Autorin Kathrin Röggla übt Kritik, prangert Voyeurismus der Medien an.
Bei der heurigen Nestroy-Preisverleihung (am 8. November im Burgtheater) wird die Salzburger Autorin Kathrin Röggla für worst case den Autorenpreis einheimsen. Wenig später, am 16. Dezember, hat sie im Akademietheater Premiere: und zwar mit dem Stück Die Beteiligten, in dem sie den Umgang der heimischen Medien mit Natascha Kampusch thematisiert.
Aktiv
Kathrin Röggla: "Ich fand ihre Geschichte insofern ungewöhnlich, als sie mutig versucht hat, aktiv zu bleiben, mit den Medien umzugehen. Dadurch hat sie enorm viel Angriffsfläche geboten.“
Darum geht's in "Die Beteiligten"
"Die Beteiligten" beschäftigen sich anhand von sechs Figuren mit dem Wechselspiel von Medien und Beobachtern, bei dem das öffentliche Interesse immer weiter angestachelt und schließlich zum Voyeurismus wird. "Ich habe mich mit Patricia Hearst und dem Stockholm-Syndrom auseinandergesetzt gehabt und fand hier eine merkwürdige Situation vor", vergleicht Röggla den Fall des 1998 entführten Schulmädchens mit dem 1973 erstmals beobachteten Phänomen des Sympathisierens von Opfern mit ihren Geiselnehmern. "Es schien mir mehr die Öffentlichkeit zu sein, die unter dem Stockholm-Syndrom litt, als wäre sie entführt von den Boulevardmedien und müsse mit ihnen immer mit."
Sensationsgier
Der Name Natascha Kampusch
fällt in Rögglas Stück kein einziges Mal. Und doch ist klar, auf welchen Fall sich die von Röggla erfundenen sechs Figuren beziehen. "Der Quasifreund", "der Möchtegern-Journalist", "die Pseudopsychologin", "die Irgendwie-Nachbarin", "die 'optimale' 14-jährige" und "das gefallene Nachwuchstalent" sind für Kathrin Röggla Vertreter der "zweiten Reihe", deren Rollen sich "sehr schnell durch die Berichterstattung und die Positionierung in den Leserforen ergeben" hatten. Diese sensationsgierigen Beobachter, schaulustigen Zaungäste oder sich mit durchaus widerstrebenden Gefühlen Einmischenden hätten sie wesentlich mehr als die helfenden Profis interessiert, "weil diese mit mir und den Zuschauern im Theater mehr zu tun haben. Wir sind sozusagen meist die zweite Reihe. Und für das Theater ist meist nur produktiv, was bei den Zuschauern ankommt."
Österreichische Unfähigkeit
In Berlin, wo die Salzburgerin seit 18 Jahren lebt und das ihr zu einer zweiten Heimat geworden ist, verfolgt sie öffentliche Auftritte von Natascha Kampusch
wie zuletzt die Präsentation ihres Buches "3069 Tage" (List Verlag) und deren mediale Kommentierung auch weiterhin, "wenn auch nicht in der Breite wie zu Beginn. Leider erlebe ich darin viel Bestätigung für mein Stück". Allerdings hätten sich "die österreichischen Medien mehr und längerfristig darauf gestürzt, klar, und so blieb ihre Geschichte in Österreich stärker in Erinnerung. Ein Schauspieler in Düsseldorf las den Text und dachte zuerst an Britney Spears, das fand ich dann schon lustig, bzw. sprechend. Vor allem die österreichischen Leser-Foren fanden in ihren Diskussionen kein Ende", meint Röggla. "Ich glaube schon, dass es da eine spezifische österreichische Besessenheit und auch eine spezifisch österreichische Unfähigkeit gibt, mit so einer Geschichte umzugehen."
Urteilen und Verurteilen
Das Stück wird für die Österreichische Erstaufführung durch Stefan Bachmann nicht aktualisiert, "nur ein wenig für die Inszenierung adaptiert", sagt Röggla. "Da es ja nicht so sehr um das öffentliche Handeln von Natascha Kampusch geht, sondern vielmehr um das öffentliche Urteilen und Verurteilen und Bewerten ihrer Geschichte, und nicht nur ihrer, sondern exemplarisch für so viele Opfergeschichten, braucht man den Bogen nicht immer weiter und weiter zu spannen."
Kathrin Röggla: "Die Beteiligten", Österreichische Erstaufführung am 16. Oktober, 19.30 Uhr, im Akademietheater
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