Abgefahren
Umjubelt: Erstes Online-Orchester
16.04.2009
Das YouTube Sinfonieorchester, erstes online gegründetes Orchester der Welt, hat in der New Yorker Carnegie Hall umjubelt Uraufführung gefeiert.
Sie kennen sich kaum, sprechen Dutzende verschiedener Sprachen - und doch musizieren sie zusammen wie ein lange eingespieltes Team: Das YouTube Sinfonieorchester, das erste online gegründete Orchester der Welt, hat in der New Yorker Carnegie Hall umjubelt seine Uraufführung gefeiert.
Pultstar leitete Orchester
Unter Leitung des amerikanischen
Pultstars Michael Tilson Thomas liefern die 96 Musiker aus 33 Ländern am
15.4. bravourös ein breites Programm von Bach über Mozart, Brahms und
Tschaikowsky bis zu zeitgenössischen Werken. Das verwöhnte New Yorker
Publikum ist von der Experimentierfreude und Leidenschaft der meist jungen
Leute begeistert: Langer Applaus im Stehen, Jubel und Bravorufe.
"Alte,
arrangierte Hochzeit!"
"Ich habe in den letzten Jahren die
besten Orchester der Welt dirigiert, aber hier geht wirklich ein Traum in
Erfüllung", sagt der chinesische Komponist und Oscar-Preisträger Tan Dun
("Tiger and Dragon"), der eigens für die Premiere die anspruchsvoll
betitelte Internet-Sinfonie Nr. 1 "Eroica" geschrieben hat. "Mit all diesen
Musikern online zu arbeiten, erinnert mich an eine alte, arrangierte
Hochzeit", meint er schmunzelnd.
Online-Bewerbung
Die
Internet-Videoplattform YouTube hat für das ambitionierte Projekt
Interessenten in aller Welt aufgefordert, sich online mit Videobeiträgen zu
bewerben. Aus 3000 Einsendungen wurden in einem zweistufigen Verfahren die
Besten der Besten ausgewählt und für einen dreitägigen Workshop nach New
York geladen, dessen Höhepunkt das zweieinhalbstündige Konzert ist.
"Ich
glaube, dass es gut gelaufen ist"
Der Düsseldorfer
Musikschullehrer und Geiger Maurice Maurer (29), der als einziger Deutscher
dabei ist, kann sein Lampenfieber schnell vergessen. "Ich glaube, dass es
gut gelaufen ist", sagt er der Deutschen Presse-Agentur nach dem Auftritt.
"Wir haben in den drei Tagen sehr intensiv zusammen gearbeitet und sind
dabei schon zusammengewachsen."
Ärzte, Pokerspieler,
Finanzberater
Längst nicht alle Musiker sind das Spiel in einem
großen Ensemble gewohnt. "Jeder hat natürlich viel Erfahrung auf seinem
Instrument", sagt Michael Tilson Thomas, der Grammy-prämierte Musikdirektor
der San Francisco Symphony und kreative Kopf des Projekts. "Einige sind
erfahrene Orchesterspieler, aber viele haben auch andere Berufe - sie sind
Arzt, Pokerspieler oder Finanzberater."
Hochkarätige Partner
40
hochkarätige Partner aus der internationalen Musikszene haben die
Initiatoren als Unterstützer für das Vorhaben gewonnen, etwa das London
Symphony Orchestra, das Amsterdamer Royal Concertgebouw Orchestra und die
Berliner Philharmoniker. Arrivierte Jungstars wie die atemberaubende
Pianistin Yuja Wang, der Geiger Gil Shaham und der Cellist Joshua Roman, vom
Übervater Yo-Yo Ma persönlich empfohlen, sorgen für besondere Glanzpunkte
bei der Aufführung - und für Hilfestellung bei den Proben.
Sonderapplaus
für Kinder
Sonderapplaus gibt es für Anna Larsen (9), Charlie
Liu (8) und Derek Wang (10), die der chinesische Piano-Tausendsassa Lang
Lang als Schüler seiner neuen Stiftung vorstellt. An einem riesigen
schwarzen Flügel sitzend spielen die drei kleinen Knöpfe mit
traumwandlerischer Sicherheit sechshändig einen komplizierten Walzer von
Sergej Rachmaninoff. "Das ist eine sehr große Ehre für mich", sagt der
kleine Derek wie ein Vollprofi. "Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals in
der Carnegie Hall spielen würde."
"Beginn einer Reise"
Für
die Veranstalter ist das Projekt schon vor dem grandiosen Finale aus
Tschaikowskys vierter Sinfonie ein Erfolg, denn nicht nur das Bewerben,
sondern auch das Musikhören soll über das Internet weltweit angekurbelt
werden. "Das ist der Beginn einer Reise und nicht das Ende", verspricht
Clive Gillinson, der geschäftsführende und künstlerische Direktor der
Carnegie Hall - "einer Reise, die hoffentlich dazu führt, dass die Musik im
Leben eines jedes Menschen eine wichtige Rolle spielt."