Neujahrskonzert
Pretre versprühte Hauch von Eau de Cologne
27.12.2007
Das Neujahrskonzert gelang dem 83-jährigen französischen Dirigenten als charmante musikalische Verführung.
Es war der Duft von Eau de Cologne, der am Neujahrstag latent im Goldenen Saal des Musikvereins schwebte: Klassisch, nicht aufdringlich und mit einer Eleganz, die ältere Herren auszeichnet. Das 50. Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker brachte dank Georges Pretre am Pult eine musikalische Überraschung.
Nicht die oft übliche Opulenz, französisches Understatement war zu vernehmen. Nicht zuletzt, weil man Pretre auch programmatisch ehrte - vom "Napoleon-Marsch" bis zur "Pariserin".
Das Orchester liebt ihn
Es war eine gehörige Schlankheitskur, die
Pretre den Philharmonikern verordnet hatte. Dass man etwa zu einem Marsch
die Lust zum Tanzen verspürt, ist keine alltägliche Leistung. Und auch im
Ton hat der Franzose die Ur-Österreicher geformt, dass sie kaum
wiederzuerkennen waren. Nicht die schwebende Transzendenz, wie sie etwa
Seiji Ozawa aus den Stücken von Strauß und Co. herausgeholt hatte, stellte
sich ein:
Es war eine alte Schule, die Ruppigkeit als Unanständigkeit tadelt, die jedem im Publikum die Hand küsst. Das Orchester selbst schien seinen Dirigenten zu lieben, kaum Widerspenstigkeit setzte ein.
Orpheus a la francaise
Den eigentlichen Höhepunkt neben den
obligatorischen Zugaben gab es bereits vor der Pause: In der
"Orpheus-Quadrille" zollte Johann Strauß Sohn seinem französischen
Operetten-Gegenüber Jacques Offenbach Tribut, aus dem Kopf soll er die
Themen nach einer Aufführung zu Papier gebracht haben und daraus diese Suite
aus den bekanntesten Gassenhauern zusammengezimmert haben. Pretre warf die
ganze Dekadenz mit Samthandschuhen ins Publikum, unwiderstehlich,
verführerisch und tänzerisch.
Französisch ging es auch beim Walzer "Paris" und beim "Versailler Galopp" zu. Ob die Philharmoniker beim kommenden Gastdirigenten Daniel Barenboim mit derart vielen Reverenzen an sein Heimatland aufwarten können, ist eher unwahrscheinlich.
Melange mit Österreich
Aber auch zutiefst österreichisch
ging es zu, etwa als das Gespann Pretre-Philharmoniker die "Dorfschwalben
aus Österreich" von Josef Strauß fliegen ließ oder sich bei der Laxenburger
Polka vor Kaiserin Elisabeth von Österreich musikalisch verbeugte - oder das
Fußballfieber angesichts der bevorstehenden EURO 2008 beschwor und zur
Zugabe pfiff. Alles Ehrensache.
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Sollte der Musikverein übrigens doch noch Opfer einer freundlichen Übernahme durch einen russischen Oligarchen werden, könnte man auf den "Russischen Marsch" verweisen, dem aber direkt die Polka francaise "Die Pariserin" folgte.
Corps du ballet
Beim heurigen Ballett wurde viel dem Zufall
überlassen, wie auch bei der Live-Regie durch Brian Large. Mitglieder der
Ballettkompanie der Wiener Staatsoper und Volksoper tanzten durch die Wiener
Albertina, "Freut Euch des Lebens" lautete die Huldigung an die Bildende
Kunst. Für die "Tritsch Tratsch Polka" ging es dann auf den Karlsplatz.
Wer bei dieser Einlage schmerzlich die Damen vermisste, darf an die Besetzung der Philharmoniker selbst erinnert werden: Ein paar Frauen mehr als sonst hatten diesmal auf der Bühne Platz genommen. Gut Ding braucht hierorts eben noch mehr Weile.
Keine Frage, Pretre hat mit altem Charme frischen Wind in das Neujahrskonzert gebracht. "An der schönen blauen Donau" und der "Radetzky Marsch" konnten aber wieder beruhigen, noch dreht sich die Philharmoniker-Welt in dieselbe Richtung wie immer. Und auch der Ball wird wohl trotz des EM-Werbefilms "Austrian Kickoff", der in der Pause zu sehen war, eher nicht die Richtung zugunsten der Österreicher ändern.