Kunst und politische Utopie
Secession lädt zum Talk mit Yael Bartana
06.12.2012
Die Israelin verbindet Kunst und politische Utopie in der Seccession.
Unter dem Motto "Wenn ihr wollt, ist es kein Märchen" hatte Theodor Herzl 1902 seine Utopie eines Judenstaates in seinem Roman "Altneuland" verarbeitet. Über Utopien soll ab heute, Donnerstag, Abend in der Ausstellung "Wenn ihr wollt, ist es kein Traum" der Wiener Secession diskutiert werden. Die 1970 geborene israelische Künstlerin und Filmemacherin Yael Bartana hat als zentrales Objekt ihrer Installation im Secessions-Hauptraum auf einem roten Podest einen großen, runden Konferenztisch aufstellen lassen. Seine Inbetriebnahme durch das Publikum samt Nutzung der bereitliegenden Utensilien wie "Yes"- und "No"-Abstimmungskarten sei durchaus erwünscht, erklärte die Künstlerin bei der heutigen Presseführung: "Ich denke, es gibt doch sicher viel, was Sie hier in Österreich ändern wollen..."
Formulierung von utopisch wirkenden Ansprüchen
Yael Bartana geht es um das Formulieren von utopisch wirkenden Ansprüchen jenseits der Grenzen von realistischer Umsetzbarkeit. Als konkretes Beispiel, wie Kunst die Grenzen von Fakten und Fiktionen, von Vergangenheit und Zukunft aufbrechen und vermischen kann, hat sie 2007 das "Jewish Renaissance Movement in Poland" (JRMiP) ins Leben gerufen, mit dem zur Rückkehr von 3,3 Millionen Juden in das Land ihrer polnischen Vorfahren aufgerufen wird.
"And Europe Will Be Stunned"
Teil dieses Kunstprojekts war die Filmtrilogie "And Europe Will Be Stunned", die sie als offizielle Vertreterin Polens 2011 auf der 54. Biennale in Venedig gezeigt hat, und die vor wenigen Tagen im mumok kino zu sehen war. In der Secession läuft die Großprojektion eines 110-minütigen Videos, mit dem der erste internationale Kongress der JRMiP, der im Mai im Berliner Theater Hebbel am Ufer stattgefunden hat, dokumentiert wird. Während der dreitägigen Veranstaltung wurden mögliche gesellschaftliche und politische Veränderungen in der EU, in Polen und in Israel diskutiert, mit der die Umsetzung dieser Utopie ein Stück vorstellbarer würde.
Viuselle Objekte und verbale Diskurse
In der Secession zeigt Yael Bartana dazu u.a. drei Vitrinen, in denen Bücher und Objekte an Theodor Herzl und Sigmund Freud erinnern sowie und die bisherige Arbeit der JRMiP dokumentiert wird. Zur Eröffnung der Ausstellung gibt es heute Abend eine 45-minütige Performance von Susanne Sachsse ("Fragen an Freud und Herzl"), die morgen, Freitag, um 17 Uhr wiederholt wird.
Parallel Foto-Schau
Parallel zu der bis 10. Februar 2013 laufenden Ausstellung von Yael Bartana zeigt die New Yorker Fotografin Liz Deschenes in dem für die Schau nur durch den rechten Seiteneingang zugänglichen Untergeschoß eine Serie von 16 silbrigen, schmalen und hochformatigen Fotogrammen, die durch ihre im Winkel angeordnete paarweise Montage skulpturale Wirkung entfalten. Obwohl eigentlich fixiert, seien die Fotogramme (Fotopapier, das dem Licht ausgesetzt wurde) wie alle Fotografien ständigen Veränderungen durch die Einflüsse von Licht, Temperatur oder Luftfeuchtigkeit ausgesetzt, erklärte die Künstlerin.
Yoko Ono und John Lennon am Dach
Im Obergeschoß zeigt die 1972 geborene Wiener Künstlerin Fiona Rukschcio ihr Remake von Yoko Onos und John Lennons Film "Rape" (1969). Vom ORF mitinitiiert, hatte der Film eine junge Frau gezeigt, die vom Kameramann durch die Londoner Innenstadt bis in ihre Wohnung verfolgt wird. Rukschcio hat die filmische Vorlage mit den exakt gleichen Einstellungen an den Originalschauplätzen nachgedreht, dabei aber die Protagonistin ausgespart: "'retaped Rape' ist gleichermaßen Hommage wie auch eine Analyse und Weiteführung des Originals", so Rukschcio. Ihr Film ("Ich nehme nicht an, dass sich jemand das 75 Minuten lang ansieht.") ist dabei ebenso zu sehen wie Fotos von den komplizierten Dreharbeiten, bei denen die Künstlerin in der einen Hand mit dem Laptop den (im Internet downloadbaren) Originalfilm verfolgte, und gleichzeitig mit der anderen Hand ihre Kamera bediente. Auf Fotocollagen wird schließlich das Original vom Remake überschrieben und umgekehrt.
Info
"Yael Bartana: Wenn Ihr wollt, ist es kein Traum", "Liz Deschenes" und "Fiona Rukschcio: retaped Rape", Secession, Eröffnung heute, 19 Uhr, 7. Dezember bis 10. Februar 2013, Di-So 10-18 Uhr, www.secession.at