Interview
Helene Fischer: ''Man kann Österreich und die Österreicher doch einfach nur lieben!''
04.09.2023Ab Dienstag fegt Helene Fischer gleich fünf Mal durch die Stadthalle. Im großen ÖSTERREICH-Interview, geführt vor dem Tourstart, spricht sie über die neue-Show, die Gefahren bei den Stunts, ihren Status als Kontrollfreak und ihre Österreich-Liebe.
Sie betonten immer wieder wie sehr sie Österreich lieben. Das ist eine Liebe die vom inneren Herzen kommt oder?
Ja, das empfinde ich schon seit vielen Jahren so. Ich bin einfach wahnsinnig gerne hier bei euch.
Was macht uns denn so besonders?
Die Bodenständigkeit, die Herzlichkeit und die Art und Weise, wie man einander begegnet, natürlich auch die Küche. Das alles ist einfach fantastisch. Ich habe noch nie schlecht in Österreich gegessen. Auch die Liebe zum Detail und natürlich besonders zur Natur spürt man sofort, wenn man hier ist. Deswegen kann man Österreich und die Österreicher doch einfach nur lieben.
Die Wiener Sprache. Der Dialekt? Verstehen Sie da eigentlich alles?
Ja ich verstehe alles. Selbst wenn ihr euch manchmal viel Mühe gebt, dass man euch nicht versteht. Und was ich nicht mit den Ohren verstehe, verstehe ich doch mit dem Herzen. (lacht)
Berühmt sind sie auch ihre Besuche beim Würstelstand, diesmal war aber keine Zeit dafür oder?
Das muss ja auch etwas Besonderes bleiben. Das hebe ich mir gerne für besondere Momente auf.
Ihre neue Show ist wieder spektakulär. Brauchen Sie denn diese Akrobatik und diese Show-Einlagen?
Ich liebe das einfach – diese Abwechslung, die Leute immer wieder zu überraschen und natürlich auch die große Show. Man kann mich aber auch ganz pur erleben, nur mit meinen Musikern. Für das nächste Jahr haben wir uns wirklich etwas Schönes und Großes vorgenommen. Ein buntes Bouquet aus Show-Elementen, die man so noch nicht gesehen hat. Ob ich das brauche? Irgendwie ja. Ich möchte den Menschen gerade in diesen Zeiten ein bisschen von dem zurückgeben, was sie so lange vermisst haben. Deshalb ist mein größter Wunsch, dass die kommende Show alles beinhaltet, was den Menschen vielleicht zurzeit fehlt – Liebe, Vertrauen, Gemeinsamkeit. Auch Unterhaltung und was fürs Auge. Und natürlich meine Musik, deren Leichtigkeit, Spaß und Freude die Menschen einfach ansteckt. Das ist mir das allerwichtigste.
Sie spielen in jeder Stadt gleich fünfmal. Auch in Wien…
Natürlich ist mir die Anzahl der Shows bewusst. ich setzte mich ja auch vor den Tourneen damit auseinander und habe das in der Größenordnung ja auch schon gespielt. Ich will natürlich versuchen neue Dimensionen zu schaffen. Die Anzahl - darüber habe ich mir gar nicht so viele Gedanken gemacht. Das ist auch für mich sekundär, ich möchte einfach nur den Menschen soviel Freude wie möglich bereiten. Ob das jetzt 10 Konzerte in einer Stadt sind, oder 5 ist egal. Hauptsache ich habe dazwischen mal ein bisschen frei um auch etwas durchzuatmen.
Wie bereiten Sie sich persönlich auf diese Shows vor?
Ich versuche mit dieser Show sehr viele persönliche Momente zu kreieren. Mit sehr viel Herz und sehr viele Seele. Gottseidank habe ich die Erfahrung ja schon vor fünf Jahren gemacht. Ich habe da ja schon mit diesen wertvollen Menschen zusammengearbeitet. Und die haben mich auch wirklich auf ein komplett neues Level der Fitness gebracht. Das ist mir bewusst und ich freue mich schon auf diese große Herausforderung. Auf die Aufgabe neue Dinge zu erlernen. Natürlich sind da mit Sicherheit am Anfang auch viele Schmerzen dabei, bis das alles mal in den Körper kommt. Oder dass der Körper sich daran gewöhnt. Aber logischerweise werde ich ganz spezifisch darauf trainieren. Es wird wieder sehr viel in der Luft sein - dass ich hänge. D.h. der Oberkörper muss extra trainiert werden. Ich glaube ich habe noch nicht alle Muskeln verloren, aber sie müssen definitiv wieder auf Vordermann gebracht werden.
