Der Container als Metapher einer standardisierten, kalten Umwelt, die keinen Raum für menschliche Differenzierung lässt: Mit dieser ästhetischen Ausgangslage ist dem italienischen Regisseur Damiano Michieletto am 10. Oktober eine ungewöhnlich stimmige Inszenierung von Giacomo Puccinis "Il Trittico" im Theater an der Wien gelungen. Er vereint die drei für gewöhnlich kontrastierenden Einakter des Triptychons zu einer ideellen Dreieinigkeit des Verlusts in all seinen Schattierungen - eine Leistung, die gemeinsam mit der herausragenden darstellerischen Qualität des Ensembles einhellig bejubelt wurde.
Schauplatz: Seelenloses Containerdorf Anstatt auf romantisch verklärten Kähnen, lässt Michieletto den Auftakt "Il Tabarro" in einem seelenlosen Containerhafen spielen, dem stimmigen heutigen Pendant zur Hafentristesse der Puccini-Zeit. In diesem entindividualisierten Ambiente findet sich die Dreiecksgeschichte zwischen Michele, Giorgetta und Luigi, die letztlich im Mord endet. Bar jeder Schiffer-Romantik erinnert der Regisseur dabei an jene Vorstadttrostlosigkeit, welche er für die heurige "La Boheme" bei den Salzburger Festspielen auferstehen ließ.
Rollenwechsel mit Kopfscheren Ungekannt geschmeidig gelingt Michieletto anschließend der verbindende Übergang von "Il Tabarro" zu "Suor Angelica", in dem Patricia Racette als Sängerin beider Hauptfiguren während des Wechsels auf der Bühne verbleibt und ihr für die neue Rolle der Kopf geschoren wird, während die Containerlandschaft um sie herum mutiert. Dabei wird die inhaltliche Parallele zweier Frauen deutlich, die ihr Kind verloren haben und daran letztlich zerbrechen.
Stück voller Detailreichtum Das strenge Kloster, in dem sich die verbannte Angelica als Schwester findet, gleicht mehr einem Gulag denn einer kontemplativen Glaubenseinrichtung. Michieletto vermeidet jegliche transzendentalen Aspekte, indem der sterbenden Angelica nicht ihr toter Sohn als Himmelsbote erscheint, sondern ihre Tante als perfide Rache den Tod des Kindes nur vortäuscht. Ein Beispiel für den frappanten Detailreichtum, mit dem der Regisseur, dessen Inszenierung von Donizettis "Liebestrank" im November in Graz zu sehen sein wird, subtile neue Aspekte, teils Neudeutungen des Stoffes vornimmt, die sich nahtlos in das Grundgerüst fügen. Wildes Treiben auf der Bühne Bei aller Eleganz des fließenden Übergangs und der inhaltlichen Klammer, versucht Michieletto zum Abschluss nicht krampfhaft, den satyrspielhaften Charakter des "Schicchi" an die beiden dramatischen Einakter anzugleichen. Er setzt hingegen ein wildes Treiben, intelligenten Klamauk an das Ende des Triptychons. Die Container sind mit Tapete ausgekleidet zu einem surrealen Haus mit verschiedensten Ebenen mutiert. Erst zum Schluss schließen sich die Stahlkisten über dem Geschehen wieder und kehren damit zum Ausgangsbild zurück. Letztlich hängen Freud' und Leid' eben zusammen.
Schauspieler verzauberten Publikum Trotz manch grell-nasaler Auswüchse in den Höhen, überzeugte im komplexen Spiel die US-Sopranistin Racette mit schauspielerischer Sensibilität für ihre beiden nicht einfachen Figuren. Auch der italienische Bariton Roberto Frontali wechselte scheinbar mühelos zwischen dem Part des betrogenen Ehemanns und der Bufforolle des Gianni Schicchi. In der zweiten Reihe beeindruckte die kanadische Altistin Marie-Nicole Lemieux durch sowohl stimmliche als auch darstellerische Varianz zwischen der kühlen Fürstin in "Suor Angelica" und der italienischen Furie in "Gianni Schicchi". Trotz Umbesetzung großer Erfolg Rani Calderon, der kurzfristig den wegen eines Rückenleidens ausgefallenen designierten Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Kirill Petrenko, ersetzte, führte dabei das RSO durch eine relativ trockene Puccini-Interpretation. Die mögliche Untiefe allzu schwelgerischer Führung des Orchesters bei Puccini umschiffte der israelische Dirigent gekonnt und stellte seinen Klangkörper ganz in den Dienst der Sänger - eine Entscheidung, die vom Publikum am Ende lauthals gewürdigt wurde.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
Info Das Stück "Il Trittico" von Giacomo Puccini wird noch am 12., 15., 18., 20. und 23. Oktober im Theater an der Wien aufgeführt. Alle Informationen rund um das Stück sowie Karten dazu erhalten Sie unter www.theater-wien.at.
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