Die britische Künstlerin spielt mit sexuellen Stereotypen in der Donau-Metropole Wien.
Mit der Britin Sarah Lucas, dem österreichischen Maler Tobias Pils und dem Niederländer Guido van der Werve setzt die Secession in ihrer neuen Ausstellung einmal mehr auf höchst heterogene Inhalte und Gestaltungsformen: Ab Samstag sind sich in überdimensionalen Kürbissen spiegelnde Penisse, malerische Stoppschilder und ein filmischer Mega-Triathlon im Rahmen der Vienna Art Week zu sehen.
Lucas spielt mit dem männlichen Geschlecht
Ein abgewandelter Wortstamm, der sowohl die dialektale Bezeichnung von "Penis" als auch "Brustwarze" bezeichnet, ist titelgebender Ausgangspunkt der Ausstellung von Sarah Lucas: "Nob" nennt die 1962 geborene Britin ihre Schau, die von glänzenden, meterlangen Riesenkürbissen bestimmt wird, in denen sich die ebenso überdimensionalen, steil aufgerichteten Betonpenisse spiegeln, die von der Künstlerin auf verschrotteten und gepressten Autos platziert wurden. Mit dem spitz zulaufenden Kürbis-Stiel spielt Lucas einerseits ironisch mit dem Wort "Knob", also Penis, und andererseits dem Bild der weiblichen Brustwarzen ("Knobs"), wie sie beim Ausstellungsrundgang am Mittwoch erklärte.
Wortwitz mit darstellender Kunst
Durchschnitten werden diese skulpturalen Kompositionen von zwei raumhohen Tapetenbildern: Während auf einer Seite die Brustwarzen eines Mannes durch ins T-Shirt geschnittene Löcher blitzen, zeigt das andere Foto die Rückenansicht eines Mannes, dessen T-Shirt mit der Aufschrift "Complete Arsehole" auch in einer zweiten Bedeutungsebene auf das entblößte Hinterteil des Mannes verweist. Dass sich Lucas seit Jahrzehnten hauptsächlich mit sexuellen Stereotypen auseinandersetzt, begründete sie lakonisch: "Das ganze Leben dreht sich um Sex, also ist es kein Wunder, dass das in der Kunst auch oft vorkommt." Um Eier geht es dann auch in dem Gastbeitrag der mit Lucas befreundenden Künstlergruppe Gelatin, die laut Pressetext vier Hühner im Ausstellungsraum ansiedeln will.
Tobias Pils auch mit eigener Schau
Einen deutlich zurückhaltenderen Weg geht im Untergeschoß Tobias Pils mit seiner Ausstellung "Secession", in der er sich bereits im Treppenabgang mit dem Ort selbst auseinandersetzt. So nimmt er das Konzept von Secessions-Architekten Joseph Maria Olbrich auf, der das Foyer als "Reinigungsraum" konzipierte, und "spült" den Besucher mit blauen Schlangenlinien, die er auf Keramikkacheln gemalt hat, in das Untergeschoß. Hier, direkt vor dem Abgang zum "Beethovenfries", wird der Besucher jedoch von einem runden Schwarz-weiß-Gemälde, das auf Koloman Mosers nicht mehr existierende Glasrosette anspielt, "abgestoppt" und in Pils' Ausstellung "umgeleitet", wie der 1971 in Linz geborene Künstler erklärte.
Werke mit Temperatur
Wie eine eigene Wandverkleidung hat Pils seine raumhohen Bilder konzipiert: "Es sind Einzelbilder, die den Raum umfassen, wie ein zu eng sitzender Anzug", so Pils, der ausschließlich mit Grautönen arbeitet. "Das ist wie bei einem Schwarz-Weiß-Film, den man nach einiger Betrachtungszeit färbig sieht", erklärt der Künstler seine Abneigung gegen Farben, die für ihn "zu viel Emotionalität besitzen". Dennoch verfüge jedes seiner "weder abstrakten noch gegenständlichen" Werke über eine eigene Temperatur.
Der dritte im Bunde
Abkühlung gibt es auch in der Ausstellung von Guido van der Werve nicht, der sich in seinem Werk "at war with oneself" begibt. Der Niederländer sucht in seiner künstlerischen Arbeit stets den "existenzialistischen Wettbewerb mit sich selbst", wie es im Pressetext heißt. Zeugnis davon gibt etwa der im ersten Stock gezeigte 56-Minuten-Film "Nummer veertien, home", für den van der Werve einen 1.700 Kilometer langen Triathlon absolvierte, um schwimmend, Rad fahrend und laufend den Weg von Warschau nach Paris zurückzulegen - jenen Pfad in entgegengesetzter Richtung, den auch Frederic Chopins Herz für dessen Beerdigung nahm. Eine eindrucksvolle wie künstlerisch ansprechende Dokumentation einer körperlichen Selbstausbeutung mit kulturellem Überbau.
Secession bald mit neuem Vorstand
Genauso heterogen wie die Ausstellung soll sich auch der künftige Vorstand der Secession zusammensetzen, der am 9. Dezember gewählt werden soll. Wie der seit 2007 amtierende Secessions-Präsident Andras Palffy der APA bestätigte, stellt sich Herwig Kempinger mit einem Vorstandsteam - darunter Florian Pumhösl, Ursula Mayer, Maja Vukoje, Anna Jermolaewa, Markus Schinwald und Esther Stocker - als einziger Kandidat der Wahl. "Das sind wirklich gute Kandidaten - von der Konzeptkunst bis zur Malerei - die unsere Gemeinschaft gut abbilden", so Palffy zur APA. Dass sich nur ein einziger Präsidentschaftskandidat zur Wahl stelle, zeugt für Palffy von einer "Zufriedenheit mit dem Haus und dem Verständnis, dass ein neuer Vorstand die Kontinuität sowohl in Hinblick auf Struktur als auch Programm fortsetzt".
Info
Ausstellungen in der Secession im Rahmen der Vienna Art Week von Sarah Lucas ("Nob"), Tobias Pils ("Secession") und Guido van der Werve ("at war with oneself"): Eröffnung am 22.11., 19 Uhr. Bis zum 19. Jänner 2014. Zu allen drei Künstlern erscheint jeweils ein eigener Katalog. www.secession.at