Der Tourkalender von Rolando Villazón ist immer noch prall gefüllt. Jetzt dreht sich alles um sein neues Verdi-Album, das am 2. November veröffentlicht wurde. Villazón braucht die Vielfalt. "Ich bin mehr als ein Tenor", sagte er im Interview der Nachrichtenagentur dpa.
Hier ein kleiner Clip zur Entstehung des Verdi-Albums
Hier das ganze Interview mit dem Opernstar
dpa: 2013 ist das große Verdi-Jahr. Zum 200. Geburtstag wird der Komponist überall geehrt. Welchen besonderen Draht haben Sie zu ihm?
Villazón: Ich brauche Verdi in meiner Karriere. Ich könnte ohne Puccini leben, obwohl ich Puccini liebe. Auch ohne Massenet oder Gounod. Ohne Verdi könnte ich nicht leben. Meine erste Oper, die ich mit 15 Jahren gesehen habe, war "Aida" von Verdi, meine ersten bedeutenden Rollen habe ich gesungen von Verdi, und ich werde ihn auch in zwanzig Jahren noch singen. Mozart ist wie ein Freund, mit dem spielt man wie ein Kind. Wagner ist wie ein Gott oder Titan, vor dem man ganz klein ist. Und Verdi ist wie ein wundervoller seriöser Großvater. Das Besondere an Verdi ist Verdi. dpa: Die Stücke auf dem neuen Album schnüren einem teilweise die Luft ab ... so viel Dramatik und Herzschmerz. Was fühlen Sie beim Singen?
Villazón: Es gibt zwei Herausforderungen. Eine ist athletisch, physisch. Verdi ist sehr schwierig zu singen. Er kommt noch aus dem Belcanto. Dann kommt die künstlerische Freude. Und wenn die da ist, kommt die Geschichte, die man erzählen muss. Man springt vom technischen zum künstlerischen, poetischen Moment. Das ist mal piano, mal böse und stark, mal weinerlich-leidend. In "Don Carlos" ist er sehr verletzlich. Oder die letzte Arie auf meinem Album, "Dal labbro il canto estasiato vola" (Falstaff), da ist es hocherotisch. Leider kommt bei der Bühnenproduktion eine andere Rolle dazwischen. Sonst würden die Hauptfiguren Fenton und Nannetta sofort Liebe machen.
dpa: Viele Klassikmusiker sind introvertiert. Sind Sie eher der freche Exhibitionist? Villazón: Ich bin sehr schüchtern. Wenn ich in einem anderen Kontext bin, auf einer Party, wo ich niemanden kenne, sitze ich sehr schüchtern da. Aber wenn ich ins Fernsehen gehe und über etwas sprechen kann, was ich liebe, wie Verdi, dann spreche ich so laut und mit meinen Händen. Ich will den Leuten doch sagen, dass Klassik in unsere Zeit gehört und modern ist. Ich arbeite auch als Clown im Krankenhaus, der muss locker sein. Aber Intensitäten im Charakter sind mal so, mal so, die sind implosiv. Ich bin ja auch nicht nur Sänger, sondern der Sänger ist ein Teil von mir und ich bin Ich. Ich singe als Tenor, aber ich bin mehr als ein Tenor.
dpa: Sie haben Hoch- und Tiefpunkte in Ihrer Karriere hinter sich. Haben Sie manchmal Angst, dass ein Tiefpunkt bleibt?
Villazón: Mit Angst kann man nicht leben. Jede Karriere hat Hoch-Runter-Phasen. Ich habe offen darüber gesprochen, andere tun das nicht. Aber ich weiß das von Kollegen: Alle haben Krisen. Wie man aus dieser Krise wieder herauskommt, das macht die Kontinuität der Karriere aus. Es gibt keine Karriere, die immer nur oben ist. Das ist auch uninteressant. Man muss durch schwierige Phasen gehen. Ich musste schon durch Sümpfe schwimmen und habe in dem schmutzigen Wasser so etwas wie eine Blume gefunden, die man nur da hätte finden können. Ich bin dankbar für meinen Weg.
dpa: Verdi ist schon unsterblich. Was ist mit Ihnen?
Villazón: Glücklicherweise werde ich sterben. Ich bin hier und bin stolz, dass ich so unglaubliche Musik singen darf. Aber eines Tages werde ich nicht hier sein und es wird ein anderer kommen, der stolz ist, so unglaubliche Musik zu singen. Aber wenn ich sterbe, dann hoffentlich ohne Schmerzen. Wenn es dem Körper nicht gut geht, dann würde ich wahrscheinlich so ein Gift trinken in der Schweiz und allen Auf Wiedersehen sagen. Aber erst in 150 Jahren. (lacht) Wir Mexikaner haben keine Angst vor dem Tod. Wir tanzen mit dem Tod und lachen darüber.
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