Schwere Zeit
Salzburger Festspiele in der Krise
29.01.2010
Illegale Geldflüsse & ungenierte Prasserei
Dem künstlerischen Schock – Ende letzten Jahres drohten die Berliner Philharmoniker die Salzburger Osterfestspiele zugunsten Baden-Badens zu verlassen – folgte jetzt der politische.
Finanzprüfung
Da „die Berliner“ nicht aus Jux und Tollerei
abziehen wollten, sondern weil sie mit dem langjährigen Geschäftsführer der
Osterfestspiele, Michael Dewitte, nicht mehr „konnten“, schaltete sich die
Präsidentin der Osterfestspiele, LH Gabi Burgstaller, ein und veranlasste
eine Finanzprüfung.
Fristlose
„Das Ergebnis war nicht zufriedenstellend, es wurde
eine Sonderprüfung in Auftrag gegeben, und da der Verdacht auf
Unregelmäßigkeiten bestand, wurde Dewitte fristlos entlassen“, heißt es
vonseiten Burgstallers. Am 29.1. lag ein Zwischenbericht der Firma Audit
Services Austria vor, aus dem klar hervorgehe, „dass es Unregelmäßigkeiten,
ungerechtfertigte oder überhöhte Provisionszahlungen und
Reisekostenabrechnungen gegeben hat, die sich in einer Dimension von bis zu
650.000 Euro bewegen“.
Wirtschaftsprüfer checkt auch Japan-Gastspiel
Zum noch
größeren Debakel weitete sich die „Causa Dewitte“ vergangenen Donnerstag
aus, als öffentlich wurde, dass dieser vermutlich in komplizenhafter
Verbindung mit dem technischen Direktor der Salzburger Sommerfestspiele,
Klaus Kretschmer, stand.
Schnittstellen
Kretschmer habe tags darauf „mit seinem
Dienstvertrag nicht vereinbare Nebenbeschäftigungen bestätigt“ (O-Ton Büro
Burgstaller) und wurde von Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler umgehend
fristlos entlassen. Am 29.1. betraute Rabl-Stadler die Wirtschaftsprüfer der
Osterfestspiele mit der Sondierung
der „Schnittstellen“ zwischen den beiden Festivals und der
genaueren Untersuchung des Japan-Gastspiels der Salzburger Festspiele.
Freikarten
Zur mutmaßlichen Bereicherung kam offenbar ungenierte
Verschwendung hinzu: So schmiss Kretschmer angeblich mit Freikarten für die
Festspiele um sich. Und Dewitte hatte sich einmal vom Chauffeur aus Zürich
abholen lassen, als sein Anschlussflug nach Salzburg nicht klappte.
Der gute Ruf der Salzburger Festspiele sei gleichwohl nicht gefährdet, betont Rabl-Stadler (siehe Interview unten): Dem schwarzen Schaf sei das Handwerk gelegt.
ÖSTERREICH: Kann man im Fall Kretschmer von Veruntreuung
sprechen?
Helga Rabl-Stadler: Als wir von den Osterfestspielen
den Bericht über seine dortigen Nebenjobs erhielten, haben wir ihn fristlos
entlassen. Er hatte ein klares Nebenbeschäftigungsverbot!
ÖSTERREICH: Sind diese Nebenjobs niemandem aufgefallen?
Rabl-Stadler:
In jedem Betrieb kann es schwarze Schafe geben. Und jede noch so gute
Kontrolle kann durch kriminelle Energie außer Kraft gesetzt werden. Wenn man
draufkommt, muss man sofort reagieren. Das haben wir getan, innerhalb von 24
Stunden.
ÖSTERREICH: Hat Kretschmer die Sommerfestspiele geschädigt?
Rabl-Stadler:
Erwiesen ist, dass er von den Osterfestspielen Geld genommen hat. Nicht
erwiesen ist, dass er die Sommerfestspiele geschädigt hat. Trotzdem
betrauten wir gestern einen Wirtschaftsprüfer mit der Untersuchung aller
Schnittstellen zwischen den beiden Festivals sowie mit der Untersuchung
unseres Japan-Gastspiels.
ÖSTERREICH: Jetzt steht der gute Ruf der Salzburger Festspiele
auf dem Spiel?
Rabl-Stadler: Ich wüsste nicht, weshalb der gute
Ruf gefährdet sein soll, wenn man einem schwarzen Schaf sofort sein Handwerk
legt.