Tenor Jonas Kaufmann singt die Partie des "Rodolfo" für seinen Kollegen Piotr Beczala vom Bühnenrand aus. Dieser spielt die tragende Rolle in "La Boheme" zwar, aber singen kann er keinen Ton mehr - eine kurzfristig ausgebrochene Luftröhrenentzündung hat das unmöglich gemacht. Ein ähnliches Schicksal ereilte "Don Camillo" Kostas Smoriginas in der Salzburger "Carmen". Die Stimme des Baritons kippte einfach weg, Massimo Cavalletti - heuer als "Marcello" in "La Boheme" im planmäßigen Einsatz - hat den "Carmen-Torero" nach der Pause ebenfalls vom Bühnenrand aus doubeln müssen. Josef Schlömicher-Thier, Stimmarzt der Salzburger Festspiele, hat die Stars beraten und mitgeholfen, die richtigen Entscheidungen für die Sänger und ihr Publikum zu treffen. Am 22. August hat Schlömicher-Thier aus seinem Nähkästchen geplaudert. Bis zu fünf Sänger in Therapie Pro Salzburger Opernproduktion habe er heuer vier, fünf verschiedene Sänger therapieren müssen, erläuterte Schlömicher-Thier, der die Stars der Festspiele seit 20 Jahren als verantwortlicher Arzt betreut. "Mein Hauptanliegen ist so etwas wie Sängerschutz, viele dieser künstlerischen 'Spitzensportler' sind einfach überfordert", so der Stimmarzt. "Das ist vor allem Vertrauenssache. Während der Pausen von Proben oder Aufführungen kann ich mit Sonden Bilder von den Stimmbändern machen und gezielt beraten und entscheiden helfen, ob ein Sänger weitermachen kann oder nicht. So war es in den aktuellen Salzburger Problemfällen. Und selbst wenn die Sänger an irgendeinem anderen Opernhaus der Welt gerade ein Problem bekommen, kann ich sie beraten und an die richtigen Kollegen verweisen. Dafür gibt es das internationale Netzwerk 'Collegium Medicorum Theatri'." Leistung ist Frage der Stimme selbst Ob ein Sänger eine Rolle schafft oder nicht, sei auf den Stimmbandfotos nicht ablesbar. "Das ist nicht nur eine Frage der Stimme selbst, sondern vor allem der Psyche und der gesamten körperlichen und geistigen Konstitution. Und der Erfahrung des einzelnen Künstlers. Besonders junge, ehrgeizige Sänger stehen unter enormem Druck. Viele singen zu laut, zu viel und übernehmen zu früh besonders schwierige Rollen. Ich habe heuer auffällig viele ganz junge Sänger behandeln müssen", erläuterte Schlömicher-Thier.
Manager und Agenten gefordert Besonders gefordert seien dabei auch die Manager und Agenten, von denen einige nur an die aktuelle Saison und die laufende Produktion denken würden. "Mein Vorschlag wäre, Stimm- und Rollenkurse für Agenten und Manager einzurichten. Dort sollte gelehrt werden, welche Stimme wann für welche Rolle geeignet ist." Besonders problematisch seinen auch die immer kürzer werdenden Ruhephasen, sagte der Stimmarzt. "Viele Sänger müssen bis Ende Juni an ihren Häusern Repertoire singen. Drei Tage später beginnen die Proben auf Festivals wie in Salzburg. Da geht es Schlag auf Schlag, das halten viele Stimmen einfach nicht aus."
Domingo Ausnmahekünstler "Außer sie heißen Placido Domingo". Dieser Tenor habe mit seinen 71 Jahren nach wie vor ein perfekt funktionierendes Organ, dessen baritoneske Stütze vor Verschleiß schütze. Und vor allem habe er unendlich viel Erfahrung: "Wer soviel Erfahrung hat, braucht dann auch nicht wegen jedem Fliegenschiss zum Arzt rennen."
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