INSIDER-Interview
Horst Bork: "Falco würde heute wie Rammstein klingen!"
20.03.2024Von 1982 bis 1993 war Horst Bork der Manager von Falco und verhalf ihm auch zur Nummer eins in den USA. Jetzt will er mit Nikotin neue Höheflüge starten. Das INSIDER-Interview über seinen neuen Star, die Tränen von Elton John und Falcos kurze Abstinenz
Was macht Nikotin so speziell?
Horst Bork: Als ich 2022 das erste Mal von ihm etwas gehört habe – da hat mir jemand aus Wien ein Band geschickt - hat mich das elektrisiert. Es klingt frisch, neu unverbraucht. Das Naturel und den Ehrgeiz den er hat finde ich toll. Er vereint vieles, was andere nur in Spurenelementen haben. Und kann das auch abrufen. Das passt gut in die Zeit. Diese unzähligen Falco Vergleiche lasse ich somit nur beim Erfolg gelten, denn den wünsche ich mir auch. Aber musikalisch ist er ganz anders
Woher kommen diese Falco Vergleiche? Weil viele nur in Schubladen denken?
Bork: So ist es. Ich kann mich genau erinnern: als Falco mit dem "Kommissar" startete, da gab es viele Stimmen, die meinten, das ist von Rick James gestohlen. Oder "Junge Römer" von David Bowie. Aber in der Musik wurde schon immer kopiert. Wenn man sich die ersten Springsteen Platten anhört dann ist das eine komplette Hommage an Roy Orbison. Sicher spielt da bei Nikotin auch Falco mit rein, weil er ihn inspiriert hat. Nikotin ist ja auch ein Falco-Fan, aber ihn 1:1 mit Falco abzugleichen passt nicht. Hier spielt es aber nicht „Jugend forscht“, sondern das ist wirklich starke Musik. Das macht ihn auch aus. Er ist ein wahnsinnig schneller Schreiber Der schläft wohl unter dem Mischpult. Im Gegenteil zum Hans, der ja ein Phlegmatiker war.
Nikotin muss man da eher einbremsen?
Bork: Er ist von einer großen Schaffenskraft und die Grundeinstellung passt. Ihm ist nichts zu viel und er hat ein feines Gespür. Er kann und er will.
Ist das der Grund, warum Sie sich das noch einmal als Manager „antun“?
Bork: Ja. Das spielt mit rein. Auch dass man ihn manchmal bremsen muss.
Bei seiner neuen Hymne „Kaiser von Österreich“ haben sie auch am Text mitgefeilt. Weil Ihnen das so wichtig war?
Bork: Ich habe ihn in die meiner Meinung nach richtige Richtung gewiesen. Meine Grundidee war der "Kaiserwalzer" zu Beginn. Nicht weil wir das bei „Vienna Calling“ schon mal gemacht hatte, sondern weil es da passt. Viele sagen, das ist ein Schlager, aber das englische Wort für Schlager ist Pop-Musik. Das haben Hits so an sich, dass sie manchmal auch einen Kinderreim haben.
Kann das auch in Deutschland Erfolg haben?
Bork: Ich glaube, dass das schnell über den Walserberg gehen kann. Diese Nummer ist für das Radio gut geeignet. Er hat ja dieses Schönbrunner Deutsch. Den versteht man auch in Hamburg noch gut. Nicht so wie den Wolfgang Ambros. Bei ihm passt alles sehr gut. Da ist viel da. Ich kenne ja das gesamte Material und das hat mit Falco soviel zu tun wie ich mit üppigem Haarwuchs. Er ist wie eine Wundertüte in der nur gute Dinge drinnen sind.
Was würde Falco zu ihm sagen?
Bork: Mit dem mache ich was! Hans hätte sicher ein Duett mit ihm gewollt. Das war genau seine Kragenweite. Aber er ist sich oft im Weg gestanden. Hans war ja an sich nicht der fleißigste. Und wenn dann hat er am Text rumgeschraubt. Musikalisch hat er immer wie ein Vampir frisches Blut gebraucht. Ponger, die Bollands, Gunther Mende, Alexander C. Derouge. Das war die größte Aufgabe: ihm immer die richtigen „Dealer“ zuzuführen. Doch bei Nikotin braucht es das nicht.
Auch das Video zu "Kaiser von Österreich" ist herausragend. Und sicher nicht billig
Bork: Viele Plattenfirmen sagen ja heutzutage, dass sie Musikvideos nicht brauchen. Ich denke, dass man das sehr wohl braucht.
Könnte das auch außerhalb des deutschsprachigen Raums funktionieren?
