Mit Klobürste gegen Rom

Verdis "Attila" in Konwitschny-Regie

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Im Theater an der Wien entzweite klamaukige Inszenierung  Publikum.

Die mit Fellen bekleideten Barbaren ziehen mit Hausrat und Küchengeräten bewaffnet gegen Rom, statt mit Lanzen und Schwertern fuchteln sie mit Kochlöffeln und Klobesen. Schon das erste Bild zeigt, dass Peter Konwitschny die 1846 uraufgeführte, heute nur noch selten gespielte Oper "Attila" von Giuseppe Verdi nicht allzu ernst nimmt. Statt Krieg herrscht Klamauk. Rasch wird auch deutlich, wem die Sympathien des Regisseurs gehören: nicht dem römischen General Ezio, der sein Vaterland vor Unterjochung retten will, sondern dem edlen Wilden - Attila, dem Hunnenkönig. Das Misstrauen gegenüber patriotischer Befreiungskampfrhetorik führte bei der  Premiere am 7. Juli im Theater an der Wien nach der Pause gar zu Schreiduellen im Publikum. Der polarisierende Regisseur wurde seinem Ruf wieder einmal gerecht: Wo Konwitschny inszeniert, ist immer etwas los.

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Stück entzweit Verdi-Liebhaber
Das galt nicht nur für den Zuschauerraum, wo ausgehend von mehrfach verarschten Heldentod-Fantasien Ezios die einen lauthals eine "Schändung" (oder war es eine "Verschwendung"?) beklagten, während die anderen mit Jubel oder Zischlauten antworteten und ein einsamer Rufer gar nach der Polizei verlangte, sondern auch für die Bühne. Dort hatte Johannes Leiacker einen weißen Rundhorizont aufgestellt, der durch vorangegangene Schlachten schon arg in Mitleidenschaft gezogen ist und über dem mal eine gleißende Sonne, mal eine kühle Mondsichel aufgeht. Zwischen zwei hölzernen Baumrestattrappen ist der Arnold Schoenberg Chor, zeitweise ergänzt durch den Kinderchor der Gumpoldskirchner Spatzen, fast ständig in Bewegung. Der Abend ist inklusive Pause bloß zweieinviertel Stunden lang, doch werden überaus viele Kilometer gemacht.

Leere Kilometer 
Freilich auch leere Kilometer: Konwitschnys kindlich-naive Sicht auf die Bühnenvorgänge, denen doch Leid und Tod, Zerstörung und Versklavung zugrunde liegen, irritiert immer wieder. Er habe dabei nur "die oft völlig überdrehte Musik" aufgenommen, mit der etwa die Hunnen als "verantwortungsloser Haufen säbelrasselnder Halbstarker" charakterisiert werde, rechtfertigt sich der Regisseur. So haben es gefangen genommene Frauen aus dem eroberten Aquiläa, die sich kickboxend gegen Zudringlichkeiten wehren, oder Flüchtlinge, die sich mit Eremiten in der Lagune ansiedeln und damit Venedig gründen, schwer, ernst genommen zu werden. Ebenso ergeht es der tragischen Liebesgeschichte zwischen der von Attila gefangenen Odabella und ihrem Verlobten Foresto. Einzig als Attila im Rahmen eines Banketts, das rund um einen durch Odabella vereitelten Giftanschlag zur brutalen Orgie ausartet, junge Frauen zum russischen Roulette nötigt, und diese reihenweise dabei unkommen, erfasst einen momentweise das Grauen und ahnt man, dass sich diese Oper auch ganz anders erzählen ließe.

Zwei Brüche
Zwei deutliche Brüche hat Konwitschny in seine Inszenierung eingebaut. Papst Leone, den er nicht als Kirchenmann sondern als gut gekleideten, zigarettenrauchenden Dandy zeigt, "zivilisiert" die Barbaren und lässt sie in modische Anzüge stecken. Derart in die römische Gesellschaft aufgenommen, hat Attila gleich statt eines Kochlöffels eine glänzende Pistole in der Hand. Das nennt man zivilisatorischen Fortschritt! Das letzte Bild lässt der Regisseur im Altersheim spielen: Mord- und Rachsucht kennen kein Ablaufdatum und so planen Foresto und Ezio noch als mit Rollstuhl und Rollator versehene Greise ein Attentat gegen Attila, das mithilfe der ebenfalls bereits stark ergrauten Odabella letztlich gelingt: Ihr blitzendes Messer kann sie allerdings kaum mehr halten. Attila stirbt mehr an Herzinfarkt als an Stichverletzungen.

   Glück für jene, die sich auf die Ö1-Direktübertragung der Vorstellung am kommenden Samstag freuen: Der Abend ist deutlich mehr hörens- als sehenswert. Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Riccardo Frizza zeigt keine Scheu vor dem martialisch auftrumpfenden Kriegslärm und dem pathos-triefenden Klanggewitter des jungen Verdi. So ironisiert die Hauptpartien gespielt werden, so ernsthaft werden sie gesungen: Dmitry Belosselsky überzeugt mit mächtigem, ausdrucksstarkem Bass ebenso wie der rumänische Bariton George Petean, der stimmlich für die Ehrenrettung seiner von Konwitschny als Gockel mit schwarzem Haar-Kamm der Lächerlichkeit preisgegeben Figur sorgt.

Lucrecia Garcia vor großer Herausforderung  
Den schwierigsten Balanceakt hat aber Lucrecia Garcia zu bewältigen, die mit ihrer Odabella am Theater an der Wien debütiert. Die Venezuelanerin setzt als Freiheitsheldin ihre Leibesfülle energisch für die vom Regisseur gewünschten komischen Momente ein und liefert dennoch ihre Arien mit makelloser Präzision. Ihrem Geliebten Foresto ergeht es deutlich schlechter: Der Grazer Tenor Nikolai Schukoff hat hörbar keinen guten Tag erwischt und kassierte am Ende einige Buhs. Nichts gegen die von demonstrativem Jubel begleiteten Unmutsäußerungen, die das Team rund um Peter Konwitschny über sich ergehen lassen musste. Der Regisseur nahm es gelassen. Alles andere hätte ihn wohl mehr gewundert.

Info
"Attila" von Giuseppe Verdi, Libretto von Temistocle Solera und Francesco Maria Piave, Musikalische Leitung: Riccardo Frizza, Inszenierung: Peter Konwitschny, Ausstattung: Johannes Leiacker, ORF Radio-Symphonieorchester Wien, Arnold Schoenberg Chor, Gumpoldskirchner Spatzen, Mit: Dmitry Belosselsky, Nikolai Schukoff, George Petean, Lucrecia Garcia, Stefan Cerny und Andrew Owens. Theater an der Wien, Weitere Vorstellungen: 10., 13., 16., 18. Juli, Karten: www.theater-wien.at.

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