Claus Guths umstrittene „Don Giovanni“-Inszenierung mit Schrott als Dealer.
Zumindest hat es gestern, Donnerstag, im Haus für Mozart bei der Premiere dieser Inszenierung aus dem Jahr 2008 heftig geklatscht und den Applaus auf die Sänger, das Orchester und das Regieteam recht gleichmäßig verteilt. Dass Guth Mozarts und Da Pontes Oper durchgehend in einem ebenso dichten wie düsteren Fichtenwald spielen lässt, war ja niemandem neu. Und psychologisch durchdacht, vital gespielt, zum Teil hervorragend gesungen und von den Wiener Philharmonikern unter Yannick Nezet-Seguin flott und kraftvoll begleitet ist diese Produktion auch im dritten Durchgang.
Inszenierung
Dreieinhalb Stunden lang lässt Claus Guth den tragischen Frauenhelden und seine Gegenspieler zwischen Bäumen herumturnen. Der Wald als Ort alles Triebhaften und Animalischen, in dem sich jede Figur ihrer Anlage gemäß unterschiedlich wohl fühlt, funktioniert ästhetisch schon, auch wenn viele Szenen des Librettos mit Gewalt in die sich permanent drehende Waldbühne von Christian Schmidt gepresst werden müssen. Die Kraft des Bedrohlichen und Unberechenbaren, das hinter jedem Baum lauert, aber hat abgenommen. Autos, Fotoapparate, Straßen, Bushaltestellen und Partys haben den Wolf vertrieben, und so wirkt die "Bestie Don Giovanni", bei Guth von Beginn an verwundet, vor allem tragisch-krankhaft. Der große europäische Männer-Mythos hat eine Kugel im Bauch.
Schrott als Frontmann
Aber Guth lässt sich vom Humor helfen. "Leporello" Erwin Schrott ist der Frontman, wie schon 2008 und 2010 schwingt der Uruguayianer als kiffender Proleten-Leporello derart locker und unterhaltsam durch den Forst, dass ihm den größten Applaus niemand streitig machen kann. Wie kein anderer vermittelt Schrott im Moment, dass Opernsingen vor allem Spaß machen kann und darf. Auch Gerald Finley, der die Partie von Christopher Maltmann übernommen hat, gibt einen urbanen Don Giovanni, der sich den Kick für die Frauenjagd aus Bierdosen holt und nicht aus Champagnergläsern. Beide kriegen sowohl die schauspielerisch wie immer bei Claus Guth extrem anspruchsvolle Bewegungs-Choreographie, als auch die gesangstechnisch schwierigen Partien auf hohem Niveau über die Rampe.
Solisten
Deutlich dahinter die beiden "Sidemen" Joel Prieto als Don Ottavio und Adam Plachetka als Masetto. Auch die großen Frauen-Rollen dieser Oper sind nicht in allen Belangen überzeugend besetzt. So vibriert die Stimme von "Donna Elvira" Dorothea Röschmann allzu stark und aufdringlich. Malin Byström als Donna Anna klingt groß und mächtig aber farblich ein wenig unausgewogen und intonationstechnisch nicht immer sauber. "Zerlina" Christiane Karg und "Commendatore" Franz-Josef Selig wiederum waren schon sicherer zu hören, aber insgesamt hat das Solisten-Ensemble verdienten Anteil am Gesamterfolg.
Musikalisch
Der gebührt auch den Wiener Philharmonikern und Dirigent Yannick Nezet-Seguin. Im Vergleich zu den beiden anderen "Mozart-Da Ponte-Opern-Orchestern" des Festspielsommers 2011, also dem Orchestra of the Age of Enlightenment ("Figaro") und Les Musiciens du Louvre ("Cosi") waren die Wiener im "Don Giovanni" etwas größer besetzt und klangen entsprechend kraftvoller. Nezet-Seguin wählte flotte Tempi und sorgte für präzise Umsetzung, was die Philharmoniker einiger Ecken zum Trotz willig und meisterlich umsetzten. Fazit: Der Reiz der Übersiedlung des Dramas in einen Wald hat abgenommen, der Neuigkeitswert ist natürlich verbraucht, streckenweise ist dieser "Don Giovanni" auch ein wenig lahm geworden. Aber im Detail ist diese Regie klug konzeptioniert und stimmig umgesetzt. Ein Festspiel-Erfolg für alle.