Duett im Selbstgespräch. Die Beziehung von Musik und Tanz zu definieren, in gegenseitiger Erhellung und Erforschung, als Reflexion und emotionale Spiegelfläche und stets in struktureller Korrespondenz - das ist die lebenslange choreografische Aufgabe, die Anne Teresa de Keersmaeker seit drei Jahrzehnten verfolgt. Für ein Stück ihres Weges hat sich die belgische Grande Dame des zeitgenössischen Tanzes ihren Kollegen Boris Charmatz dazugeholt. Bei ImPulsTanz im Burgtheater zeigten die beiden gestern, Samstag, ihr Stück "Partita 2" - die Konfrontation mit einem musikalischen Werk, das keinen Effekt - und eigentlich auch keinen Tanz duldet: Bachs Partita in d-moll für Solovioline.
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Von Jahr zu Jahr werden de Keersmaekers Strategien persönlicher, subjektiver, manchmal bis zum schmerzhaften Exzess wie in "3Abschied" zu Musik von Mahler, manchmal bis ins Verstiegene, wohin ihr die meisten Zuseher kaum noch folgen wollen, wie in "The Song" oder "Zeitung". Das zwingende Ineinandergreifen von Bewegung und Klang aus ihren frühen, minimalistischen Arbeiten - die in den vergangenen Jahren dankenswerter Weise ebenfalls bei ImPulsTanz zu sehen waren - hat sie aufgegeben. Ihr Streben nach Verinnerlichung und anschließender Veräußerlichung der Musik durch ihren Körper ist gleichzeitig emotionaler und kompromissloser geworden. Wer auf sie resoniert, dem ist großes, zartes Berührtsein versprochen, wer nicht, dem bleiben hohle Bewegungsfloskeln.
Dabei bleibt sich de Keersmaeker auch als Didaktin treu. Das Bemühen um den Aha-Effekt gibt diesmal eine dreiteilige Form vor: Zunächst erklingt die Partita im Dunkeln, die Violinistin, Amandine Beyer, ist mit ihrer Barockgeige allein auf der schwarzen Bühne. Fast eine halbe Stunde Musik, dann ein abruptes Ende inmitten der Chaconne. Bachs zweite Partita ist Musik in ihrer vielleicht puristischsten Form, satt von trockener Perfektion, dabei schlicht und getragen, ein fünfsätziges Aus- und Einatmen, ein Selbst- oder ein Zwiegespräch mit einem Höheren. Das Pure, nicht-erzählerische betont Beyer durch ihre blasse Interpretation, die mehr Raum lässt als füllt und zunächst als Echo in der Dunkelheit zurückbleibt.
Zweiter Teil Im zweiten Teil treten de Keersmaeker und Charmatz als stille Tänzer auf, die Musik ist verstummt, ein seltsames Duett entspinnt sich, ein Mann und eine Frau, jedoch nicht als Paar, eher als Symbole für den Menschen in zweierlei Gestalt. Sie laufen viel, springen und tänzeln, hoffnungsvoll, rennen dann an unsichtbaren Mauern an und immer wieder neigen sie den Kopf zurück, Gesicht nach oben, taumeln rückwärts oder sinken auf die Knie. Man kann die Synthese bereits riechen: Die Geigerin kehrt zurück, Musik und Bewegung treffen sich im dritten Teil, legen sich in ihrer Wiederholung passgenau aufeinander, ohne je ganz zu verschmelzen. Die Geige und ihre Spielerin werden auch als physische Präsenz betont, umworben, demütig, wie sich de Keersmaeker gegenüber ihren musikalischen Meistern - allen voran Bach - stets verhalten hat.
Nach Jahren des Choreografierens, vor allem für ihre gefeierte Compagnie Rosas, habe sie nach ihrem ganz eigenen Tanz gesucht, sagt de Keersmaeker im Programmheft. Dass sie dafür Bach gewählt hat, noch dazu mit einem Werk, das in seiner schroffen Transzendenz eigentlich untanzbar ist, überrascht kaum. Charmatz erzählt von seinen Bedenken, nachdem ihn de Keersmaeker nach einem Treffen in Avignon und einer gemeinsamen Improvisation zu einem Bach-Projekt einlud; er habe noch nie eine erfolgreiche Bach-Choreographie gesehen. Auch "Partita 2", vom ImPulsTanz-Publikum teils wahrhaft und teils pflichtschuldig gefeiert, wird sich kaum "erfolgreich" nennen dürfen. Ein vorsichtiger, faszinierender, lohnender Versuch.
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