Hat man da beim Song schreiben oder beim Aufnehmen schon diese Ideen was man da akrobatisch damit mit machen könnte im Kopf? Oder kommt das erst später?
Ich habe mir sehr viel Zeit genommen während der Pandemie. Auch für die Gestaltung meines Albums. Vor allem aber, um Songs zu finden oder zu schreiben, auch um vieles wieder zu verwerfen. Das war ein Prozess der Selbstfindung. Wo will ich hin, und wie komme ich selbst in meinen Liedern noch besser zum Ausdruck? Dabei sind Songs herausgekommen, die noch tiefgründiger und ehrlicher sind als jemals zuvor.
Warum jetzt diese Öffnung?
Ich hatte nach so vielen Jahren das Bedürfnis, noch mehr selbst zu schreiben. Wenn man das wie ich tut, dann geht man an sein Innerstes. Manches verarbeitet man damit auch erst. Auf jeden Fall sind es meine Erfahrungen, die den Kern dieser Songs ausmachen. Erst im zweiten Schritt kommen mir dann die Bilder für die Umsetzung auf der Bühne. Ob eigene oder für mich geschriebene Songs – am wichtigsten ist, dass sie mich ansprechen, etwas mit mir machen, Emotionen in mir erzeugen. Erst dann präsentiere ich sie meinem Publikum.
Sie haben auf der CD und auch bei den Konzerten sehr vielen Müttern und Frauen Mut ausgesprochen. Ist ihnen diese Vorbildrolle die sie für viele Mädchen haben bewusst?
Auch „Wann wachen wir auf“ hat eine starke Botschaft. Ich weiß um meine Vorbild-Funktion und bin mir der damit verbundenen Verantwortung natürlich bewusst. Ich höre das von Müttern, jungen Frauen oder Mädchen, dass sie manchmal mit sich hadern und dass meine Musik eine Kraftquelle für sie ist. Ich persönlich mache mir schon immer viele Gedanken zu unserer Gesellschaft und zur Rolle der sozialen Medien. Das ist der Grund, warum ich einen Song wie „Die erste deiner Art“ auf jeden Fall mit auf meinem Album haben wollte. Ich will helfen, diese Scheinwelt zu durchbrechen, mutig zu sein und zu sich selbst zu stehen.
Trotzdem gehen sie in ihren Worten sehr sorgfältig um. Auch aus Angst, weil medial alles gerne ausgeschlachtet wird?
Ich weiß, dass sich manche wünschen, dass ich mich zu gewissen Dingen öfter äußere. Es ist nur einfach unglaublich anstrengend, denn es wird jedes Wort seziert und auf die Goldwaage gelegt. Wenn ich mit einem Thema rausgehe, ist der Medienaufschlag schon oft brutal. Ich bin aber keine Politikerin, auch keine Aktivistin. Meine Sprache als Künstlerin ist die Musik. Dabei sind mir Songs wie zum Beispiel „Hand in Hand“, „Volle Kraft voraus“, „Wann wachen wir auf“ und „Die erste deiner Art“ unglaublich wichtig. Das ist meine Art, meine Botschaften mit den Menschen zu teilen.
Bei der Doku zu ihrem letzten Album Rausch wurden auch diese vielen absurden Cover Stories über Sie in Deutschland gezeigt. Wo ja alles schon da war was sie nicht durchlebt haben, oder durchleben sollen. Das ist ja auch absurd was hier abgeht oder?
Das traurige ist, dass es trotzdem gekauft, vielleicht sogar geglaubt wird. Ich kann da nur an die Vernunft der Menschen appellieren. Immerhin habe ich gelernt, mich davon auch freizumachen. Ich lese das alles schon lange nicht mehr.
Sie gelten als Powerfrau. Als Makellos. Wie sehen Sie das selbst? Machen Sie auch Fehler? Und wenn ja welche
Das wäre ja erschreckend wenn ich keine Fehler machen würde. Natürlich bin ich nicht makellos.
Ich versuche auf der Bühne ja etwas magisches zu kreiren. Nicht etwas unantastbares. Wenn man mich näher kennt und auch bei den Songs zwischen den Zeilen liest, dann merkt man relativ schnell: ich bin eigentlich super entspannt und eigentlich ganz normal.
Welche Fehler haben sie denn?
