Wiener Staatsoper
"Rusalka" feierte umjubelte Premiere
27.01.2014
Bechtolf entschlackt Dvoraks selten gespielte Oper zum symbolistischen Geschehen.
Unglücklich ist die Geschichte der traurigen Nixe Rusalka im Libretto - und in der Wiener Aufführungshistorie. 86 Jahre dauerte es nach der Uraufführung von Antonin Dvoraks Oper 1901 bis zur ersten Premiere an der Staatsoper. Am 26. Jänner war das metaphorische Spiel nun erstmals überhaupt in ungekürzter Fassung am Ring zu sehen - und wurde dabei zur umjubelten Rehabilitation auf ganzer Linie.
Nach 22 Jahren wieder auf der Staatsopern-Bühne
So fügt sich das melancholische Werk, dessen letzte Aufführung in der Staatsoper 22 Jahre zurückliegt, nahtlos in den Tschechisch-Schwerpunkt, den Dominique Meyer und sein Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst mit dem Oeuvre von Leos Janacek ausgerufen haben. Die Erzählung der unglücklichen Wassernixe Rusalka, die sich in einen Prinzen verliebt und dank der Hexe Jezibaba Menschengestalt annimmt, wird in der aktuellen Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf archetypisch als sexuelles Erwachen einer jungen Frau ohne Unterleib gedeutet, die sich eben jenen wünscht und diesen samt aller Nebeneffekte bekommt.
Akteure ganz klar im Zentrum
Bechtolf und sein eingespieltes Ausstattungs/Kostümteam Rolf und Marianne Glittenberg halten sich dabei mit der Traumdeutungshoheit angenehm zurück. Die gesamte Szenerie ist von jeglichem Märchentand entschlackt. Die brutale Wasserwelt der mythischen Wesen ist mit übereinandergestapelten Spielorten gleichsam als pervertiertes Puppenhaus konzipiert, dem jegliche Farbe entzogen ist. Trotz entblößter Fakebrüste halten darin das Nymphen-Trio und die Hexe Jezibaba für die Menschen nur den Tod bereit. Bechtolf setzt auf große freudsche Symbolik ohne Küchenpsychologie, belässt das Geschehen im Ambivalenten, was nicht von allen Teilen des Publikums goutiert wurde - im Gegensatz zum Auftritt von Krassimira Stoyanova.
Sänger überzeugten auf der ganzen Linie
Stimmlich ist Stoyanova auch ohne Zweifel eine idealtypische Rusalka mit dunklem und doch silbrigem Timbre in hoher Klangschönheit. Darstellerisch fehlt der 51-Jährigen allerdings das letzte Quäntchen Charisma, das glaubhaft machen würde, dass sich ein Prinz Hals über Kopf sie verlieben könnte. Ihre böhmische Nixe bleibt im bleiernen Bühnenbild zu sehr graue Maus.
Groissböck glänze bei seiner ersten Staatsopern-Premiere
Zum Triumph wurde die Rolle des Wassermanns für Günther Groissböck, der bei seiner ersten Staatsopernpremiere mit edlen, höchstsicheren Phrasierungen für sich einnahm und nicht als grüner, übergewichtiger alter Herr, sondern als Mischung aus Riff Raff aus der "Rocky Horror Picture Show" und Legolas aus "Herr der Ringe" seiner Rolle zusätzliche Diabolik gab. Michael Schade könnte mit seinem zarten Mozarttenor in all dem slawischen Dunkelklang untergehen - jedoch passt seine zartere Stimme dramaturgisch zur Verliererrolle des nichtssagenden Prinzen, der von seinen Begierden gebeutelt wird.
Belohlavek trieb Staatsopern-Orchester zur Höchstleistung an
Zum musikalischen Erfolg trug schließlich nicht zuletzt das Staatsopernorchester unter Jiri Belohlavek bei. Bei seiner persönlichen Staatsopernpremiere führte der Tscheche die Musiker herzhaft zupackend durch die Partitur - dabei nicht davor zurückschreckend, ebenso die Pausen lange auszukosten. Die dramaturgischen Gegensätze wurden voll ausgespielt, die dynamischen Kontraste und Widersprüche zelebriert und nicht in einen Einheitsschmelz gebettet. Für süßlichen Märchenschmus ist da kein Platz - womit sich der Kreis zur Inszenierung wieder schließt.
Info
"Rusalka" von Antonin Dvorak in der Wiener Staatsoper, Opernring 2, 1010 Wien unter Jiri Belohlavek. Regie: Sven-Eric Bechtolf, Bühne: Rolf Glittenberg, Kostüme: Marianne Glittenberg. Mit Michael Schade/Der Prinz, Monika Bohinec/Die fremde Fürstin, Krassimira Stoyanova/Rusalka, Günther Groissböck/Der Wassermann, Janina Baechle/Jezibaba, u.a. Weitere Aufführungen am 30. Jänner sowie am 3., 6. und 9. Februar. www.staatsoper.at