es zu wenig Musik. So liegt der Tiroler Autor Händl Klaus vermutlich gar nicht so falsch, wenn er seinen Text "Meine Bienen. Eine Schneise" und was in der Zusammenarbeit mit den Komponisten und Musikern Andreas Schett und Markus Kraler von der Osttiroler Musikgruppe Franui entstanden ist, einfach "ein Musikstück" nennt. Einfach waren diese 105 Minuten im Salzburger Landestheater allerdings nicht, doch gemessen am langen Applaus und dem Jubel, den das Team, die Musiker und die Darsteller entgegennehmen durften, haben die Salzburger Festspiele mit der gestrigen Uraufführung gewagt und gewonnen.
Gelegter Brand als Kick off Man mag die Geschichte des gelegten Brandes, der eine Schneise durch ein Waldstück schlägt und dabei 14 Bienenstöcke vernichtet, reichlich verquast finden. Man mag die Verbindung von Vatersuche und Naturhass zu konstruiert und die vier einander begegnenden Figuren allzu papieren finden. Und man mag den Versuch, fortlaufende Texte zwischen einzelnen Sprechern aufzuteilen und zu verschneiden und so zwischen Gesprochenem und Gesungenem ein Drittes zu finden, für nicht gelungen halten. Dennoch wird man sich schwer dem eigentümlichen Zauber entziehen können, den dieser ebenso anspruchsvolle wie artifizielle Abend entfaltet. Zwischen Volksmusik und Kinderliedern Dafür ist zu allererst die Musik verantwortlich. Zwischen Volksmusik- und Kinderlied-Anklängen wechselnd, auf Trauermarsch und Mariachi-Sound anspielend und Philip Glass wie Alban Berg zitierend, schaffen Franui ein ideales Umfeld für diese "Bienen". Weder kommen sie honigsüß daher, noch wird ihnen der Stachel gezogen. Sie schlagen eine "Schneise" für eine Geschichte, die voller Anspielungen steckt, in Krimi und Komik ebenso Platz haben wie grundsätzliche Gedanken zum Platz des Menschen in der Welt.
Figuren mit Bedeutung Wo herkömmliche Opernhandlungen sonst häufig allzu simpel gestrickt sind, reduziert Händl Klaus die Bühnen-Handlung auf knapp über Null und lädt dafür seine Figuren mit Bedeutung auf. Die Lebensweise und Sozialorganisation der Bienen hat schon den österreichischen Nobelpreisträger Karl von Frisch fasziniert, und wie sehr die geflügelten Honigproduzenten und die Menschen miteinander verbunden sind, zeigt etwa der Schweizer Filmemacher Markus Imhoof ab Mitte Oktober in seiner Kino-Doku "More than honey", in der er auch den Ursachen des weltweiten Bienensterbens auf den Grund geht. Wenn die Biene stirbt, stirbt auch der Mensch, heißt es. Und auch Händl geht es ums Ganze. Spannung wir immer wieder abgebaut Der französische Regisseur Nicolas Liautard gibt auf der von schwarzen, angekohlten Baumstämmen umgebenen und von Asche bedeckten Lichtung (Bühnenbild: Giulio Lichtner und Nicolas Liautard) glücklicherweise immer wieder Gelegenheit zum Spannungsabbau. Wenn etwa vor der Verwendung von Seife gewarnt wird, der schmächtige Bub die Propagierung von Gewalt begrüßt oder vom ermittelnden Polizisten seine Pistole mit der Aufforderung "Geh' spielen!" in die Hand gedrückt bekommt, dann ist das ganz einfach komisch.
Auch Ernst am Werk spielt Rolle Die beteiligten Schauspieler gingen dennoch in Spiel, rhythmisiertem Sprechen und Gesang mit größtem Ernst ans Werk, weswegen die Suche des Polizisten nach dem Brandstifter und die Suche des Buben nach seinem Erzeuger Züge einer griechischen Tragödie bekam. Brigitte Hobmeier geizte nicht mit ihren Reizen, versuchte das ewig Weibliche zu verkörpern, ohne plump und aufdringlich zu wirken und empfahl sich solcherart nachdrücklich für die freiwerdende Buhlschaft-Rolle. Stefan Kurt als zwischen Pflicht und Lust zerrissener Ermittler und André Jung als zwielichtiger Wanderimker, der einen mannigfaltigen Vernichtungsfeldzug gegen die Bienen betreibt ("Ich hasse die Bienen. Mein Tier ist die Milbe.") bringen differenzierte Farben ins Spiel und legen Fährten zwischen Vater- und Täterschaft. Als engelsgleicher Lukas erfüllt der 13-jähriger Wiltener Sängerknabe Michael grandios den zentralen Gesangspart und verkörpert zart das sich selbst nach Bindung sehnende Bindeglied zwischen den Erwachsenen.
Großer Jubel zum Abschluss "Honey honey, touch me, baby, ah-hah, honey honey", sang einst die schwedische Popgruppe ABBA. "Meine Bienen" haben gestern das Premierenpublikum offenbar berührt: Der Jubel am Schluss war groß. Was war das? Diese Frage lässt sich vielleicht ganz einfach beantworten: ein Erfolg.
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