Bork: Das könnte sein. Wir testen das jetzt mal langsam ab. Ich habe ja nach wie vor gute Verbindungen in die USA und nach England. Vielleicht muss man den Text etwas umbauen, aber die Engländer lieben ja solche Songs. Das ist ein Gassenhauer. Aber ich denke, wir müssen zuerst einmal Österreich, Deutschland und die Schweiz packen. Dann Holland, das südliche Dänemark, Italien. Und dann kann man sich um den Rest kümmern.
Das klingt nach einem längerfristigen Projekt.
Bork: Ja, der tanzt länger als einen Sommer. Und die Plattenfirma will ja allein in diesem Jahr 12 Songs rausbringen. Da wird ständig Bewegung sein.
Eine Bewegung die Nikotin ja auch auf Instagram beherrscht
Bork: Er macht Dinge, die Leute die drei vier Jahre im Geschäft sind, nicht machen. Und das zeichnet ihn auch aus. Da hat er einen guten Ehrgeiz.
Fragt man sich da nicht: Wo hat der denn die ganze Zeit vorher gesteckt?
Bork: So viel ich weiß, hat er alternative Projekte in Salzburg gemacht. Irgendwo muss er diese Erfahrung ja her haben, denn man kommt ja so nicht auf die Welt. Er hat sich sicher irgendwo eine Menge Hörner abgestoßen und die transportiert er in die Zukunft. Andere sind dann ja so niedergeschlagen, dass sie dann nur depressive Songs schreiben und zum Psychiater müssen. Das hat er nicht.
Ist er Kritik-fähig?
Bork: Ja, aber ich habe noch nie einen Künstler gekannt, der zu allen nur Ja und Amen gesagt hat. Vor allem beim Hans: Kriegsjahre zählen doppelt (lacht). Bis man den von etwas überzeugt hat. Auch von "Rock Me Amadeus": „Das singe ich nicht! Ich bin ja keine Mozartkugel.“ Das glaubt man nachher gar nicht, aber es war so. Auch beim Kommissar gabs Widerstand. Aber Nikotin schreibt solche großen Nummern mit großer Regelmäßigkeit.
Falco ist sich wohl selbst ziemlich im Weg gestanden
Bork: Oft. Er ist auch während des Laufens oft stehen geblieben und hat alles wieder neu hinterfragt. Er war, wie John Lennon, von großen Selbstzweifeln geplagt.
Verwundert, dass Falco in Österreich noch immer diesen Stellenwert hat?
Bork: Er hat ja ein Anbetungs-Verhältnis, dass sogar schon über Sisi liegt (lacht). Aber er war nun mal der größte Star und Österreich liebt seine Helden länger und tiefer als der Rest der Welt. Und er hat es auch verdient: Seine Songs klingen noch immer frisch und gut. Die wird man auch noch lange hören.
Ihre Lieblings-Anekdote mit Falco?
Bork: Wir habe uns mal in Los Angeles getroffen. Das war eine Phase, wo er nichts getrunken hat und spindeldürr war. Wir gingen zum Mexikaner. Essen. Ich bestelle ein Bier. Sagt er: „Weißt du eigentlich, wie gefährlich Alkohol ist? Wie kannst du nur ein Bier trinken.“ So war er: vom Saulus zum Paulus und wieder zurück.
Was würde Falco heute machen?
Bork: Hans würde heute wie Rammstein klingen! Das würde ich mehr liegen. Das Monumentale. Er wäre mehr bei Richard Wagner als bei Andre Heller.
Erinnern Sie sich noch an Ihre Anfänge im Musikbusiness?
Bork: Mein erster Künstler war Elton John. Der spielte im Vorprogramm von Long John Baldry und wurde jeden Abend von der Bühne gepfiffen. Er saß dann weinend in der Garderobe und sagte „Morgen gehe ich nicht mehr auf die Bühne.“ Er hat aber weiter gemacht und dann vier Wochen später „Crocodile Rock“ abgeliefert. Da habe ich gelernt, wie das Geschäft funktionieren kann.
Ist das Business heute einfacher oder schwieriger geworden?
Bork: Einerseits einfacher, weil man vieles allein machen kann und für 5.000 Euro zwei tolle Songs produzieren kann. Andererseits schwerer, weil es nicht mehr so viel Geld gibt. Bei Falcos „Junge Römer“ hatten wir ein Budget von 400.000 Mark und hatten die Platte damit noch immer nicht fertig. Da wird einem heute die Türe gewiesen. Es gibt heute andere Möglichkeiten, aber wenn die Nummer nicht stimmt, dann nützt alles nichts. Derr Song macht die Musik und nicht das Make-Up oder die Hair-Extensions. Und das kann Nikotin. Das hat auch Hans gehabt, aber auf Umwegen.
Horst Bork beim Interview mit INSIDER-Reporter Thomas Zeidler-Künz.