Madrid
Hanekes "Cosi fan tutte"-Triumph
26.02.2013Opern-Inszenierung des Oscar-Preisträgers trifft auf Anerkennung
In der Nacht auf Montag feierte Michael Haneke seinen bisher größten Erfolg, als er in Los Angeles für sein Drama "Amour" den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film entgegennehmen durfte. Dafür verpasste er am Samstag sogar die Premiere seiner Opern-Inszenierung "Cosi fan tutte" am Madrider Teatro Real. Die internationalen Kritiker hinderte das allerdings nicht daran, dem Österreicher zu seiner zweiten Opernregie zu gratulieren. Im Nachfolgenden eine Auswahl der Pressestimmen:
Internationale Pressestimmen
„El Mundo“ (Spanien):
"Erbarmungsloser Haneke triumphiert im Teatro Real mit einer umwerfenden 'Cosi fan tutte'. Die Musikliebhaber verließen das Teatro Real daumendrückend (für die Oscar-Nacht, Anm.). 'Cosi fan tutte' von Haneke hatte gefallen. Sie hatten neugierig die vielen losen Stränge aufgenommen, mittels derer der österreichische Regisseur die Kooperation des Publikums suchte und eine miteinander geteilte, gemeinsam zelebrierte Version der Mozart-Oper hervorkramte. Es hatte die exquisite Ästhetik beeindruckt. Haneke lässt die Musik auf der Bühne atmen, wobei er gleichzeitig die Rezitative zerkrümelt. Er dekonstruiert und verlängert sie, um ihren dramaturgischen Wert hervorzuheben. Manchmal läuft der Cineast Gefahr, den Rhythmus der Oper zu brechen. Doch lastet diese Stille auf der Szene wie eine unsichtbare und bedrohliche Person, die in einem Hinterhalt lauert."
„ABC“ (Spanien):
"Selten entspricht ein Theater-Inventar so exakt seiner finalen Bestimmung. Es gibt viele Details, aber wichtig ist die Natürlichkeit der Geste, die den Archetyp vermenschlicht. Die Bewegungen auf der Szene sind ebenso vollendet wie die Kostüme und die Beleuchtung, einfach die Art und Weise, in der sich jede Regung, alles Ausgesprochene, jeder Ausdruck genießerisch auskosten lässt."
„El Pais“ (Spanien):
"Eine Show, nüchtern und klar. ... Der große Gewinner des Abends war nicht Haneke, sondern Mozart. Ein Umstand, der den in Österreich eingebürgerten Regisseur aus München voll und ganz befriedigen sollte. Mozarts Musik gab dem Theaterstück Flügel, wodurch es in Sphären gelangte, die nur die Musik erreichen kann. Angesichts dieser textlich-philosophisch-konzeptuell-plastisch-musikalischen Integration war die Aufführung von 'Cosi fan tutte' äußerst verführerisch. Und das war vor allem Haneke zu verdanken."
„La Nueva Espana“ (Spanien):
"Haneke besticht mit seiner 'Cosi fan tutte'. Sein zynisches Angebot der Darstellung der Macht der Korruption über das menschliche Wesen eroberte das Publikum. Michael Haneke erforscht seit Jahren die Mechanismen der Perversion. Und wenn ihm bei seinen Filmen die Sicht der anderen ein Rätsel bleibt, ließ sich am vergangenen Samstag erfahren, dass er mit seiner Gaukelei über Moral und Betrug beim Publikum im Teatro Real ins Schwarze traf."
"Süddeutsche Zeitung" (Deutschland):
"In diesem einheitlichen Bühnenbild wird vor aller Musik Theater gespielt. Das ist nur möglich, weil Haneke im tiefen Einverständnis mit Dirigent Sylvain Cambreling die sonst eher störenden und längenden Rezitative zum ungewohnten und beglückenden Zentrum des Abends macht. (...) Haneke verfolgt sein Konzept mit einer nie aufdringlichen Deutlichkeit, mit einem sich nach und nach intensivierenden Fluss der Musik, in den der Eros Verunsicherung bringt. Understatement ist alles. So traurig klug, so melancholisch hat dieses Stück noch nie geklungen. Weil Cambreling mit Haneke endlich und wie nebenbei in der 'Cosi' den beunruhigend bitteren Bodensatz der Liebe entdeckt. Ein Triumph des Eros und seiner Melancholie."
"Die Welt" (Deutschland):
"Was soll man sagen? Er blickt eben so genau hin wie keiner. Und es sind diese Momente, die zu Ereignissen werden - in der bohrenden Großaufnahme seiner so meisterlichen wie verstörenden Filme, aber auch in der gröberen, eben unmittelbaren, weil live stattfindenden Inszenierung in einem Opernhaus. (...) Altmeisterlich, fast wertkonservativ, als hätte Michael Haneke nie etwas anderes getan, spult sich diese 'Cosi'-Rolle dann für den Kenner doch vorhersehbar ab, zärtlich und dabei auf Distanz: Man nimmt Anteil, aber man leidet nicht mit diesen Figuren. Dazu sind sie zu sehr in ihrer Künstlichkeit belassen, ja verloren in Erklärungsebenen zwischen gestern und heute."
"Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Deutschland):
"Michael Haneke hat sich immer dagegen gewehrt, als grausamer Regisseur betrachtet zu werden. Er sei nur genau und wolle die Realität nicht verstellen. Die Madrider Inszenierung trägt vor allem seine Handschrift - im Respekt vor Lorenzo da Pontes brillantem Libretto; im Innehalten, in der Stille, die Haneke genauso einsetzt wie in seinen Filmen, nämlich zur Reflexion; und in der radikalen Ausdeutung der dramatischen Möglichkeiten jeder Figur."