Wiederaufnahme der Pfingst-Oper im Haus für Mozart wurde bejubelt.
Die Salzburger Festspiele geben sich rund um Mariä Himmelfahrt, in Italien als "Ferragosto" bezeichnet, traditionell italophil. Neben Riccardo Muti und Maurizio Pollini darf auch Cecilia Bartoli nicht fehlen, wenn Gäste aus Italien das "Rom des Nordens" stürmen. Mit ihrer Darstellung der Norma in Vincenzo Bellinis gleichnamiger Oper begeisterte die römische Star-Mezzosopranistin das Premierenpublikum im Haus für Mozart. Die Wiederaufnahme der Pfingstfestspiel-Inszenierung von Moshe Leiser und Patrice Caurier wurde insgesamt sehr positiv aufgenommen.
"Rom des Nordens" in der Mozart-Stadt
Leiser und Caurier haben die Leidensgeschichte der Druidin, deren Liaison mit einem römischen Besatzer auf dem Scheiterhaufen endet, in der Zeit des Zweiten Weltkriegs angesiedelt. Norma ist in der französischen Resistance aktiv, ihr geliebter Pollione ein hohes Tier bei den Faschisten. Plausibel erschien diese nicht neue, aber gute Interpretationssicht bereits zu Pfingsten, auf den zweiten Blick stechen viele noch präziser ausgearbeitete Details ins Auge. Auch die Beziehungen zwischen Norma, Pollione und dessen Geliebter Adalgisa sind scharf gezeichnet – vor allem im Finale des ersten Akts, den Leiser und Caurier im engen Kabinett (Bühne: Christian Fenouillat) als beklemmendes Kammerspiel inszenieren.
Bartoli zieht Publikum in ihren Bann
Wie so oft ist es Cecilia Bartoli, die diesen Abend trägt. Die innere Zerrissenheit der Norma zwischen Kindsmord und Selbstopferung verkörpert die emotionale Römerin glaubhaft und führt ihre so nuancenreiche, koloraturstarke Stimme dazu in Grenzbereiche. Zudem verleiht die Besetzung der Titelfigur mit einem Mezzosopran der Norma eine düstere Note. Für die im himmelblauen Kleid (Kostüme: Agostino Cavalca) agierende Adalgisa ist der glockenhelle Sopran von Rebeca Olvera ideal, die Duette der Antagonistinnen blühen angesichts dieser kontrastreichen Klangfarbenmischung geradezu auf. John Osborn gibt einen zynischen Pollione mit strahlendem Tenor, dem es nicht an der nötigen Wärme mangelt. Komplettiert wird die starke Sängerriege durch Michele Pertusi als Oroveso, Liliana Nikiteanu als Clotilde und Reinaldo Macias als Flavio.
Dirigent Giovanni Antonini vollendet den Hochgenuss
Einen gehörigen Anteil am Erfolg dieser Produktion hat auch Dirigent Giovanni Antonini, der das Werk auf der Basis einer neuen kritischen Ausgabe von aller Belcanto-Seligkeit befreit und radikal entschlackt hat. Antonini führt das Originalklang-Orchester La Scintilla aus Zürich zu einem federnden, packenden Bellini-Sound. Sieht man von den teils gar derben Blechbläsern ab, so ist die luftige Transparenz im Orchestergraben ein angenehmer Kontrast im opernreichen Festspielsommer – zumal auch die Musiker seit Pfingsten hörbar nachgebessert haben. Der Coro della Radiotelevisione Svizzera organisiert nicht nur den Widerstand auf der Bühne, er findet auch die Balance zwischen martialischer Wucht und schubertscher Klangschönheit.
Info
"Norma", Tragedia lirica in zwei Akten von Vincenzo Bellini nach einem Libretto von Felice Romani. Musikalische Leitung: Giovanni Antonini, Regie: Moshe Leiser und Patrice Caurier. Bühne: Christian Fenouillat, Kostüme: Agostino Cavalca. Es musizierten das Orchestra La Scintilla aus Zürich und der Coro della Radiotelevisione Svizzera aus Lugano. Die Solisten: Cecilia Bartoli als Norma, Rebeca Olvera als Adalgisa, John Osborn als Pollione, Michele Pertusi als Oroveso, Liliana Nikiteanu als Clotilde und Reinaldo Macias als Flavio. Weitere Aufführungen im Haus für Mozart: 20., 24., 27. und 30. August. www.salzburgfestival.at