Regisseur zeigt "Performance-Stil, den man in Europa nicht jeden Tag sieht".
Mit seiner Adaption von Henrik Ibsens "The Wild Duck" präsentiert der junge australische Autor und Regisseur Simon Stone erstmals eine seiner preisgekrönten Arbeiten in Wien. Die Inszenierung, die bei den Wiener Festwochenam 18. Mai ihre Erstaufführung im deutschsprachigen Raum feiert, bietet dem Publikum einen "Performance-Stil, den man selbst in Europa nicht jeden Tag sieht", erzählt der 28-Jährige im Gespräch mit der APA: "Es ist eher so, als würde man einen Film sehen." Ein solcher ist mit demselben Stoff auch in Planung und soll 2014 oder 2015 in den USA realisiert werden. Ein Land, das ihn "vom Theater-Standpunkt her nicht so interessiert, aber ich folge dem Geld", wie er schmunzelnd hinzufügt.
Theaterliebe entstand in Wien
Mit Wien verbindet Simon Stone hingegen ein prägendes Theatererlebnis: Der in der Schweiz geborene Regisseur verbrachte im Alter von zehn Jahren mit seinen Eltern den Urlaub in der österreichischen Bundeshauptstadt: "Und meine Eltern haben mich eine Woche lang jeden Abend in die Oper geführt. Das war vielleicht der Beginn meiner Liebesbeziehung mit dem Theater", so Stone, der sich erinnert, "wie romantisch das Gefühl war, in diese großen, alten, schönen Theater zu gehen." Obwohl die Inszenierungen von damals recht wenig mit seinem heutigen eigenen Schaffen zu tun gehabt haben dürften, wie er meint.
Aus alt mach neu
Stone, der pro Jahr drei bis vier Stücke inszeniert, hat sich darauf spezialisiert, "Altes neu zu schreiben", wie er es etwa bei seinen Fassungen von Senecas "Thyestes" oder O’Neill’s "Strange Interlude" erfolgreich gezeigt hat. "Mich hat immer schon die Beziehung zwischen Vergangenheit und Gegenwart und die daraus resultierenden Vorschläge für die Zukunft interessiert", sagt er im APA-Gespräch. "In eine Geschichte von damals Neues einzuschreiben, entspricht einer Reflexion auf alles, was aus unserer Gesellschaft geworden ist und wie es dazu gekommen ist zugleich." Das Interessanteste dabei sei, "dass es dir erlaubt, mit Distanz auf die Welt zu reflektieren, in der wir jetzt leben".
Der Mensch steht im Vordergrund
Seine Theaterarbeit bezeichnet er dabei als "fundamental unpolitisch. Meine Stücke handeln von Menschen und ihrer Beziehung zueinander und die Beziehung der Zuschauer zu ihrer eigenen Vergangenheit und ihre Beziehung zu dem Stück, in dem sie sich selbst erkennen". An Ibsens "The Wild Duck" interessiere ihn Ibsens Charakterisierung der Individuen und eines jeden Versuch, zu überleben. Zudem spielt in der "Wildente" die Lüge eine wesentliche Rolle. "Ibsen hat damals die soziale Lüge attackiert, um die es heute weniger geht. Heute steht die individuelle Lüge im Zentrum, gefüttert von der Gesellschaft, einer Maschinerie der Unternehmen und Medien."
Heikles Thema der Medien-Omnipräsenz
Früher sei es die Maschinerie einer kleinen Stadt gewesen, "die eine Ideologie forcierte, aus der es schwer war, auszubrechen". Ibsen habe die damals moderne Obsession kritisiert, die Wahrheit zu finden. Heute sei es einerseits leichter, eine Lüge zu kreieren, aber gleichzeitig schwerer, ein Geheimnis zu behalten, weil alles überall festgehalten wird. "Heute kann man alles googlen, aber auch dort kann ich manipulieren, indem ich zum Beispiel in meine Biografie etwas reinschreibe, das nicht stimmt. Die kleine Stadt, wo jeder alles wusste, kann jetzt die ganze Welt sein. Jeder redet über Angelina Jolies Brüste, als würde sie in der Nachbarschaft wohnen. Die Welt ist gleichzeitig kleiner und größer geworden", so Stone. "Deshalb funktionieren Ibsens Stücke jetzt noch."
Unterschiede zwischen Austrialien und Austria
Seine berufliche Zukunft sieht Simon Stone, der "nie aufhören will, in Australien zu leben", dennoch auch in Europa. "Das australische Publikum ist unglaublich konservativ. Und die Industrie versucht, dagegen anzukämpfen und unterstützt neue Leute, etwas zu erreichen. Aber: Eine durchschnittliche Inszenierung im Burgtheater oder Volkstheater ist radikaler als alles, was wir in Australien das ganze Jahr über sehen." Zudem sei Australien "von der Jugend besessen". Ältere Regisseure würden keine Arbeit mehr bekommen. "Hier in Wien sieht man Luc Bondy, der immer noch Arbeiten macht, die alle sehen wollen. Oder Michael Haneke, der große Erfolge feiert. Beide sind relativ alte Regisseure", sagt der 28-Jährige. "In dieser Welt will ich leben. Wo die Beziehung zwischen Jungen und Alten zu einer sehr interessanten und starken Konversation zwischen Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven führt. Wo Leute arbeiten, die das Publikum zum Denken und Fühlen bringen wollen."
(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)
Info
"The Wild Duck" nach "Die Wildente" von Henrik Ibsen. Von Simon Stone und Chris Ryan. Premiere am 18. Mai, 20.30 Uhr, in der Halle G, Museumsquartier; weitere Vorstellungen täglich bis 21. Mai, jeweils 20.30 Uhr. www.festwochen.at.