Wiener Festwochen

Jesus-Stück im Burgtheater regt auf

08.05.2013

Romeo Castelluccis Aufführung gastiert für drei Tage im Wiener Burgtheater.

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© Klaus Lefebvre
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Was ist skandalöser? Der Verfall des Menschen, der einen im Alter wieder zum hilflosen Kind werden lässt, das nichts von der Welt weiß und dem die Windeln gewechselt werden müssen? Oder die großformatige Abbildung von Gottes Sohn, der mit sanftem Blick den Menschen in seinem Leid betrachtet? Romeo Castelluccis einstündige Performance "Sul concetto di volto nel Figlio di Dio" ("Über das Konzept des Angesichts von Gottes Sohn") erregte 2011 in Paris die Gemüter katholischer Fundamentalisten, die wegen vermeintlicher Blasphemie zu Protesten aufriefen. Ab Samstag gastiert die Aufführung im Rahmen der Wiener Festwochen für drei Tage im Burgtheater.

Kontroverse Kritik
Während der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki die Aufführung anlässlich eines Gastspiels in der deutschen Hauptstadt "unanständig" nannte, weil "das, was Menschen aus ihrem Glauben heraus wichtig und heilig ist, in dieser Weise durch den Dreck gezogen wird", befand die Berliner Zeitung: "Im Grunde wäre es erste Pflicht der katholischen Würdenträger, diese im tiefsten Sinne christliche Performance zu besuchen." Ein Stein des Anstoßes ist neben der übermächtigen Präsenz eines Jesus-Bildes wohl die Tatsache, dass am Ende gegen die stoische Hinnahme des offenbar unveränderlichen Leids - dargestellt durch den ständig wiederholten Versuch eines Mannes, seinem dementen Vater die Windeln zu wechseln - in einer Art Bildersturm rebelliert wird.

"In diesem Stück wird der Blick Jesu zum Scheinwerfer, der die Geschehnisse auf der Bühne in wechselhaftes Licht taucht. Das Licht könnte gut oder böse sein, anstößig oder unschuldig", sagt Romeo Castellucci selbst. "Ich kenne mehr als tausend Maler, die die Hälfte ihres Lebens damit verbracht haben, das unaussprechliche, fast unsichtbare Leiden seiner Lippen zu reproduzieren. Jetzt ist er nicht mehr da."

Goldener Löwe für Lebenswerk
Castellucci, 1960 in Cesena geboren, war mit seiner 1981 gegründeten Compagnie Socìetas Raffaello Sanzio immer wieder bei den Wiener Festwochen zu Gast, zuletzt 2009 mit "Il Purgatorio". Am 2. August wird er während der 42. Ausgabe des Internationalen Theater Festivals in Venedig mit dem Goldenen Löwen der Biennale für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden.

Er erhalte den Preis "für seine Fähigkeit, eine neue Sprache für die Bühne zu schaffen, die Theater, Musik und die Bildhauerei ineinander verwebt", heißt es in einer langen Liste an sehr poetisch formulierten Begründungen. Dafür, dass er "uns in parallele Welten transportiert und uns dann zurückgebracht hat, um auf unsere eigene Welt zu schauen - und sie verändert vorzufinden". Dafür, "dass er uns zum Zweifeln angeleitet und mit Szenen konfrontiert hat, die scheinbar harmlos sind und in denen sich doch entdecken lässt, dass jeder Schafspelz einen Wolf oder hundert oder tausend Wölfe verdeckt". Das nun in Wien gastierende Stück scheint ideal dafür zu passen. Am Ende strahlt ein Satz in leuchtenden Lettern: "You are - not - my Shepherd" ("Du bist - nicht - mein Hirte").

 
     

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