"Der diskrete Charme der Bourgeoisie": Krasser Witz und abruptes Ende beim YDP.
Es begann mit einer krass-witzigen Blödelei über den Tod. Am Ende, oder genauer gesagt rund 15 Minuten vor dem Ende, lag ein Schauspieler zuckend auf der Bühne. Mit einem epileptischen Anfall, wie sich herausstellen sollte. Die Premiere der vierten Produktion des Young Directors Project (YDP) der Salzburger Festspiele am 19. August in der ARGEkultur wurde abgebrochen, die Zuschauer aus dem Saal gebeten. Der Schauspieler aus Tschechien ist - so hieß es heute Vormittag aus dem Pressebüro - auf dem Weg der Besserung. Das Theaterstück selbst hätte bis zum Zeitpunkt des Abbruches bitterer und satirisch-surrealer kaum sein können.
Tschechische Aufführung mit unerwartetem Ende
Die Truppe des "Divadlo Reduta" aus dem tschechischen Brünn hat sich am Leinwandklassiker "Der diskrete Charme der Bourgeoisie" von Luis Bunuel aus dem Jahr 1972 orientiert. Thema der gleichnamigen Inszenierung von Jan Mikulasek sind aber nicht die überzogen-versnobten Lebensgewohnheiten der französischen Oberschicht. Mikulasek hat sich naheliegenderweise für die dummen Grobheiten jener tschechischen Neureichen interessiert, die nach der Wende schnell an viel Geld gekommen sind und dies auf denkbar unkultivierte Weise zu Schau stellen.
Wildes Treiben auf der Bühne
Im stummfilmartig organisierten Bühnenspiel nach Bunuel speist eine Gruppe jener Geld-Proleten zu Abend. Hinter den von Marek Cpin ebenso simpel wie sinnstiftend aufgestellten Fassaden. Und es geht zur Sache: Hier wird in Sektgläser gepinkelt und einander zugeprostet. Dort wird "Kaviar" aus dem Darm gepresst und verkostet. Als Zwischengang wird eine Frau vergewaltigt und einer anderen mit dem Fuß ins Gesicht getreten. Ein Spaß, wie alle anderen finden. Und am (so wohl nicht geplanten) Ende, fressen alle ihre Schuhe. Aber was sich da liest wie eine platte Aneinanderreihung von Unappetitlichkeiten ist eine beißend präzise Analyse von Abgründen jener Seelen, die ohne Kultur Macht haben. Bei Bunuel ist es die Arroganz der Bourgeoisie. Mikulasek mischt eine Riesen-Portion Geschmacklosigkeit dazu und entblößt die Arroganz des Geld-Proletariats. Atemlos, skurril und lebensnäher, als einem lieb sein kann.
Reale Gesellschafts-Spielchen
Wie Bunuel vermischt das Reduta Theater die realen Gesellschafts-Spielchen seiner Helden mit Traumbildern, durch die der Bezug zur Moral noch unschärfer wird als es durch zu viel Geld alleine bewirkt werden könnte. Im Traum fällt jede Schamgrenze, und man erschießt sich so zum Spaß mit Pistolen. Wie Tiere in Luxusklamotten, gefährlich, lächerlich und amüsant zugleich.
Wenig Text, dafür starke Message
Text gibt es wenig, braucht es auch nicht. Die paar Sätze werden - man könnte sich sonst uninformiert fühlen - per Übertitelanlage aus dem Tschechischen geholt. Was allerdings offen bleiben muss, ist die Reaktion des Salzburger Festspielpublikums. Die Juroren Brigitte Hobmeier, Ulrich Khuon, Michael Köhlmeier, Helga Rabl-Stadler und Thaddäus Ropac müssen und werden ein Theater beurteilen, dem eine echte Krankheit den Schluss und den verdienten Premieren-Applaus geraubt hat. Die weiteren Aufführungen ab dem 20. August sollen wie geplant stattfinden. Am morgigen Mittwoch (21. August) wird der Young Directors Award 2013 vergeben.
Info
"Der diskrete Charme der Bourgeoisie", Hommage an Luis Bunuel und Jean-Claude Carriere, Gastspiel des Divadlo Reduta im Rahmen des Young Directors Project der Salzburger Festspiele. Regie: Jan Mikulasek; Bühnenbild und Kostüme: Marek Cpin; Schauspieler: Dita Kaplanova, Zuzana Scerbova, Petra Buckova, Ondrej Mikulasek, Jiri Vyoralek, Jan Hajek, Petr Jenista, Jiri Kniha und Jakub Gottwald. Weitere Aufführungen heute, Dienstag, 20. 8., sowie am 21., 22. und 23. 8. ; www.salzburgerfestspiele.at