"100 Jahre Wahn & Sinn": Zum Gedenken an Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Das Gedenkjahr 2014 anlässlich des 100. Jahrestages des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs steht im Mittelpunkt der kommenden Saison des Wiener Schauspielhauses. "100 Jahre Wahn & Sinn" lautet das Motto der Spielzeit 2013/14, deren Programm Schauspielhaus-Leiter Andreas Beck am 3. September im Gespräch mit der APA vorstellte. "Es gibt bestimmte Denkmomente oder Denkmalmomente, an denen man auch als Theater der Gegenwart nicht vorbeikommt", so Beck. "Wir wollen aber nicht, wie vermutlich manche andere, einfach noch einmal 'Im Westen nichts Neues' bringen, sondern haben Autorinnen und Autoren gefragt, wie sie diese vergangenen 100 Jahre sehen."
Kick off "Die Wohlgesinnten"
Weil man sich im Schauspielhaus der Meinung jener anschließt, die den Ersten Weltkrieg nicht als Einzelereignis sehen, sondern als Beginn eines "Dreißigjährigen Kriegs", dessen Auswirkungen bis ins Heute reichen, steckt man auch die historischen Grenzen des Themas nicht zu eng. Eröffnet wird daher die insgesamt elf Produktionen (sieben Uraufführungen, eine Deutschsprachige und zwei Österreichische Erstaufführungen sowie eine Serie) umfassende Saison am 4. Oktober mit einer bei Antonio Latella in Auftrag gegebenen Dramatisierung des umstrittenen Romans "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell. Die aus der Perspektive eines SS-Offiziers erzählte Geschichte von Holocaust und Russlandfeldzug erhält hier durch stärkeren Bezug auf die Verbindungen zur griechischen Tragödie eine neue Dimension. "Täterschaft ist etwas, das ganz leicht entsteht", so Beck.
Terrorismus und Gewalt im Zentrum
Ebenfalls im Auftrag des Schauspielhauses hat die serbische Dramatikerin Biljana Srbljanovic die Schüsse von Sarajevo zum Ausgangspunkt für ein Stück genommen, das Terrorismus und Gewalt auf dem Balkan bis hinauf zur Ermordung des serbischen Premiers Zoran Dindic 2003 thematisiert. "Princip (Dieses Grab ist mir zu klein)" sei ganz toll und ganz frisch, schwärmte Beck: "Der Text ist noch warm vom Kopieren!" Michael Zadara bringt das Stück am 16. Oktober zur Uraufführung. Zum Themenschwerpunkt rechnet Beck auch "Die Ereignisse" von David Greig (ab 22. November). Die in Koproduktion mit Theatern in London und Oslo entstandene und von Ramin Gray inszenierte Produktion heimste bei ihrem Erstantritt im Sommer in Edinburgh bereits Preise ein. Der schottische Autor hat sich in dem Stationendrama für zwei Schauspieler und einen Chor "etwas am Fall Breivik orientiert". Ungewöhnlich: Bei jeder Aufführung soll ein anderer Chor mitwirken. Beck: "Es gibt in Wien relativ viele Chöre. Wir haben rund 50 angeschrieben." Andreas Jungwirth hat Jenny Erpenbecks auch in Wien spielenden fünfteiligen Roman "Aller Tage Abend" dramatisiert. Felicitas Bruckner inszeniert die Uraufführung (30. Jänner 2014).
Wiener Flüchtlingsgeschichte mit "Allerwelt"
Das in einem Simmeringer Flüchtlingslager spielende Stück "Allerwelt" von Hausautor und Gratzer-Stipendiat Philipp Weiss (Uraufführung im März 2014 durch Pedro Martins Beja), Theresa Walsers Komödie "Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel" (Österreichische Erstaufführung durch Sebastian Schug im April 2014), in dem Imelda Marcos, Margot Honnecker und eine arabische Politiker-Frau (Beck: "Wie nennen das Stück ja nur 'Die Diktatorinnengattinnen'") eine gemeinsame Pressekonferenz geben, sowie die am 16. Jänner startende fünfteilige Serie zu Stefan Zweigs Autobiografie "Die Welt von Gestern", zu der Hausautorin Anja Habermehl (von ihr wird auch der Monolog "Wie Mücken im Licht" gezeigt), Ferdinand Schmalz und Philipp Weiss aktuelle Bezüge liefern, ergänzen den "100 Jahre Wahn & Sinn"-Schwerpunkt.
Ins neue Jahr mit "Konstellationen"
Abgerundet wird die Saison durch die Silvesterpremiere von Nick Paynes "Konstellationen", eine im Londoner Westend höchst erfolgreiche Romanze zwischen einer Quantenphysikerin und einem Imker, der Uraufführung von "Queen Recluse", einem Stück des Schauspielers Thiemo Strutzenberger über die Dichterin Emily Dickinson, sowie Peter Lichts "Das Sausen der Welt", eine "agnostische Variante des Rosenkranzgebets". Neu in der Saison 2013/14 sind auch Übertitel in der Originalsprache, eine Induktionsschleife, die hörbehinderten Besuchern von jedem Platz besten Empfang für ihre Hörgeräte bietet, sowie Ensembleneuzugang Florian von Manteuffel aus Stuttgart. Nestroy-Preisträger Max Mayer (im Burgtheater als "Lumpazivagabundus" zu sehen) ist nicht mehr fix im Ensemble, wird aber aus der Vorsaison übernommene Produktionen weiterspielen. Rund 22.500 verkaufte Karten in der vergangenes Saison bedeuteten eine Auslastung von 82 Prozent (gegenüber 80,8 in der Saison 2011/12), die Schulden konnten komplett abgebaut werden. 2014/15 plant das Schauspielhaus Wien u.a. zwei internationale Koproduktionen mit Moskau und Temeswar. Bis 2014/15 läuft derzeit auch der Vertrag des Direktors.
Beck hegt keine Avancen für Volkstheater-Posten
Zur heute erfolgten Ausschreibung des Volkstheaters ab 2015/16 meinte Beck: "Darüber mache ich mir derzeit keine Gedanken. Ich bin hier glücklich." Vom Volkstheater würde er sich allerdings wünschen, künftig dem Burgtheater mehr Konkurrenz zu bieten, wenngleich ihm bewusst sei, dass dies auch budgetäre Gründe habe. Von der Kulturpolitik erhofft er sich nicht nur allgemein eine Anhebung der Budgets: "Es wäre toll, würde man Kunst und Kultur nicht nur unterstützen, sondern auch mehr promoten. Österreich sollte nicht nur mit Mozart und der Wiener Klassik punkten." Ein aktives Fördernetz für Aktivitäten im Ausland wie das deutsche Goethe-Institut oder die schweizerische Stiftung Pro Helvetia wäre da sehr hilfreich. Um zu dokumentieren, wie weit die eigenen Aktivitäten über die Landesgrenzen hinaus reichen, hat man die gefaltete Jahresvorschau mit einer Landkarte ausgestattet: 25 Fähnchen markieren die bisherigen und künftigen Gastspielorte, von Neapel bis Moskau.
Info
Alle Informationen zur Spielzeit 2013/14 erhalten Sie unter www.schauspielhaus.at.