Galerie Ostlicht

Wim Wenders zeigt seine Fotoarbeiten

05.10.2012

Erstmals sind Fotoarbeiten des Künstlers auf österreichischem Boden zu sehen.

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© Robert Jäger
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Wim Wenders ist nicht nur als Regisseur erfolgreich, sondern auch als Fotograf. In der Wiener Galerie Ostlicht sind nun erstmals Fotoarbeiten des Künstlers auf österreichischem Boden zu sehen. Die Ausstellung "Places, strange and quiet" - erst die zweite seit der Eröffnung des Westlicht-Ablegers im Juni - vereint Aufnahmen aus mehreren Jahrzehnten und war zuvor bereits in Sao Paolo, London und Hamburg zu sehen. Das einende Moment der Bilder aus Armenien, Japan, Brasilien oder Deutschland sind menschenleere Räume, Orte des Verschwindens, Rudimente einer zerfallenden Zivilisation.

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Bei den Aufnahmen aus Ostdeutschland grüßen auf verfallenden Bauten verwischte Aufschriften wie "Ewige Freundschaft mit den Völkern der Sowjetunion". Wieder andere Bilder wirken wie einem Wenders-Film entsprungen, erinnern an Edward Hoppers trostlose Stadtansichten. Auch verweisen bisweilen Schuss-Gegenschuss-Kombinationen auf den Brotberuf des Filmemachers. Und doch blitzt hier und da auch der Humor Wenders durch, wenn ein Plakat von Audrey Hepburn von einem Rudel Teddybären begafft wird oder auf der Wand einer Ruine das Graffito "Ach was, halb so schlimm" zu lesen ist.

Zur Ausstellungseröffnung veranstaltet die Fotogalerie Ostlicht in einer leer stehenden Halle der einstigen Ankerbrotfabrik ein Galadiner für 150 Gäste, die von Juan Amador bekocht werden. Ab 22 Uhr wird dann in einer anderen Halle der als Kunststandort revitalisierten Anlage gefeiert. Während der Eintritt für letzteres Event frei ist, muss man für das Diner 180 Euro einplanen. Anmelden kann man sich nach wie vor unter anmeldung@ostlicht.at.

Wim Wender im APA-Interview

© Robert Jäger

APA: Ist für Sie die Fotografie ein Derivat Ihrer filmischen Arbeit oder sind das zwei gänzlich verschiedene Ausdruckswelten?

Wenders: Es hat als ineinander verflochtenes Arbeiten angefangen. Ich habe bei all meinen Filmen - auch in der Vorbereitung - fotografiert. Erst als ich Anfang der 1980er mit großformatigen Negativen zu arbeiten begonnen habe und dann auch meine erste Ausstellung hatte, ist mir bewusst geworden, dass es sich bei der Fotografie um eine ganz eigenständige Arbeit handelt. Mittlerweile läuft beides sehr getrennt: Ich mache das eine nicht, wenn ich das andere mache, sonst wird alles so beliebig. Und für meine Arbeit gilt generell: Der schlimmste Feind ist die Beliebigkeit.

APA: In Ihren Filmen spielt die Weite des Raumes zwar auch eine große Rolle, sie ist aber immer mit dem Menschen konterkariert. Ihre Fotoarbeiten zeigen hingegen so gut wie nie Personen. Interessiert Sie bei der Fotografie der Raum mehr als der Mensch?

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Wenders: Das kann man durchaus so sagen. Aber auch meine Filme fangen eigentlich immer mit dem Wunsch an, an einem Ort etwas zu machen. Fast alle meine Filme beginnen mit dem Ort, und dann suche ich mir die Geschichte, die nur da spielen kann. Ich mag Filme nicht, die genauso gut woanders spielen könnten. Aber der Wunsch, dass der Ort sich durchsetzt, geht im Film immer unter. Die Geschichte und die Figuren haben immer die Oberhand - da kann man machen, was man will. Im Film spielen sich die Geschichte und die Charaktere immer in den Vordergrund, und die Landschaft wird Hintergrund. Überdies ist man beim Film auch nie allein und hat immer Leute hinter sich. Da ist die Fotoarbeit eine wunderbar konträre, bei der mir niemand über die Schulter schaut. Ich arbeite hier grundsätzlich alleine. Wenn jemand danebensteht, kann ich es schon nicht mehr. Es gibt Leute, die können nicht schreiben, wenn jemand zusieht - bei mir ist es so beim Fotografieren. Bei der Fotografie kann ich Orten die Hauptrolle geben.

APA: Sie arbeiten in der Fotografie ausschließlich mit analogem Material. Weshalb?

Wenders: Als Filmemacher arbeite ich seit vielen Jahren nur digital. Im Film bin ich durchaus Technikfreak. Aber beim Fotografieren ist es einfach ums Verrecken das Gegenteil. Ich habe viele digitale Kameras versucht und war jedes Mal wieder herb enttäuscht. Bei vielen hochauflösenden Kameras kann man nicht mehr alleine arbeiten, sondern benötigt einen Assistenten - was dann schon wieder eine andere Situation schafft. Es ist mit einem Male ein Gesprächspartner da, den ich ja auch nicht wie einen Sklaven behandeln möchte. Damit wird das Gespräch mit dem Ort aber gestört. Überdies wird das Gespräch mit dem Ort durch die digitalen Kameras insofern zunichtegemacht, da sie einen zwingen, das Resultat am Monitor anzusehen. In dem Moment, in dem ich auf das digitale Bild sehe, ist der Dialog beendet. Ich sehe die Landschaft mit einem anderen Blick - einem Blick, bei dem das Geheimnis zwischen mir und dem Ort verschwunden ist. Teil, dieses Momentes zu bleiben, das erlaubt mir nur die analoge Fotografie.

APA: Wovon machen Sie abhängig, ob Sie in Schwarz-Weiß oder in Farbe fotografieren?

Wenders: Ganz einfach: Ich mache keine Schwarz-Weiß-Bilder mehr seit April 1983. Ich bin ein Farbfotograf geworden und könnte es wahrscheinlich gar nicht mehr in Schwarz-Weiß. Erst mit der Farbe ist das Fotografieren wirklich mein Medium geworden.

APA: Wie ist der Stand Ihres Filmprojekts über den Schweizer Architekten Peter Zumthor, den Erbauer etwa des Bregenzer Kunsthauses?

Wenders: Für das eigentliche Langzeitprojekt, das wir im Auge haben, ist die Technik noch nicht so weit: Ich möchte den Film auf jeden Fall in 3D drehen und alleine mit meiner Frau arbeiten. Es geht mir um die Orte, an denen Zumthor bauen will, aber noch nicht gebaut hat. Der Film soll solange gemacht werden, bis etwas steht. Die Kameras sind jedoch nach wie vor sehr komplex. Aber Architektur sollte in 3D gefilmt werden - das ist ein bisschen wie bei Tanz. Die meisten Architekturfilme schreien geradezu danach.

(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß)


 
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