Schwule Oper

"Brokeback Mountain" Premiere in Madrid

30.01.2014

Komponist  Wuorinen und Autorin Proulx machten Kinoerfolg zum Musiktheater.

Zur Vollversion des Artikels
© Reuters
Zur Vollversion des Artikels

Selten wurde am Madrider Teatro Real eine Opernpremiere mit so viel Spannung erwartet, wie am 28. Jänner die Uraufführung von "Brokeback Mountain". Doch die Begeisterung für die von Charles Wuorinen komponierte Opernversion der Geschichte um zwei schwule Cowboys, die als Hollywood-Film von Ang Lee zum Welterfolg wurde, hielt sich in Grenzen.



Nach Haneke nun Kino-Hit in Madrid
Nicht einmal Michael Hanekes Mozart-Inszenierung "Così fan tutte" hatte im vergangenen Jahr in der spanischen Hauptstadt für so viel Aufruhr gesorgt, selten zuvor waren so viele internationale Opernkritiker im Madrider Opernhaus zu sehen gewesen. Selbst Personen, die sich sonst nicht für Oper oder Theater interessieren, wurden aufmerksam. Ein Grund dafür dürfte das aktuelle, oftmals polemische Thema gewesen sein, aber auch der Riesenerfolg der gleichnamigen Kinoversion: 2006 wurde der Film "Brokeback Mountain" mit den beiden Hauptdarstellern Jake Gyllenhaal und Heath Ledger gleich mit drei Oscars ausgezeichnet.

Anspannung vor Premiere groß
Im Vorfeld ging es in Spaniens Zeitungen vor allem darum, ob das sehr konservative Publikum des Madrider Opernhauses die Inszenierung der homosexuellen Liebesgeschichte zweier Cowboys überhaupt gutheißen würde. Tatsächlich war der Premierenerfolg keineswegs rauschend. Natürlich gab es großen Applaus für die 78-jährige US-Autorin Annie Proulx, die nicht nur vor 20 Jahren die Original-Kurzgeschichte verfasste, sondern auch das Libretto für die Oper schrieb. Auch US-Komponist Charles Wuorinen und der kanadische Bassbariton Daniel Okulitch, der den Cowboy Ennis del Mar singt und spielt, wurden besonders bejubelt. Aber bald war der Applaus vorbei, und auch in den Opernfluren hielt man sich anschließend mit positiven Kommentaren eher zurück.

Umsetzung zu gefühlslos
Vielleicht haben zu viele von der Oper eine umgewandelte Version des rührenden Hollywoodstreifens von Ang Lee erwartet. Tatsächlich fehlt der Madrider Opernversion ein wenig Brillanz, vor allem aber emotionale Wärme und die Passion, die man bei einem solchen Thema erwartet hätte. Die Musik ist einfach-kommerziell und wird ihr Publikum finden. Doch ist sie gleichzeitig zu dunkel, zu kalt und zu metallisch für eine solche Liebesgeschichte - auch wenn es sich um ein Drama handelt.



Bühnenbild lenkt ab
Auch die von Regisseur Ivo van Hove geschaffene Bergwelt im US-Bundesstaat Wyoming, die im Hintergrund als Film abläuft, hilft nicht gerade dabei, sich in die Gefühlswelt der Protagonisten versetzen zu können. Im zweiten Akt, in welchem die beiden Cowboys sich ihren jeweiligen Freundinnen stellen, verliert der Zuschauer durch die Parallel-Szenarien sogar schnell den Überblick und die Konzentration. Bei zu vielen Nebenfiguren fragt man sich sogar, ob sie wirklich auf die Bühne müssen, oder welche Funktion sie generell haben.

Glanz-Szenen auf der Bühne
Dennoch sind in van Hoves Regie einige wunderbare Szenen auszumachen. Beispielsweise die von der Decke herunterkommenden Hochzeitskleider, als Ennis del Mar trotz seiner homosexuellen Erfahrung um die Hand seiner Freundin anhält. Oder in der grandiosen Abschlussszene, in welcher Ennis dem Hemd seines verstorbenen Freundes singend seine Liebe offenbart.

Sänger verazuberten Publikum
Gegen die sängerische Leistung von US-Tenor Tom Randle, der den Cowboy Jack Twist dargestellt, und dem kanadischen Bassbariton Daniel Okulitch kann man nichts sagen. Auch ihre schauspielerische Leistung kann sich sehen lassen. Doch ihr permanenter, hastiger Sprechgesang, durch den sie der Schweizer Dirigent Titus Engel hetzt, wird fast im Drei-Minuten-Takt durch Szenenwechsel unterbrochen, wodurch sie kaum zeigen konnten, was sie sängerisch wirklich drauf haben.

Abschließendes Resümee
Dennoch: Am Madrider Teatro Real wird man sich bestimmt noch lange an "Brokeback Mountain" erinnern. Die Uraufführung wird in die Liste des provokativen Erbes von Gerard Mortiers eingehen. Der frühere Intendant der Salzburger Festspiele wollte das Stück eigentlich schon vor Jahren an der New York Oper aufführen. Doch dann verzichtete er wegen Etatkürzungen auf den Posten und ging an die Madrider Oper, wo er seit Herbst nach Streitigkeiten mit dem Teatro Real nur noch Berater tätig ist. Mit "Brokeback Mountain" ist es Mortier allerdings erneut gelungen, dem Madrider Opernhaus seinen frischen, zeitgenössischen Stempel aufzudrücken. Auch wenn der nicht immer überzeugt.

(Von Manuel Meyer/APA)


 
Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel