Bigelow ist erst die vierte Oscar-nominierte Frau für "Beste Regie".
Kathryn Bigelow macht ihrem Ruf, männlicher als viele Hollywoodkollegen zu sein, erneut alle Ehre. Mit Tödliches Kommando - The Hurt Locker schickt die 58 Jahre alte Regisseurin einen knallharten Action-Kriegsfilm in Rennen um den Oscar. Was, eine Frau hat das inszeniert? Diese Frage höre sie ständig, räumte Bigelow kürzlich in der CNN-Talkshow mit Larry King ein. "Ich sehe mich als jemanden, der Filme macht, und freue mich auf den Tag, wenn Mann oder Frau keine Rolle mehr spielt", strahlte die 58-Jährige mit dem Look eines Ex-Models den Moderator an.
Erst die vierte nominierte Regie-Frau
Bigelow, die mit dem
Thriller Blue Steel bekannt wurde, könnte Oscar-Geschichte
schreiben: Sie ist erst die vierte Frau, die von der Filmakademie für die
Regie-Trophäe nominiert wurde. Bisher hat es noch keine Regisseurin in
Hollywood zum Oscar geschafft. Vor ihr hatten Sofia Coppola mit Lost
in Translation (2003), Jane Campion mit Das Piano (1993) und Lina
Wertmüller mit Sieben Schönheiten (1975) Gewinnchancen, am Oscar-Abend
gingen sie jedoch leer aus.
Power-Lady
Nicht nur wegen ihrer Größe von 1,82 Metern passt
Bigelow perfekt in Hollywoods Männerriege. Sie hat einen Hang zu Action,
Thriller und harten Kerlen. In dem Cop-Thriller Blue Steel (1990)
machte sie Jamie Lee Curtis als Polizistin, die einen Serienkiller
austrickst, zur Heldin. Ein Jahr später schleuste sie Keanu Reeves in "Point
Break - Gefährliche Brandung" als Undercover-Agent in die Surfer-Szene ein,
mit Patrick Swayze als zwielichtigem Bankräuber. Der Action-Film spielte
allein in den USA mehr als 43 Millionen ein, bis dato Bigelows größter
Kassenschlager. Produziert wurde er von ihrem damaligen Ehemann, Titanic-Regisseur
James Cameron. Das Power-Paar hielt es nur zwei Jahre miteinander aus, doch
seit der Scheidung 1991 sind sie noch gut befreundet.
Cameron schrieb auch das Drehbuch für Bigelows Science-Fiction-Film Strange Days (1995), mit Ralph Fiennes als Ex-Polizist, der eine Verschwörung aufdeckt. 2002 holte sie Harrison Ford als Kapitän eines russischen Atom-U-Boots vor die Kamera. Der Actionthriller K-19 - Showdown in der Tiefe kostete mehr als 100 Millionen Dollar, spielte aber nur ein Drittel seiner Kosten ein.
Vom Bild zum Film
Bigelow wuchs nahe San Francisco als einziges
Kind einer Bibliothekarin und eines Managers einer Farbenfabrik auf. Sie
entdeckte früh ihre Liebe zur Malerei, schrieb sich an der Kunstakademie in
San Francisco ein und zog mit einem Stipendium für talentierten Nachwuchs
nach New York. Dort wechselte sie schließlich zum Film. "Malerei ist ein
bisschen elitär, Film dagegen überschreitet Kultur und Klassen", erklärte
sie 2002 in der Los Angeles Times.
Mit 30 Jahren drehte sie ihren ersten Spielfilm. Für das Biker-Drama Die Lieblosen - im Stil von Marlon Brandos Der Wilde - holte sie Willem Dafoe vor die Kamera. The Hurt Locker ist Bigelows achter Film, den sie mit einem Billigbudget von 15 Millionen Dollar unter härtestens Bedingungen realisierte. "Jeder Tag war eine Art Spiel mit dem Feuer, mit Sandstürmen, Windstürmen und der strapaziösen Hitze im Nahen Osten", sagte sie der Los Angeles Times, nachdem sie Anfang Februar von ihren neun Oscar-Nominierungen erfahren hatte. Der Thriller über Bombenentschärfer der US-Armee im Irak drehte sie in Jordanien, dicht an der irakischen Grenze.
"The Hurt Locker" floppte
An den US-Kinokassen
floppte das Kriegsdrama mit nur zwölf Millionen Dollar Einnahmen, doch
Kritiker und Filmpreisverleiher waren begeistert. Im Kopf-an-Kopf-Rennen um
einen Golden Globe mit ihrem Ex-Mann Cameron unterlag Bigelow dem Avatar-Regisseur,
doch der war über seinen Sieg im Januar sichtlich überrascht. "Ich habe
nichts vorbereitet. Offen gesagt, ich dachte, dass Kathryn gewinnt",
stotterte er auf der Bühne. "Sie hätte es verdient". Seither ist Bigelow auf
dem Vormarsch. Als erste Frau steckte sie die Top-Trophäe des
US-Regisseurverbandes Directors Guild of America ein. Bei der
Verleihung der britischen Bafta-Filmpreise räumte "The Hurt Locker" gleich
sechs Auszeichnungen ab, darunter als bester Film und für die beste Regie.
"Meine Hoffnung ist, dass dieser Film ein Ende des (Irak-)Konflikts bringt",
sagte die Amerikanerin, als sie die Regie-Trophäe in Empfang nahm.
Im Rennen um den Regie-Oscar trifft Bigelow auf Cameron (Avatar - Aufbruch nach Pandora), Lee Daniels (Precious), Jason Reitman (Up in the Air) und Quentin Tarantino (Inglourious Basterds). Tarantinos Zuspruch hat sie bereits. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kathryn nicht als beste Regisseurin gewinnt", prophezeite Tarantino in der Larry-King-Talkshow. "Ich werde ihr jedenfalls meine Stimme geben".