Laut spanischen Medien starb der Schriftsteller in seinem Haus auf Lanzarote.
Der portugiesische Nobelpreisträger José Saramago ist tot. Nach Angaben spanischer Medienangaben starb er am Freitag, 18.6. im Alter von 87 Jahren auf der spanischen Kanaren-Insel Lanzarote. Saramago hatte 1998 den Literaturnobelpreis bekommen.
Werdegang
Saramago lebte seit Jahren auf der Kanaren-Insel. Er
wurde 1922 in der Ortschaft Azinhaga nahe Lissabon als Sohn eines
Landarbeiters und späteren Polizisten geboren. Nach dem vorzeitigen
Schulabgang wurde er Maschinenschlosser, arbeitete später als technischer
Zeichner, Angestellter in der Sozialbehörde, in einem Verlag und als
Journalist.
"Die Stadt der Blinden"
Eines seiner wichtigsten und
einer breiten Leserschaft bekannten Werke ist "Die Stadt der Blinden".
Erst mit etwa 40 Jahren fand er zur Schriftstellerei. 1966 erschien unter
dem Titel "Os poemas possíveis" (Die möglichen Gedichte) sein
erstes Buch. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit Romanen wie "Hoffnung
im Alentejo" (1980), "Das Memorial" (1982) oder "Das
Todesjahr des Ricardo Reis" (1984), die durch die bilderhafte und
barock anmutende Sprache bestechen. 2007 war sein Roman "Eine Zeit ohne
Tod" in deutscher Übersetzung erschienen.
"Ich bin kein Pessimist, sondern bloß ein gut informierter Optimist."
Als José Saramago einmal nach dem Grund für sein ewig düsteres Weltbild
gefragt wurde, antwortete er mit derselben Ironie, die sich in vielen seiner
Bücher findet: "Ich bin kein Pessimist, sondern bloß ein gut informierter
Optimist." Doch eigentlich meinte der portugiesische
Literaturnobelpreisträger das durchaus ernst. "Wir stecken alle in der
Scheiße. Optimist kann eigentlich nur sein, wer gefühllos, dumm oder
Millionär ist." Die Welt sei eine Hölle: "Millionen Menschen werden geboren,
um zu leiden. Kümmern tut dies kaum jemand." Die Hölle hat Saramago nun
verlassen - der Portugiese starb am Freitag im Alter von 87 Jahren auf
Lanzarote.
Politische Ansichten
Der überzeugte Kommunist Saramago meldete
sich immer wieder zur aktuellen Politik zu Wort und eckte dabei nicht selten
an. Bei einem Besuch in Ramallah etwa verglich er die israelische Besetzung
in den palästinensischen Autonomiegebieten mit den Gräueln der Nazis in
Auschwitz und Buchenwald. In seiner Heimat sorgte der Schriftsteller mit dem
Vorschlag für Aufregung, Portugal solle territorialer Bestandteil des großen
Nachbarn Spanien werden. In Portugal brachte Saramago dies den Vorwurf des
Vaterlandsverrats ein - zumal er selbst seit fast zwei Jahrzehnte als
Wahlspanier lebt - mit seiner spanischen Frau, der Übersetzerin Pilar del
Rio (57), auf der Kanaren-Insel Lanzarote. Dorthin war er aus Protest gegen
die damalige konservative Regierung seines Landes ausgewandert. Diese hatte
seinen siebenten Roman, "Das Evangelium nach Jesus Christus", 1992 wegen
angeblicher Verletzung religiöser Gefühle von der Vorschlagsliste für den
Europäischen Literaturpreis streichen lassen - der bekennende Atheist
Saramago hatte den Gottessohn als Jüngling dargestellt, der auch an seinem
eigenen Glauben zweifeln kann.
