Die Josefstadt bezeichnet Brechts "Die Judith von Shimoda" als Uraufführung, die Berliner sind empört.
Für Österreich ist es eine kulturpolitische Sensation: Am 11. September feiert Brechts weitgehend unentdecktes Stück "Die Judith von Shimoda" seine "Uraufführung". Brecht schrieb das Stück im finnischen Exil, verließ das Land aber mit nur fünf Szenen in der Tasche, die restlichen wurden jetzt aufgrund des Nachlasses von Hella Wuolijoki rekonstruiert und zusammengefügt. Mit Mavie Hörbiger in der Hauptrolle werden jetzt alle elf Szenen in der Josefstadt gezeigt.
Brecht - noch unbekannt?
"Die Judith von Shimoda" -
der Titel bezieht sich auf die biblische Geschichte von Judith und
Holofernes - ist ein bisher noch weitgehend unentdecktes Stück, an dem
Brecht im Jahre 1940 gemeinsam mit der finnischen Schriftstellerin Hella
Wuolijoki arbeitete. Die Grundlage des Stückes bildete ein 1930
veröffentlichtes Drama des japanischen Autors Yamamoto Yuzo (1887 - 1974),
in dem die historisch belegte Geschichte der japanischen Sängerin und Geisha
Okichi erzählt wird.
Eine Heldin wird zur Alkoholikerin
In dem Stück rettet Judith
die japanische Stadt Shimoda vor einem Kriegs-Angriff, in dem sie den
kranken Konsul Michl verschafft und ihn damit verführt, die bereits
beschlossene Bombardierung aufzugeben. Dennoch wird sie von den Obrigkeiten
trotz Heldentaten fallen gelassen. Grund: Ein absurdes Gesetz welches
Japanern verbietet, Kuhmilch zu melken und zu trinken. Danach wird sie als
Ausländerhure abgestempelt - sie verfällt dem Alkohol und verarmt.
Berlin ist verstört
Die Annoncierung als Uraufführung sorgt
für Unstimmigkeiten innerhalb der Kulturszene. "Wer hat denn da
geschlafen?", überschreibt das Berliner Ensemble eine Stellungnahme: Da
werde pompös die Sensation einer Brecht-Uraufführung gefeiert, die gar keine
sei. Am 20. Dezember 1997 sei Brechts "Die Judith von Shimoda"
bereits im Berliner Ensemble unter der Regie von Jörg Aufenanger und Judith
Kuckart gespielt worden. Es sei eine sehr erfolgreiche Uraufführung gewesen,
die viel Beachtung gefunden habe.
Die Josefstadt wehrt sich
Im Theater in der Josefstadt entgegnet
man, 1997 seien nur fünf von elf geplanten Szenen aufgeführt worden, die
sich in Brechts Nachlass gefunden hatten. Die von dem
Literaturwissenschaftler Hans Peter Neureuter rekonstruierte Spielfassung,
die nun in Wien zur Aufführung käme, gehe dagegen auf die finnischen Fassung
des Stückes zurück. Diese sei im Nachlass von Brechts Co-Autorin Hella
Wuolijoki enthalten gewesen. "Diese im Suhrkamp Verlag 2006 erschienene
Fassung kommt am 11. September 2008 im Theater in der Josefstadt zur
Uraufführung", so eine Stellungnahme des Theaters.
Regie: Heribert Sasse. Mit Mavie Hörbiger, Peter Moucka, Friedrich Schwardtmann und Peter Kern, Uraufführung am 11. September.
Telefonischer Verkauf mit Kreditkarte: 01 42700300, Theaterkasse: 01 42700309
Foto: (c): Sepp Gallauer