Nach der Absage eines Konzerts der französischen Pianistin Helene Grimaud beim "Prager Herbst" erheben beide Seiten schwere Vorwürfe.
"Ich bin schockiert über den Vorfall", sagte die 37-jährige Künstlerin, die heute im Wiener Musikverein Beethoven spielt. Festivalleiter Pavel Spiroch habe sie vor Zeugen in betrunkenem Zustand bedroht, nachdem sie um eine Überholung des "völlig unspielbaren" Flügels vor dem Konzert gebeten hatte. In Prag hingegen kündigte Festivalsprecherin Lucie Johanovska Schadenersatzforderungen gegen die Staatskapelle an.
Grimaud habe sich gefährdet gefühlt
Grimaud sagte, sie
habe sich bei dem Vorfall am Samstagabend im Prager Rudolfinum angesichts
von Spirochs aggressiver Haltung gefährdet gefühlt. Der Direktor habe die
Neueinrichtung des Instruments verweigert und nach seiner erzürnten Reaktion
die Vorstellung ganz abgesagt und das Publikum nach Hause geschickt, sagte
Grimaud, die als eine der weltweit besten Pianistinnen gilt. Spiroch habe
kein Interesse gezeigt, das Problem zu lösen. Bei ihren Konzerten weltweit
müsse sie stets mit verschiedenen Instrumenten spielen, es werde bei
Problemen aber immer eine Lösung gefunden. Grimaud sollte in Prag Beethovens
5. Klavierkonzert spielen.
Konzert abgesagt
Johanovska sagte hingegen, die Künstlerin habe
erst eine Stunde vor Konzertbeginn die Beschaffenheit des Tonhalte-Pedals
moniert. Die Philharmonie habe ihr einen anderen Flügel angeboten, den sie
abgelehnt habe. Wegen der anschließenden Weigerung von Grimaud, überhaupt
aufzutreten, habe man das Konzert abgesagt. "Die Staatskapelle Dresden
hat ihre Verpflichtungen nicht eingehalten und eine unappetitliche
Medienkampagne voller Unwahrheiten entfesselt", sagte Johanovska.
Bereits vor einigen Jahren habe das Festival mit Grimaud Probleme gehabt,
für die die Pianistin eine Geldbuße von rund 1.020 Euro habe zahlen müssen.
"Go home, go home"
Die Staatskapelle erklärte sich mit
Grimaud solidarisch. "Ihre Beschwerde war aus meiner Sicht absolut
verständlich, die Reaktion des Veranstalters nicht nur ein völlig
unangemessener Affront, sondern ein klarer Rechtsbruch", sagte
Chefdirigent Fabio Luisi. "Die Beleidigung gegen Frau Grimaud war eine
Beleidigung gegen das ganze Orchester." Er widersprach der Darstellung
des Festivals, der Flügel sei bespielbar gewesen. Orchesterdirektor Jan Nast
sagte, man warte mögliche Schadenersatzforderungen ab. "Der
Festivalleiter schrie mehrfach "Go home, go home", sagte Nast. "Wir
kehren gerne nach Tschechien zurück, denn uns geht es um die Prager. Unter
dem Vorfall leiden die Musiker wie Hunde."
Die Prager Zeitung "Lidove noviny" äußerte am Montag weitgehend Unverständnis für Grimaud. Als Beethoven das 5. Klavierkonzert komponiert habe, hätten Klaviere das umstrittene mittlere Fußpedal noch gar nicht besessen, kommentierte das renommierte Blatt.