Im ausverkauften Burgtheater präsentierte Gert Voss den neuen Thomas Bernhard. Eine Kritik von Christoph Hirschmann.
Ich kann mir keine größere Theaterfreude vorstellen als diese: Nicht irgendjemand, sondern Gert Voss, dem Thomas Bernhard einst das Stück "Ritter Dene Voss" auf den Leib geschrieben hatte, las im Burgtheater einen neuen, das heißt bislang unveröffentlichten Bernhard.
"Meine Preise" heißt der Schatz, der zu Bernhards 20. Todestag gerade vom Suhrkamp Verlag aus dem Nachlass gehoben worden ist. In diesem Buch schildert der Autor die Zeremonien und Prozeduren von neun Preisverleihungen, die er über sich ergehen ließ, deklarierterweise vor allem zu dem Zweck, durch die dadurch erwobenen Preisgelder seine finanziellen Löcher zu stopfen.
Kulturbetrieb
Naturgemäß, möchte man sagen, sind die neun
Episoden in Meine Preise brillant beobachtete und formulierte,
boshaft-amüsante „Verrisse“ des Polit- und Kulturbetriebs, an dem Bernhard
nur selten ein gutes Haar gelassen hat.
So erzählt er etwa von der Ministerin Firnberg, die bei der Verleihung des Grillparzer-Preises an Bernhard zunächst das „weltberühmte Ministerschnarchen schnarchte“, um dann orientierungslos in den Saal zu rufen: „Na, wo ist denn unser Dichterling?“
Oder von der Verleihung der Ehrengabe der Deutschen Industrie an Thomas Bernhard und Elisabeth Borchers in Regensburg, im Zuge derer sich der Industrielle Bohlen Halbach entblödete, den Preis an „Frau Bernhard und Herrn Borchers“ zu spendieren. Für die 8.000 Mark Preisgeld hatte sich die Reise in die „stumpfsinnige Stadt Regensburg“ dennoch ausgezahlt.
Jubel
Keiner hätte diese bizarren Episoden pointierter,
akzentuierter und zugleich unterhaltsamer, mit größerer eigener freudvoller
Beteiligung vortragen können als der großmeisterliche Bernhard-Mime Gert
Voss. Jubel im ausverkauften Burgtheater.