Ich bin zum Beispiel ein totaler Zeit-Chaot. Mein Team weiß das, und ich habe mich auch schon öffentlich dazu geoutet. Erst denke ich, ich habe alles unter Kontrolle, und dann rennt plötzlich die Zeit davon. Das ist zugegebenermaßen nicht ganz meine Stärke. Auch neige ich manchmal dazu, zum Schluss etwas chaotisch zu werden, obwohl ich doch gerne alles bis zum Letzten kontrollieren würde.
Sind Sie ein Kontrollfreak?
Ja, das Wort habe ich in meinem Zusammenhang gelegentlich schon gehört. (lacht) Es fällt mir einfach schwer, loszulassen und die Dinge sich selbst entwickeln zu lassen.
Wie gefährlich ist diese Show? Diese Stunts? diese Trapez Action?
Safety first – das gilt auch bei uns. Außerdem haben wir jede Menge Proben, und ich werde garantiert nichts machen, bei dem ich mich unsicher oder unwohl fühle. Natürlich bleibt immer ein Restrisiko. Alle Akrobaten auf der Welt wissen das und vertrauen ihrem Körper. Darüber kann man sich aber auch nicht jeden Abend den Kopf zerbrechen.
Die Angst ist ein schlechter Begleiter…
Absolut. Man braucht vielmehr Respekt und Selbstvertrauen, die man durch gute Vorbereitung gewinnt – auch für die tägliche Arbeit in der Luft.
Gibt es da ein Limit für Sie?
Da verlasse ich mich auf meinen Körper und meine Erfahrung. Das wird man auch bei den Proben merken. Ich habe ja auch ein großes Team mit absoluten Vollprofis um mich herum. Die Höhen sind durch die Hallen und unsere Einbauten ohnehin limitiert. Alles andere werden wir dann einfach sehen. Ich muss es mir ja auch nicht nur einmal, sondern für 70 Shows zutrauen. Ich muss mir auch nichts beweisen und werde bestimmt nicht leichtsinnig sein. Auch aus Verantwortung für das gesamte Team und meine Akrobatik-Crew.
Auch mit Blick auf die vielen Veränderungen in ihrem Leben: Wird man mit der Zeit vorsichtiger?
Tatsächlich habe ich mir die Frage auch schon gestellt: Wie das sein wird? Ein Teil von mir hat sich sehr verändert, aber ein großer teil hat sich gar nicht verändert. Ich bin nach wie vor sehr gewillt spektakuläres zu erlernen und habe dabei keine Ängste, weil die hatte ich vorher auch nicht. Ich habe ein großes Vertrauen in mich selbst und in das Universum. Damit muss man sich auch als Künstler frei machen, denn mit Ängsten bringt es nichts artistische Höchstleitungen in der Luft zu machen. Ich werde da nach wie vor sehr offen sein, aber natürlich nicht leichtsinnig.
Das klingt jetzt vielleicht provokant, soll aber überhaupt nicht provokant sein. Warum soll jetzt ein Fan sein wohlverdientes Geld für eine Konzertkarte von Helene Fischer ausgeben?
Das muss am Ende jeder für sich selbst entscheiden. Ich kann nur versprechen, dass wir von unserer Seite alles geben werden, um jedes einzelne Konzert zu einem einmaligen Erlebnis zu machen. Mir ist klar, dass viele jetzt gerade ein bisschen mehr aufs Geld achten müssen und sich Konzerte noch bewusster aussuchen. Für uns ist das aber eher ein Ansporn, noch mehr zu bieten. Wir planen ein absolutes Familien- und Unterhaltungsprogramm. Und zwar für alle Sinne. Das Publikum bekommt nicht nur eine Show geboten, sondern kann auch hinter den Vorhang blicken. Ich werde von mir erzählen und mich öffnen. Genauso, wie ich es seit jeher mit meiner Musik tue.
Einer der Akte heißt ja „Liebe“…
Es ist definitiv eine sehr emotionale und sehr bildgewaltige Show, die wir auf die Beine stellen. Wenn der Cirque du Soleil ein Popkonzert gestaltet, dann eröffnet einem schon allein diese Konstellation vollkommen neue Perspektiven. Es wird stark. Und wunderschön. Ich glaube und ich hoffe, dass ich für mein Publikum Momente kreieren werde, die es mit nach Hause nimmt. An die die Menschen noch lange zurückdenken werden. Und von denen sie später sagen werden: „Dieser Abend hat sich wirklich gelohnt!"
ÖSTERREICH-Reporter Thomas Zeidler-Künz beim Interview mit Helene Fischer