"Caim" - Rundumschlag gegen Gott, die Bibel und die Kirche
"Wenn
so etwas zu Zeiten der Salazar-Diktatur geschehen wäre, hätte ich es ja noch
verstehen können. In einer Demokratie aber empfand ich diese Zensur
beschämend", sagte der aus armen Verhältnissen stammende Autor, der 1998 den
Literatur-Nobelpreis erhielt. Heute ist er einer der weltweit meistgelesenen
Autoren portugiesischer Sprache - und bringt seine Landsleute immer wieder
zur Weißglut. Bei der Vorstellung seines letzten Buches "Caim" (Kain)
startete der bald 87-Jährige vor einigen Monaten noch einmal einen
ungewöhnlich furiosen Rundumschlag gegen Gott, die Bibel und die Kirche. Die
Bibel sei "ein Katalog von Grausamkeiten", Gott rachedurstig, eifersüchtig
und nicht über den Weg zu trauen, so der Autor. Im erzkatholischen Portugal
ließ die Antwort nicht auf sich warten. Der sozialdemokratische
Euroabgeordnete Mario David rief Saramago auf, "schnellstens" die
Staatsbürgerschaft von Portugal aufzugeben. Der frühere
Kultur-Staatssekretär Sousa Lara verglich den Schriftsteller gar mit Silvio
Berlusconi. Dabei hatte Saramago den umstrittenen italienischen
Regierungschef, auf den Sex-und Korruptionsaffären lasten, jüngst als
"Mafia-Boss" bezeichnet.
Grenzsituationen
Wenn er über Unterdrückte und Besitzlose
schrieb, tat er das nicht mit erhobenem Zeigefinger; Herrschende prangerte
er mit Ironie und zuweilen bitterem Sarkasmus an. "Meine Figuren sind
einfache Leute, nicht zu schön und nicht zu hässlich, die in
Grenzsituationen dank Freundschaft oder Liebe zueinanderfinden", erklärte
Saramago, der sich einen Verehrer von Günter Grass nennt.
In Portugal hatte er unter dem Titel "Die kleinen Memoiren" eine Art Autobiografie herausgebracht, die mit dem 15. Lebensjahr endet. "Diese Zeit hat mich am meisten geprägt, im Grunde bin ich ein Bauernjunge geblieben", sagte er. In dem Buch erfährt der Leser auch, dass Saramago eigentlich Jose de Sousa hieß. Sein richtiger Familienname ging beim Eintrag ins Geburtenregister "verloren", weil der zuständige Beamte betrunken war. Er trug den Kosenamen ein, mit dem die Familie in ihrem Dorf bekannt war. Der Fehler kam erst Jahre später bei der Einschulung heraus und war nicht mehr rückgängig zu machen. Auf Deutsch war von Saramago als letzter Roman "Eine Zeit ohne Tod" (Rowohlt-Verlag) erschienen, ein skurril-philosophischer Roman über eine Gesellschaft, in der niemand stirbt.
Auf Deutsch er schienene Werke (Auswahl)
Hoffnung im Alentejo.
Aufbau 1985, Rowohlt 1987
Das Memorial. Rowohlt 1986
Das Todesjahr
des Ricardo Reis. Rowohlt 1988, Aufbau 1990
Handbuch der Malerei und
Kalligraphie. Rowohlt 1990
Das steinerne Floß. Rowohlt 1990
Geschichte
der Belagerung von Lissabon. Rowohlt 1992
Das Evangelium nach Jesus
Christus. Rowohlt 1993
Der Stuhl und andere Dinge - Erzählungen. Rowohlt
1995
Die Stadt der Blinden. Rowohlt 1997
Die Geschichte von der
unbekannten Insel. Rowohlt 1998
Alle Namen. Roman. Rowohlt 1999
Das
Zentrum. Roman. Rowohlt 2002
Die portugiesische Reise. Rowohlt 2003
Der
Doppelgänger: Roman. Rowohlt 2004
Die Stadt der Sehenden. Rowohlt
2006
Eine Zeit ohne Tod. Roman. Rowohlt 2007
Kleine Erinnerungen.
Rowohlt 2009