650 Seiten stark

Köhlmeiers neuer: Ein Schelmenroman

18.01.2013


Am 28. 1. erscheint der neue Köhlmeier. Dazu das BuchWoche-Interview.

Zur Vollversion des Artikels
© ORF / Franz Neumayr
Zur Vollversion des Artikels

Der Vorarlberger Michael Köhlmeier ist einer der populärsten Autoren im deutschen Sprachraum. Sei’s mit seinen Neu-Erzählungen klassischer Mythen, sei’s mit großen Romanen wie Abendland – Köhlmeier wird gelesen und gehört. Am 28. Jänner kommt in einer Startauflage von 50.000 Exemplaren sein neuer Wurf heraus: Der 650 Seiten starke Schelmenroman Die Abenteuer des Joel Spazierer. Dazu das Interview.

ÖSTERREICH: Sie erzählten einmal, dass Sie Ihre Romanfiguren nicht einfach erfinden, sondern dass diese auf Sie „zukämen“ ... War das jetzt wieder so?
Michael Köhlmeier: Ja. Als ich meinen letzten großen Roman Abendland fertiggeschrieben habe, hat sich mir eine fremde Figur „genähert“. Ein Mann in meinem Alter, von dessen Höflichkeit – heute eine Seltenheit! – ich fasziniert war. Ein geheimnisvoller Mensch, den alle für nett und lieb erachten, der aber seine ausgeprägte Freundlichkeit dazu einsetzt, die Menschen auf Distanz zu halten. Diese Figur hat mich sehr gereizt.

ÖSTERREICH: Deshalb haben Sie diesen „geheimnisvollen Menschen“ zu Ihrem neuen Romanhelden Joel Spazierer gemacht …
Köhlmeier: Ich habe in einem ersten Furor 120 Seiten geschrieben, die ich dann aber wieder verworfen habe. Schließlich begann mir Joel, sein Geheimnis „preiszugeben“. Er lebte in Budapest bei seinen Großeltern, sein Großvater – ein Internist – wurde im Zuge der stalinistischen Ärzte-Verfolgung verschleppt. Und als Joel eines Tages aufwachte, war er mutterseelenallein. Fünf Tage und vier Nächte. Das war seine erste Erinnerung, und das wurde für ihn zum Normalzustand – eine Welt ohne Mitmenschen. Er war einsam, aber mit sich völlig im Reinen.

ÖSTERREICH: Der Hanser Verlag nennt Joel einen Schelm, Ihren Roman einen Schelmenroman. Sind Sie damit einverstanden?
Köhlmeier: Der größte deutsche Schelmenroman war Grimmelshausens Simplicius Simplicissimus. Er handelte von den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges, die man mit realistischen Mitteln gar nicht hätte fassen können. So schuf der Autor einen Schelm, dem alles Mögliche passiert, der alles Mögliche anstellt, der nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, der unbeschadet alle Gräuel überlebt und Grauen anrichtet – so einer ist auch mein Joel Spazierer. Er spaziert durch die Gräuel des Kommunismus, emigriert in die DDR, wird Professor für wissenschaftlichen Atheismus – obwohl er Gott unter einer Laterne begegnet ist. Er ist eine Art Zauberer. Halb real, halb irreal.

ÖSTERREICH: Ist Joel auch eine Art Schwejk?
KÖhlmeier: Ja. Aber er spielt nicht so den Naiven, leicht Vertrottelten, um durchzukommen. Joel ist in der Wahl seiner Mittel skrupellos. Er hat keine Moral.

ÖSTERREICH: Werden Sie – wie mit „Abendland“ – wieder auf ausgedehnte Lesetournee gehen?
Köhlmeier: (seufzt) Allerdings! Der Verlag arbeitet schon an den Terminen.

ÖSTERREICH: Eine ganz andere Frage: Werden Sie morgen pro Wehrdienst oder pro Berufsheer stimmen?
Köhlmeier: Ich bin für die komplette Abschaffung des Bundesheeres.

 

Zur Vollversion des Artikels