Gleich zu Saisonbeginn präsentiert sich das Wiener Theater in der Josefstadt in Bestform. Nach einer formidablen Neuinszenierung von "Kasimir und Karoline" im Haupthaus wagte man sich in den Kammerspielen an die Österreichische Erstaufführung von "The King's Speech" von David Seidler. Ein Wagnis deshalb, weil der Film von Tom Hooper 2011 gleich mit vier Oscars gekrönt wurde (bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller und bestes Originaldrehbuch). Die Bühnenproduktion braucht jedoch keinen Vergleich zu scheuen. Die Premiere am 20. September endete in Standing Ovations.
Peinliche Aussetzer im Mittelpunkt Die erst im Februar uraufgeführte Stückfassung, die der Brite David Seidler im Zuge des Drehbuchschreibens anfertigte und im November ihre Deutsche Erstaufführung im Hamburger St. Pauli Theater haben wird, fokussiert das Thema auf die zentrale Geschichte, ohne ganz auf Nebenfiguren zu verzichten. Die Bemühungen des Herzogs von York (1895-1952), der nach Abdankung seines Bruders Edward VIII. zum englischen König George VI. gekrönt wurde, mithilfe des australischen Sprachtherapeuten Lionel Logue sein Stottern in den Griff zu bekommen und wichtige Reden und Radioansprachen ohne demütigende Hacker und peinliche Aussetzer halten zu können, stehen im Mittelpunkt. EInfaches Bühnenbild lässt Stück wirken Die Inszenierung Michael Gampes setzt in dem praktikablen, einfachen Bühnenbild von Erich Uiberlacker, das mit drehbaren Seitenwänden den Raum immer wieder bedrohlich eng macht, ganz auf die verzwickte Konfrontation der höchst unterschiedlichen Männer. Sie kämpfen gegeneinander und gleichzeitig miteinander gegen einen gemeinsamen, ungreifbaren Feind. Logue macht kein Hehl daraus, dass er in "Bertie" den besseren König und den entschiedeneren Widerpart gegen Hitler sieht - ein Wandeln am Rande des Hochverrats, solange der in seine Affäre mit der Amerikanerin Wallis Simpson verstrickte Bruder noch König ist. Perfekte Besetzung Michael Dangl gelingt als George VI. ein mehrfaches Kunststück: Er bewahrt glaubwürdig die Würde seiner Herkunft, ohne die Bürde seines Amts jemals zu vergessen. Er zeigt die Tragödie eines Menschen, den eine offenbar psychisch begründete Sprachstörung an seiner Berufung hindert, und der sein Zwerchfell öffnen kann, als er sich als Mensch öffnet und abseits des Protokolls einen Freund findet, den er respektieren und dem er vertrauen kann. Und er macht Colin Firth vergessen, der für diese Rolle mit dem Oscar ausgezeichnet wurde. Eine ganz große Leistung. Ensemble im Top-Form Toni Slama legt seinen Lionel Logue erdiger an als der große Geoffrey Rush im Film, weniger Gentleman als Vertreter des einfachen Volkes. Seine eigene Tragödie, statt ausgebildeter Mediziner bloß gescheiterter Schauspieler zu sein, kommt so besser zu Geltung. Alexandra Krismer überzeugt als Georges liebende Gattin Elizabeth, unserer Generation eher als steinalte Queen Mum in Erinnerung. Eva Mayer umgarnt als nicht sonderlich attraktive, doch erotisch aktive Wallis Simpson erfolgreich den lebenslustigen und eigensinnigen Edward VIII. (Nicolaus Hagg). Aus dem übrigen Ensemble ragen Siegfried Walther als bestechender und dem realen Vorbild unglaublich ähnlicher Winston Churchill und Alexander Strobele als sinistrer Erzbischof von Canterbury heraus. "Bertie" schlägt sich wacker Am Ende muss "Bertie" nach der Kriegserklärung gegen Hitler-Deutschland eine Rede an die Nation halten. Die Zeitreise gelingt spielend, und der ganze Saal fiebert mit. Ein Mini-Drama in Großaufnahme, voller Emotion. Die Übung gelingt. Diese "King's Speech" wird ein voller Erfolg, wie auch der ganze Abend. Und Dangl wird ebenso wie das ganze Ensemble und Autor Seidler mit Standing Ovations gefeiert.
Info Das Stück "The King's Speech" von David Seidler wird noch am 21., 22., 23., 25. und 28. September im Theater in der Josefstadt gespielt. Alle Informationen sowie Tickets erhalten Sie unter www.joesfstadt.org.
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