Neues Buch
Zukunftsforscher über "Megatrends"
03.09.2011
Matthias Horx schildert im ÖSTERREICH-Interview die "Megatrends" der nächsten 5 Jahre.
STERREICH: Können Sie - gleich in welchem Bereich - einige "Megatrends" der nächsten 5 Jahre prognostizieren?
Matthias Horx: Megatrends "prognostiziert" man nicht, sie liegen ja nicht in der Zukunft, sondern sind längst da und verändern unsere Welt schon HEUTE! Die Globalisierung zum Beispiel geht derzeit in eine neue Runde - zwei, drei Milliarden Menschen, die bislang bitterarm waren, steigen in einen Wohlstands-Lebensstil auf, den wir im Westen bislang als Privileg geniessen konnten. Das hat enorme Konsequenzen für die Art und Weise, wie wir konsumieren, reisen, unsere Energieressourcen organisieren. Dann der MEGATREND FRAUEN, der allmählich unsere Kultur, die Politik, aber auch Werte und Denkweisen, nicht zuletzt die Glaubensformen verändern. Mehr Einflussmacht der Frauen bedeutet, dass Themen wie die Balance zwischen Arbeit und Familie viel wichtiger werden, dass die alten Macho-Strategien des Mehr-Höher-Weiter weniger gefragt sein werden. Der Megatrend Bildung zwingt uns dazu, zu überlegen, wie wir unser Bildungssystem so umbauen können, dass die jüngere Generation kreativer und neugieriger wird. Der Megatrend Gesundheit bedeutet, dass wir in Zukunft sehr viel mehr um unseren Fitness-Zustand kümmern werden - Ziviliationsprobleme wie Diabetes, Übergewicht können sich sonst in einer Alterungs-Gesellschaft zu monströsen Hindernissen werden. Und schliesslich gibt es auch so etwas wie einen "Megatrend Europa". Separatisten-Strategien haben in einer neuen Globalen Welt keine Chance mehr. Gerade durch die Krise wird Europa mehr zusammenwachsen.
ÖSTERREICH: Welche Wirtschaftsbranchen werden Ihrer Meinung nach in den nächsten 5 Jahren wachsen bzw. "boomen"?
Horx: Zuallererst die Branche der neuen, nachhaltigen Energien, von Solar über Biomasse bis Windkraft - hier ist ja Österreich gut aufgestellt, beziehungsweise könnte es sein: das erste Land, das seine Energieproduktion ganz ohne fossile Rohstoffe betreibt. Recycling und Materialwirtschaft- Dann alles, was mit Verkehr, Mobilität, Tourismus und Logistik zusammenhängt - wir brauchen viel intelligentere Lösungen in diesen Bereichen. Gesundheit und Bildung sind expandierende "Soft Sectors" unserer Wirtschaft, deren Einfluss oft unterschätzt wird. Natürlich die Kommunikations- und Medienbranche. Und nicht zuletzt der KREATIVE SEKTOR: Kunst, Genuss, Design, Events, das spielt heute eine immer grössere Rolle. Gerade Österreicht hat in der "Kulturindustrie" eine grosse Tradition und sollte es sich nicht nehmen lassen, Innovateure, Forscher und Kreative aus aller Herren Ländern anzuziehen - Voraussetzung dafür ist allerdings ein weltoffenes, neugieriges, tolerantes Klima.
ÖSTERREICH: Geben gesellschaftliche Tendenzen wie Polarisierung und Revolten Anlass zu Pessimismus? Oder gibt es auch Grund zu Optimismus?
Horx: Angst ist heute ein Geschäft, dass vor allem von den Medien betrieben wird. Mit Angst und Übertreibung fesselt man die Aufmerksamkeit der Leute. Zum Beispiel führt die ständige Behauptung der "Polarisierung" dazu, dass sich Menschen verunsichert fühlen. Aber wenn wir uns nüchtern die Daten anschauen, dann sind die sozialen Polarisierungstendenzen in Österreich und Deutschland und der Schweiz, in den meisten Ländern Europas, eher gering. Wir leben immer noch in einer breit aufgestellten Mittelschichtsgesellschaft, in einem gut funktionierenden Sozialsystem, und dass einige reicher noch reicher werden, heisst nicht, dass die Armen ärmer werden. Revolten der Jugend sind ja im Prinzip ein gutes Anzeichen dafür, dass ein grundlegender Mechanismus der Gesellschaft funktioniert. Manchmal muss man sich aufregen, und die sozialen Bewegungen in Spanien oder in den nordafrikanischen Staaten sind ja durchaus positiv zu sehen. Reihenweise fallen im Süden Diktatoren - das ist schon Grund für Optimismus genug. Generell ist die Welt im Aufbruch und Umbruch - dass wir darüber so gerne jammern und uns ängstigen, heisst ja nicht, das alles schlecht wird. Sondern dass wir eben gerne schlechte Laune haben.