Er lässt einen nicht mehr los, der graue Kubus-Innenraum auf der Bühne des Salzburger Landestheaters. Inmitten der aussichtslos hohen Mauern spielt sich der komplette Plot von Alban Bergs "Wozzeck" ab, sowohl für die Protagonisten als auch für die Zuseher gibt es rund eineinhalb Stunden lang kein Entrinnen. Regisseurin Amelie Niermeyer hat eine schlüssige, beklemmende Deutung des Opernklassikers der Moderne erarbeitet, die erhellende Kammerorchesterfassung trägt das Ihre zu diesem musikdramatischen Glücksfall bei. Die Premiere am 11. Mai wurde zurecht bejubelt.
Mörderoper nach Georg Büchner Dabei ist eine eigenständige Interpretation dieser Mörderoper nach Georg Büchner gar nicht zwingend nötig, hat doch Berg ohnehin in seiner Musik die Passion des von Wahn besessenen Soldaten Franz Wozzeck so treffend psychologisch nachgezeichnet. Zuletzt war es Peter Stein bei den Osterfestspielen 1997, der die Oper in Salzburg auf die Bühne gebracht hat. Seine expressive Inszenierung mit einem riesigen blutroten Mond als eindrücklichem Symbol ist nach wie vor in Erinnerung.
Wozzeck in Anstalt Niermeyers Sicht ist kühler, Wozzeck befindet sich als ein Proband unter vielen in einer Anstalt (Bühne: Stefanie Seitz). Serielles Rasieren, Urinieren in Plastiksackerl und der Genuss von abscheulichen Flüssigkeiten bestimmt den Alltag der Insassen. Wozzeck selbst scheint da noch der Klarsichtigste, der britische Bariton Leigh Melrose verleiht diesem Getriebenen präzise darstellerische Gestalt und stimmliche Prägnanz. Der wahre Wahn, den verkörpern der Doktor (geradezu buffonesk: Graeme Danby) und der von Kostümschneiderin Kirsten Dephoff in eine knallbunte Uniform gezwängte Hauptmann (Dietmar Kerschbaum steigerte sich nach verhaltenem Beginn). Ihre Anfälle entwickelt Niermeyer jedoch stets aus der Musik, bis zuletzt wirkt diese Binnenatmosphäre konsequent und nachvollziehbar. Stimmig ist auch der Regiekniff, Wozzecks Kind als Beobachter dieses wahnwitzigen Treibens zu installieren.
Star des Abends war Elias Pappas Elias Pappas ist der Star des Abends; nicht zuletzt, weil er ununterbrochen hochkonzentriert auf der Bühne steht und schließlich die finale Kinderszene als inneren Monolog von atemberaubender Wirkung gestaltet. Der Bube bleibt als Letzter übrig - ein verstörendes Ende. Frances Pappas verkörpert im wahren Leben wie auch auf der Bühne seine Mutter, sie begeistert als Marie mit einer reichhaltigen Palette an stimmlichen Ausdrucksformen von eruptiver Kraft bis hin zu lyrischer Innigkeit.
Mozarteum Orchester liferte Musik zur Oper Das von Franz Supper, Emily Righter, Hubert Wild und Philipp Schausberger komplettierte Ensemble kann sich auf großartige Arbeit im Orchestergraben stützen. Das Mozarteum Orchester realisiert die "Minimal"-Orchesterfassung von John Rea aus dem Jahr 1995 mit höchster Präzision und betörenden Klangfarbenmischungen, fulminant angetrieben von Landestheater-Musikdirektor Leo Hussain. Diese Fassung erlaubt neue, erhellende Einsichten in diese Musik, deren kühne Formensprache oftmals von spätromantischer Klangpracht in den Hintergrund gerückt wird. Berückende Klangwirkung entfaltet Bergs Meisterwerk auch im Kleinen, die Transparenz jedoch lässt Bergs großartige psychologische Charakterisierung noch stärker zutage treten. Ein Wahnsinnsabend, in jeder Hinsicht.
Info "Wozzeck" von Alban Berg nach Georg Büchner wird noch am 19., 22., 24. Mai und 1. Juni im Salzburger Landestheater aufgeführt. Alle Informationen rund um die Oper und Tickets erhalten Sie unter www.salzburger-landestheater.at.
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