"The Animals and Children Took to the Streets" eröffnete YDP-Wettbewerb.
Die bisher eindrucksvollste Schauspielproduktion der Salzburger Festspiele 2013 stammt aus dem Jahr 2010 und ist ein Gastspiel aus der britischen Off-Szene. Wer die Aufführung "The Animals and Children Took to the Streets" von Suzanne Andrade gesehen hat, mit der die Gruppe "1927" gestern, Dienstag (30. Juli), im republic das diesjährige Young Directors Project (YDP) eröffnete, der wundert sich, dass diese viel gelobte Produktion den Scouts der Wiener Festwochen bisher offenbar entgangen ist. Und so ist es möglich, auch bei dem mitunter als protzig verschrieenen Hochglanzfestival an der Salzach einem charmanten kleinen Theaterwunder zu begegnen.
Mix aus Kino und Theater
"The Animals and Children Took to the Streets" mischt Kino und Theater, Gezeichnetes und Gespieltes, Stummfilmästhetik und Animationsfilm, Märchenton und Sozialkritik, Poesie und Politik. Die Show ver- und bezaubert, wirkt kindlich, aber niemals naiv. Erzählt wird die Geschichte des von der Stadtverwaltung sich selbst überlassenen Arme-Leute-Viertels Bayou, in dem Kinder-Gangs ihr Unwesen treiben, Kriminalität den Alltag prägt und Kakerlaken schier allgegenwärtig sind. Eine engagierte junge Frau beschließt, in die übel beleumundete Vorstadt zu ziehen und den Kindern zu helfen.
Der schlechte Einfluss
Sie scheitert dramatisch, und kann nur dank des beherzten Eingreifens eines Hausmeisters verhindern, dass auch ihre Tochter einer vom Bürgermeister angeordneten Gehirnwäsche unterzogen wird: Er lässt die Jugend einfangen und ihnen "Granny's Gumdrops" verabreichen - sie wirken als chemische Keule und sollen innerhalb von einer Woche aus jungen Revoluzzern brave Schäfchen machen. Dass vor Beginn der Show Hostessen Säckchen mit eben jenen Zuckerln im Publikum verteilt hatten, ist eine der vielen Pointen des Abends.
Andrade ist Multitalent
Suzanne Andrade ist nicht nur für Text und Regie verantwortlich, sie ist neben Esme Appleton und Lillian Henley auch eine der drei wandlungsfähigen Schauspielerinnen, die in unterschiedlichste Rollen schlüpfen. Dabei interagieren sie, untermalt von Klaviermusik, auf raffinierte Weise mit Animationsfilmen von Paul Barritt, die auf drei großen, mit je einem Mitspiel-Fenster versehenen Leinwänden gezeigt werden. "The Animals and Children Took to the Streets" erinnert ästhetisch an "Shockheaded Peter", an der Julian Crouch, einer der beiden Regisseure des neuen "Jedermann", federführend beteiligt war, und trägt Elemente der großen sozialkritischen Romane von Charles Dickens ebenso in sich wie von Märchen wie "Der Rattenfänger von Hameln". Die gewalttätigen Jugend-Unruhen, die nach der Premiere dieser Show Großbritannien erschütterten, sind hier tatsächlich in geradezu gespenstischer Weise vorgezeichnet - was dazu beitrug, den Ruhm der Aufführung zu mehren.
Resümee
Am Ende von abwechslungsreichen 70 Minuten steht der Hausmeister vor einer Weggabelung. Welches Ende soll der Abend nehmen? Realistisch oder idealistisch? Das Publikum will es idealistisch - doch der Hausmeister verweigert traurig. Wir sehen also die Schlagzeilen der Jubelpresse: Die Stadtverwaltung hat sich mit der Befriedungsaktion das Problem vom Hals geschafft - zumindest für weitere ein, zwei Jahre. Und wir warten gespannt, welche Wahlzuckerln bis Ende September noch in Österreich verteilt werden. "Granny's Gumdrops" haben jedenfalls ausgezeichnet geschmeckt. Doch wer weiß, wie wir uns in einer Woche fühlen werden. Das YDP ist hochkarätig gestartet. Die Regisseure Bastian Kraft, Mokhallad Rasem und Jan Mikulasek werden es nicht leicht haben. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird am 21. August vergeben.
Info
"The Animals and Children Took to the Streets", Weitere Aufführungen im Salzburger republic: 31.7., 2. und 3.8., 20 Uhr, Karten: 0662 / 8045 - 500, www.salzburgerfestspiele.at