Aufregende Premiere

"Sonny Boys": Abgehobene Machtkämpfe an der Josefstadt

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Premiere der Komödie von Neil Simon von aktueller Führungsstil-Debatte überschattet - Machtkämpfe zwischen Herbert Föttinger und Robert Meyer Höhepunkt eines sonst eher routinierten Abends 

"I did it my way!" Der zwischen Trotz und Trauer schwankende Song, gesungen vom heftig unter Beschuss geratenen Direktor Herbert Föttinger und von seinem Bühnenpartner Robert Meyer, dem langjährigen Volksoperndirektor, hat am Donnerstag im Theater in der Josefstadt eine Premiere beschlossen, die nicht nur im vielsagenden Ende manche Assoziationen zur aktuellen Führungsstil-Debatte am Haus aufkommen ließ. So viel Aktualität bekamen Neil Simons alte "Sonny Boys" wohl selten.

© APA/THEATER IN DER JOSEFSTADT/MORITZ SCHELL
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Der Kultursprecher der Wiener FPÖ hatte aufgrund von "im Raum stehender Anschuldigungen wegen Ehrverletzungen und sexueller Übergriffe" wenige Stunden zuvor gar die Absage der Premiere gefordert: "Es ist ein fatales Signal, wenn man auf der Bühne Jubel erntet, während schwerwiegende Vorwürfe im Raum stehen." Diesen Gefallen machte man ihm freilich nicht, und am Ende der Vorstellung nahm Föttinger, der im Stück als alter Komiker Al Lewis versuchen muss, sich für einen Auftritt in einer TV-Show mit seinem früheren Bühnenpartner Willie Clark (Robert Meyer) zu arrangieren, sichtlich erleichtert den großen Applaus des Premierenpublikums entgegen.

Lahmendes Rennpferd in der Wohnhöhle

Dabei hatte der zweistündige Abend, der auch von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) von der Loge aus verfolgt wurde, durchaus schwerfällig begonnen. Das Bühnenbild von Sophie Lux und Sarah Smets-Bouloc sah aus, als hätte man diverse Antiquitäten- und Lampengeschäfte geplündert, um die New Yorker Wohnhöhle des einstigen Komik-Stars Willie Clark vollzustopfen. Robert Meyer zeigt ihn als lahmendes Rennpferd, das nicht wahrhaben will, dass die Zeit der großen Siege vorbei ist, und Dominic Oley gibt sich als sein Neffe und Manager alle Mühe, ihn bei Laune zu halten. Das ist - unter der Regie des Schweizers Stephan Müller - routiniertes Unterhaltungshandwerk, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

© APA/THEATER IN DER JOSEFSTADT/MORITZ SCHELL
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Das ändert sich, als Föttinger als herbeigerufener einstiger Kompagnon mit größter Zurückhaltung die kleine Wohnung und damit die Bühne betritt. Er schickt seinen Spazierstock vor, und dass dieser sowohl als Blindenstock wie als Taktstock, ja als Waffe eingesetzt werden kann, ist eine gute Metapher für das, was in der folgenden Auseinandersetzung der beiden früheren Partner zu erleben ist. 14.000 Mal hatten sie ihren berühmten "Doktorsketch" gespielt, ehe vor elf Jahren Al überfallsartig das Metier wechselte und den Kollegen im Stich ließ. Al weiß: Das schreit bei Willie nach Rache. Und er ist entschlossen, dagegenzuhalten.

Machtausübung bei der Probenarbeit

Die nun improvisierte Probe des Sketchs ist der Höhepunkt des Abends und enthält nicht nur den Nukleus allgemeinen gemeinsamen Ringens um theatrale Ergebnisse, sondern auch perfekte Beispiele jener Machtausübung, die in den vergangenen Wochen als Vorwürfe gegen Föttinger als Direktor wie Regisseur geäußert wurden. Wie man Autorität und Druck aufbaut und den anderen genüsslich zur Schnecke macht, wenn er sich nicht wehrt, wird hier exemplarisch vermittelt - durchaus im Bewusstsein der Pikanterie der gegenwärtigen Situation. "Herr Direktor", nennt Willie seinen autoritären Kollegen süffisant, worauf dieser brüllt: "Nenn' mich nicht Direktor!" - und belehrt wird: "Direktor ist kein Schimpfwort!" Großer Lacher.

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Was nach der Pause folgt, kann da nicht mehr mithalten. Die katastrophal endende versuchte Neuaufnahme des alten Sketchs vor einem Green Screen im TV-Studio und die Dialoge des von einem Herzinfarkt gezeichneten Willie mit seiner aus Osteuropa stammenden Krankenpflegerin (Larissa Fuchs) sind keine Perlen der Komödiantik. Ernst (und damit ebenso lustig wie traurig) wird's erst wieder, wenn das einstige Dreamteam endgültig feststellen muss, dass die Sache für die "Sonny Boys" unwiederbringlich gelaufen ist - in einem kleinen, mit Selbstironie vor der Videokamera absolvierten Show-Tänzchen und im gemeinsamen Abgesang zum berühmten Sinatra-Song.

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Für den Regisseur Herbert Föttinger ist an der Josefstadt, die er seit 2006 leitet, "the final curtain" bereits gefallen. Bis mit der Saison 2026/27 Marie Rötzer die künstlerische Leitung übernimmt, wird er am Theater in der Josefstadt nicht mehr inszenieren. Der Endbericht zu den Vorwürfen von sexueller oder struktureller Gewalt am Haus soll Freitagmittag veröffentlicht werden.

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