"Theater an der Wien"

"Platee" als Publikumshit in Wien

18.02.2014

Carsen triumphiert mit hochmoderner Inszenierung von Rameaus Ballet-bouffon.

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© APA/THEATER AN DER WIEN/MONIKA R
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Sie mögen Oper nicht, weil Sie sie für altmodisch halten? Dann auf ins Theater an der Wien! Jean-Philippe Rameaus barockes Gesamtkunstwerk "Platee" mutiert dort in der Regie von Robert Carsen zum poppigen Videoclip. Das mitreißende Ergebnis bombardiert fulminant alle Sinne wie ein Film von Baz Luhrmann. Am Ende stand bei der Premiere am 17. Februar zu Recht tosender Applaus für alle Beteiligten.

Arnold Schoenberg Chor brilliert  
Carsen und sein Ausstatter Gideon Davey verlegen das diabolische Spiel der Götter um Jupiter mit der trampeligen Nymphe Platee, die als Lockobjekt für die eifersüchtige Juno dient, in das Tableau einer modernen Gesellschaft aus Hipstern und Partypeople. Dafür wurden die schönsten Mitglieder des Arnold Schoenberg Chores versammelt, die eine schauspielerische Meisterleistung vollbringen.

Jupiter als Lagerfeld   
Jupiter kommt als Karl Lagerfeld mit echter Katze im Arm und umschwirrt von Fotografen auf die Bühne. Als Pendant zu ihm ist seine Gattin Juno als Coco Chanel gestylt. Dieser bonbonbunte Barocktraum ist campy, fancy, elegant - und abhold jeglicher peinlicher Momente der zwanghaften Verjüngung, wie bei manchen älteren Regiekollegen, die Aussagen über modernes Leben mit dem Appendix "Wie man heutzutage sagt" zu beschließen pflegen. Die langen, immer wiederkehrenden Tanzsequenzen, die bei der französischen Barockoper obligatorisch und heute doch für die meisten Regisseure ein Problem sind, werden dabei ganz natürlich in den Fluss der Handlung eingebettet. Dazu lösen sich die ansonsten in den Chor eingebetteten Tänzer aus der Gruppe und zeigen Modern Dance in Reinform, der sich dennoch völlig in den Dienst der Sache stellt.

Marcel Beekman als Nymphe der Star  
Der Star des Abends war aber zweifelsohne Marcel Beekman als Nymphe Platee, deren Partie von Rameau explizit für einen hohen Tenor geschrieben wurde. Der am Theater an der Wien bestens bekannte niederländische Tenor machte als plumpe Nymphe eine großartige Figur. Dass seine Rolle von Jupiter und seinen Spießgesellen als Witzfigur missbraucht wird, macht er über weite Strecken durch eine humorvolle, jedoch nie übertriebene Performance fast vergessen. Er flirtet hemmungslos mit dem Publikum, um dann doch die Tiefen seiner Prolobraut zu offenbaren, die von der oberflächlichen Partygesellschaft bloßgestellt wird. Diese Platee ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Fashion Victim.

Kermes als Lady-Gaga-Epigonin  
Simone Kermes, deutscher Koloraturstar, hatte bei einem ihrer raren szenischen Engagements ihren großen Auftritt als allegorische Figur der Folie. Mit beständigen Kostümwechseln erschien sie mal als Lady-Gaga-Epigonin, mal als Diva und Star des Abends, auch wenn sie aufgrund der tiefer gestimmten französischen Barockinstrumente streckenweise ihre Höhe nicht voll ausspielen konnte.

Auch abseits der großen Namen top
Aber auch abseits dieser Stars ist die Wiener "Platee" bis in die kleinen Rollen hinein gut besetzt, wenn etwa Marc Mauillon als Citheron zwar bisweilen mit der Tiefe seiner Partie hadert, dies aber durch Mimik und Gestik eines großen Sängerschauspielers wettmacht. Cyril Auvity wiederum singt seinen intriganten Mercure mit glasklarem Tenor, den er selbst liegend, von den Chorleuten auf Händen getragen noch beibehalten kann.

Orchester rundet Gesamtkunstwerk ab
Das begeisternde Gesamtbild runden schließlich noch William Christies Les Arts Florissants im Orchestergraben ab, an dessen Pult sich wegen einer Operation des Gründers Paul Agnew einer extrem tempivariablen Interpretation widmete. Immer, wenn man sich über ein langsames Tempo zu wundern beginnt, nimmt Agnew die nächste Phrase im fulminanten Sturm. Alles in allem schickt das Theater an der Wien demnächst also ein herausragendes Gesamtpaket nach Paris zum Koproduktionspartner, der Opera Comique.

Info
"Platee" von Jean-Philippe Rameau im Theater an der Wien, Linke Wienzeile 6, 1060 Wien unter Paul Agnew am Pult der Les Arts Florissants. Regie: Robert Carsen, Ausstattung: Gideon Davey. Mit Marcel Beekman|Platee, Simone Kermes|La Folie, Joao Fernandes|Satyre/Mommuss, Cyril Auvity|Thespis/Mercure, Gan-ya Ben-gur Akselrod|Thalie, Emmanuelle de Negri|Amour/Clarine, Marc Mauillon|Citheron/Momus, Edwin Crossley-Mercer|Jupiter und Emilie Renard|Junon. Weitere Aufführungen am 19., 21., 24., 26. und 28. Februar. www.theater-wien.at

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