Für den Goethe-Marathon am Wiener Burgtheater rasierte sich der Schauspieler über Nacht eine Glatze.
Gleich in der Nacht nach Drehschluss – Tobias Moretti spielte im „Jud Süß“-Film von Oskar Roehler die Hauptrolle – rasierte sich der Film- und Bühnenstar die Haare ab. So wird der heuer 50-Jährige den Faust am Wiener Burgtheater in einer Art und Weise verkörpern, wie man ihn noch nie gesehen hat – oben ohne! Mit Glatze (und randloser Intelligenzler-Brille).
Einstand
Premiere des siebenstündigen Goethe-Marathons, mit dem
sich der neue Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann dem Wiener Publikum
präsentieren wird, ist am 4. September (17 bis 24 Uhr). In die schillernde
Haut des „Jokers“ Mephisto schlüpft Gert Voss.
Herzblut
„Wir werden das Netz auswerfen und es langsam
zusammenziehen“, hatte Moretti heuer im Frühjahr die gewaltigen
Herausforderungen umschrieben, die auf ihn zukommen. „Das sind lauter
Projekte, in denen mein Herzblut steckt. Und da kann man nicht anders, als
ins kalte Wasser springen.“
Verplant
Wie gesagt: In Oskar Roehlers „Jud Süß – Film ohne
Gewissen“ porträtierte der Tiroler den Nazi-Starschauspieler Ferdinand
Marian. Demnächst fällt im Ausseerland die erste Klappe für Julian Pölsers
„Erzherzog Johann“-TV-Drama mit Moretti in der Titelrolle. Und für Dezember
inszeniert der Allrounder die Haydn-Oper „Il mondo della luna“, die Nikolaus
Harnoncourt im Theater an der Wien dirigieren wird.
Steinhof
Und war da nicht auch noch eine „Russen-Saga“ – die
Fortsetzung der legendären „Piefke-Saga“ – fürs Fernsehen geplant? Moretti
abwinkend: „Das ist erst 2010. Da ist ja noch so lange hin. Und vorher hab’
ich noch so unfassbar schwere Projekte. Also dieses Jahr ist entweder
,Steinhof einfach'... oder auch das Gegenteil?!“
Mensch Faust
Und jetzt der „Faust“. Auch kein Honiglecken. Dieses
Projekt, so Moretti vor Probenbeginn, habe ihn noch dazu „relativ massiv und
völlig unvermittelt – fast meuchlings – ereilt! Ich habe dieser Aufgabe auch
nicht gleich zugestimmt. Und wir haben dann ein paar Mal darüber geredet,
weil ich die Figur des Faust überhaupt nie mit mir verbunden habe. Wobei ich
jetzt gar nicht dieses typische Faust-Klischee meine, sondern meine Annahme,
dass Fausts Probleme einfach nicht die meinen sind ... Was aber, wie sich
herausstellte, nicht stimmt. Man muss ihn nur aus einer anderen Sicht als
der bildungsbürgerlichen des deutschsprachigen Theaterbesuchers sehen.
,Faust' ist die Geschichte des Menschen schlechthin. Und da hat jeder einen
anderen Zugang. Dieser Aufgabe muss man sich stellen.“
Umgekehrt
Kaum glaublich, aber wahr: Der Burgtheater-„Faust“
bietet den beiden Koryphäen Moretti und Voss erstmals die Gelegenheit,
zusammen auf einer Bühne zu stehen. Moretti: „Ich habe noch nie mit ihm
gearbeitet.“ Und eigentlich hätte es ja auch „umgekehrt“ kommen können
–„nämlich, dass dieser kluge, abgeklärte, brillante Schauspieler den Faust
spielt und ich den Mephisto – den spielerischen Faun mitsamt seiner
kriminellen Sehnsucht. Aber so hätte sich das wohl jeder vorgestellt. Und
dass wir das jetzt umgekehrt machen, ist ja vielleicht gerade die
Herausforderung.“