Kein Meilenstein, aber eine spannende Weiterentwicklung: Nicholas Ofczarek und Birgit Minichmayr sind Jedermann und Buhlschaft.
Aus den Lautsprechern mahnte eine weibliche Stimme das Ausschalten der Handys ein und wünschte dem Jedermann-Publikum einen „angenehmen Premierenabend“. Dass der nicht nur angenehm, sondern auch streckenweise spannend wurde, dafür sorgte unter anderem der neue Jedermann, Nicholas Ofczarek.
Machohafter als seine Vorgänger
Dieser verkörpert den Titelhelden auf dem Salzburger Domplatz rüpel- und machohafter als seine Vorgänger. So wird etwa der arme Schlucker, der ihm Geld schuldet, von Jedermann nicht nur verhöhnt, sondern auch noch genüsslich mit der Faust traktiert und wie ein Postsack mit eisernen Ketten verschnürt. Ofczareks Jedermann lässt gleich von Beginn an die Sau raus. Was den Vorteil hat, dass der Abend auf dem Domplatz eben nicht nur „angenehm“ wird wie ein Besuch im Goldenen Hirschen. Der Nachteil ist, dass dieser Jedermann schon so weit „unten“ ist, dass er – wenn Tod und Teufel ihn holen – nicht mehr so tief und fürs Publikum schwindelerregend fallen kann wie etwa die Jedermänner von Voss und Simonischek.
Birgit Minichmayr ist keine Domplatz-Diva
Alles andere als eine Domplatz-Diva ist Birgit Minichmayr als neue Buhlschaft. Schon ihr Auftritt ist in Christian Stückls runderneuerter, nicht immer ganz schlüssiger Inszenierung nicht so bombastisch wie der ihrer Vorläuferinnen: Statt wie bisher aus einem Heuhaufen zu „explodieren“, schleicht sie zur Überraschung Jedermanns die Treppe herunter. Im roten Kleid, mit heiserer Stimme, beschwipst und angeheitert wirkend, erfüllt sie die wichtigste Nebenrolle der Salzburger Festspiele mit Leben – und schleicht sich schließlich so beiläufig, wie sie gekommen ist, davon.
Freunde seriösen Schauspiels werden ihre Freude mit der neuen Buhlschaft haben. Wer stark auf „Wonder Women“ wie Veronica Ferres fixiert ist, wird von ihr enttäuscht sein. Dass Peter Jordan als farbloser Guter Gesell seinem Vorgänger Sven-Eric Bechtolf nicht das Wasser reichen kann, hätte Regisseur Stückl auffallen müssen. Dass der „Tod“ Ben Becker so korpulent und gravid über die Bühne trottet, als hätte er drei Portionen Salzburger Nockerl zu viel verdrückt, liegt vielleicht an der guten österreichischen Küche.