Dudamel brillierte
Neujahrskonzert 2017 mit flottem Generationensprung
01.01.2017
35-jähriger Venezolaner brillierte als bisher jüngster Dirigent.
Frisch, fruchtig, venezolanisch: Der 35-jährige Dirigent Gustavo Dudamel hat dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker nicht nur zu einem Generationensprung verholfen. Mit frechem Optimismus und rhythmischer Zielstrebigkeit ließ er das angeblich so katastrophale vergangene Jahr schnell vergessen und ließ Optimismus blühen. 50 Millionen Zuseher weltweit verfolgten das Event im Fernsehen.
"Einen leicht südamerikanisch angehauchten Strauß" hatten die Philharmoniker im Vorfeld des Ereignisses versprochen. Vordergründig wurde dies durch den Blumenschmuck aus Südfrüchten erfüllt. Das war es auch schon mit den Klischees. Vor allem der Zugang zum Repertoire der Familie Strauß war erfrischend wie nie zuvor: Dudamel, der bisher jüngste Dirigent des Neujahrskonzertes, grübelt nicht lange, hat keine Zeit für elendslange Ritardandi, sondern peitscht nach vorne. Ein Beschwingtheit, die seit Riccardo Muti nicht mehr zu hören war.
Nötiger Optimismus dominierte auch das Programm: Auf Johann Strauß' (Sohn) Walzer "Mephistos Höllenrufe" folgte die Polka "So ängstlich sind wir nicht!". Aber auch Bekannteres wurde mit Elan geboten, etwa der Walzer "Les Patineurs" ("Die Schlittschuhläufer") von Emile Waldteufel, der dem Eröffnungsstück, dem "Nechledil Marsch" aus der Operette "Wiener Frauen" von Franz Lehar folgte. Weiterer "Gast" im Programm, das wie immer von den Werken der Strauß-Dynastie beherrscht wurde: Franz von Suppe mit seiner Ouvertüre zur Operette "Pique Dame".
Zeit zum Innehalten war bei diesem Neujahrskonzert nicht - mit einer Ausnahme: Bei Otto Nicolais "Mondaufgang" aus der Oper "Die lustigen Weiber von Windsor" sorgte der Wiener Singverein von der Orgelempore herab für Transzendenz und Gänsehaut. Der Rest war der Familie Strauß überlassen, etwa mit der Pepita-Polka von Johann Strauß Sohn oder dessen "Auf zum Tanze!". Dabei erfand Dudamel das Rad nicht neu, verlieh ihm aber einzigartigen Schwung. Da war der von der Orgel ins Publikum geblasene Silberstaub als Effekt gar nicht mehr nötig.
Aber auch sonst verlangte das Medienevent wieder nach allerlei optischen Höhepunkten, immerhin übertrugen 17 Kameras das Konzert aus dem Wiener Musikverein an 93 TV-Stationen. Die Balletteinlagen stammten aus der Hermesvilla im Lainzer Tiergarten. Zehn Solisten des Wiener Staatsballetts haben dafür zu "Hereinspaziert" aus Carl Michael Ziehrers Operette "Der Schätzmeister" eine Choreografie von Renato Zanella umgesetzt. Hinzu kamen drei junge Paare, die live im Musikverein tanzten. Der Pausenfilm "Der Rhythmus von Wien" stammte von Robert Neumüller und entführt in die Donaumetropole des 19. Jahrhunderts.
Nicht weniger bahnbrechend: Erstmals waren die Philharmoniker im neuen Konzertoutfit zu sehen, das von Vivienne Westwood und Andreas Kronthaler entworfen wurde. Der eigentliche Star des Tages war allerdings einer, der in diesem Jahr seinen 150. Geburtstag feiert: Der Walzer "An der schönen blauen Donau". Doch auch hier sorgte Dudamel dafür, dass er mindestens so jung wie der Dirigent selbst erschien.