Sachbeschädigung
"Zettelpoet" Helmut Seethaler verurteilt
18.02.2010
Schrieb danach "Kunstverbreitung bringt mi ins Häf'n" auf den Boden
Der Wiener "Zettelpoet" Helmut Seethaler, der seit 35 Jahren im öffentlichen Raum seine sogenannten Pflück-Texte hinterlässt, ist am Donnerstag, 18.2., im Straflandesgericht wegen Sachbeschädigung zu zwei Monaten bedingter Haft verurteilt worden. Richterin Andrea Wolfrum achtete es als erwiesen an, dass der 56-Jährige im vergangenen Herbst am Vorplatz des Museumsquartiers 13 Steinplatten mit einem Textmarker verunstaltet hatte, indem er den Schriftzug "www.hoffnung.at" und seine Telefonnummer hinterließ.
Freispruch verlangt
Seethaler, der "im Sinne der Freiheit
der Kunst" einen Freispruch verlangt hatte, meldete volle Berufung an,
verließ den Verhandlungssaal, zückte einen Filzstift und beschriftete in
großen Lettern den Fußboden mit "www.hoffnung.at" und
der Nummer seines Festnetzanschlusses. Zusätzlich brachte er den Schriftzug "Kunstverbreitung
bringt mi ins Häf'n" an.
Provokation auf Boden
Die Richterin hatte mit einer Provokation
des Künstlers gerechnet und daher vorsorglich Saalschutz angefordert. Die
zwei dafür abgestellten Uniformierten sahen Seethaler jedoch seelenruhig zu,
wie er sich am Fußboden "verewigte" und nachher bereitwillig
anwesenden Medienvertretern Interviews gab, was die Richterin "unglücklich"
machte, wie sie der APA verriet.
Seethaler-Stellungnahme
Helmut Seethaler bekannte sich in seiner
Verhandlung dazu, "pausenlos" und "ununterbrochen" im öffentlichen Raum
Texte zu hinterlassen: "Ich habe aber noch nie in meinem Leben etwas
gemacht, wofür ich vor Gericht stehen müsste." Auch im Museumsquartier sei
er "oft" tätig gewesen, allerdings nicht im Tatzeitraum - laut Anklage
zwischen 30. Oktober und 2. November 2009 -, was der "Zettelpoet"
ausdrücklich bedauerte.
Wurde kopiert
"Schade, dass ich es nicht war", gab er zu
Protokoll. Die Documenta Kassel habe sich nämlich inzwischen bei ihm
gemeldet: "Hätte ich es mit Lack gemacht, hätten sie das als Kunst
ausgestellt." Er, Seethaler, sei "ein berühmter Wiener Dichter",
offensichtlich habe ihn jemand auf den Steinplatten vor dem Museumsquartier
kopiert.
Schriftsachverständiger
Ein vom Gericht beigezogener
Schriftsachverständiger stellte in Bezug auf die inkriminierten
Verunstaltungen jedoch in seinem Gutachten fest: "Aufgrund der Schriftformen
spricht alles dafür, dass es der Herr Seethaler geschrieben hat." Bei
dieser Gelegenheit ersuchte der Graphologe den Künstler, ihn zukünftig nicht
mehr mit Mails "zuzumüllen", worauf ihm Seethaler beschied: "Jeder, der sich
anmaßt, in diesem Theater mitzuspielen, wird von mir informiert. Alle sollen
Bescheid wissen."
Verurteilung nicht rechtskräftig
Unmittelbar nach seiner -
nicht rechtskräftigen - Verurteilung bekräftigte Seethaler, seine Gedichte
und Texte weiter im öffentlichen Raum anbringen zu wollen: "In einer halben
Stunde mach' ich weiter. Das ist mein Job."