Das große Interview

Nikotin: "Fühle mich als Rockstar, Kasperl und Marionette!"

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Auf oe24.TV spricht Austropop-Durchstarter Nikotin über seine Hymne "Kaiser von Österreich", die ständigen Falco-Vergleiche, die Lust am Exzess, die großen Pläne und seine Todesängste: "Ich glaube, dass ich das nicht überlebe, wenn ich weiter mit soviel Vollgas in der Musik bleibe!" 

Sie gelten als neues Wunderkind des Austropop
Nikotin:
Es freut mich, dass das gut angenommen wird, denn selbst ist man ja immer selbstkritisch und gestresst: ist das wirklich gut oder bin ich einfach nur wahnsinnig und rede mir das nur ein.

Sind Sie mit der Resonanz zufrieden?
Nikotin:
Es kommt gut an. Was überraschenderweise noch besser ankommt ist mein Social-Media-Auftritt. Je dümmere Sachen ich poste, desto krasser wächst mein Account. Ich habe das Gefühl, egal wie hitverdächtig ein Song auch ist, wenn ich etwas superdummes mache geht das noch besser. Ich habe jüngst Zigaretten gebügelt oder in der Otto Wagner Villa erklärt, dass der Boden von Ikea ist. Dafür gab es über eine Million Aufrufe.

Fragt man sich da nicht: Warum mache ich da eigentlich noch Musik und nicht nur den Internet-Kasperl?
Nikotin:
Genau. Doch Musik machen ist irgendwie doch schöner. Es ist jedoch verrückt, dass es ohne Kasperl-machen nicht mehr geht.

Wie kommt es zum Künstlernamen Nikotin?
Nikotin:
In dem man Kettenraucher ist, Sau viel Kaffee trinkt und auf der Suche nach einem Namen ist, der ein Popstar-Name sein könnte. Und dann passt es: Ich habe meine größte Sucht zu meinem Leitbild gemacht. Ich habe das auch tätowiert. Ich kann auch nicht weg davon: Entweder Zigaretten oder schwere harte Drogen. Und da sind Zigaretten noch das Bessere.

Seit wann machen Sie eigentlich schon Musik?
Nikotin:
Sau lange! Ich habe Pausen gehabt, wo ich nur fotografiert habe. Oder nur gemalt habe. On-off. Nur Musik mache ich die letzten 2, 3 Jahre. Und bin happy damit. Ich verbringe meine ganze Zeit meist in irgendwelchen dunklen Räumen und schreibe Musik. Oder ich werde von A nach B gekarrt. Wie das Pferd, das man herzeigt. Aber ich schreibe lieber Musik!

Fühlen Sie sich als Rockstar?
Nikotin:
Ich fühle mich zum Teil als Rockstar, zum Teil als als Kasperl, zum Teil als als Marionette, zum Teil als Popstar und zum Teil als verrückter Typ, der einfach nur gerne Lieder schreibt. Und das bin ich am Liebsten.

Warum fühlen Sie sich als Marionette?
Nikotin
: Weil man heutzutage viele Sachen machen muss, die man zum Teil gar nicht machen will. Am liebsten wäre es mir wie in den 80er Jahren: Ich sitze daheim. Mache Songs. Veröffentliche die. Dann verkauft man wahnsinnig viele Platten und davon lebt man. Und dann geht man auf Tour. Doch das geht sich einfach nicht mehr aus. Es ist ein komplettes Vermarktungs-Ding dahinter. TikTok. Instagram. Komplett crazy!

Aber Sie können davon leben?
Nikotin:
Man kann davon leben. Ja. Wenn man eine gescheite Plattenfirma hat. Ohne die geht es nicht!

Wie haben Sie die überzeugt, dass sie das ganze Geld auf Nikotin setzen?
Nikotin:
Ich hatte Glück. Die haben den Sound gehört und wohl gedacht: Der Sound ist fresch. Der Sound ist gut und der Typ ist verrückt. Das könnte sich irgendwie ausgehen. Ich bin sehr glücklich darüber.

Sie werden immer gerne mit Falco verglichen. Ein Vergleich der nervt? Oder sagen Sie: besser als Gabalier?
Nikotin:
Mir ist Falco viel lieber als Gabalier. Hansi Hinterseer wäre noch geiler. Aber es regt wohl jeden Musiker auf mit jemand verglichen zu werden. Schön ist es wenn Vergleiche kommen, weil da weiß man, dass man etwas richtig gemacht hat. Wenn keine Vergleiche kommen, dann ist man entweder ein super krasses Genie oder hat etwas falsch gemacht. Die Falco Nähe. Ich verstehe sie, aber ich denke, das wird sich regeln wenn mehr Songs da sind. Momentan ist es so, dass ich glücklicherweise jedes Monat einen neuen Song veröffentliche. Und nach 10 oder 12 Songs können sich die Leute dann ein neues Bild machen.

Nikotin:
© zeidler
× Nikotin:

Aktuell sind sie mit „Der Kaiser von Österreich“ am Start. Was würden Sie denn als Kaiser in Österreich ändern?
Nikotin:
Ich würde mich viel mehr für die Kunst und die Kultur einsetzen. Schauen, dass es den Leuten gut geht. Die Verbrecher einsperren und einfach einmal aufräumen

Die Politiker alle rauswerfen?
Nikotin:
Rauswerfen ist so extrem. Aber ich würde bei allen Mal genauer in die Konten reinschauen, was da möglicherweise los ist. Vielleicht findet man ja was. Wenn nicht ist ja ohnedies alles gut.

Das Video dazu ist sehr plakativ!
Nikotin:
Ich habe sehr lange am Song herumgeschraubt. Drei Wochen. Normalerweise brauche ich ja nur ein paar Tage. Doch niemand kann diesen Song wirklich verstehen, wenn er nicht visuell tragbar ist. Ich spiele einen modernen Kaiser, ziehe dafür auch ein fettes Ballkleid an und rocke das einfach durch. Aber die nächsten Videos werden alle rauer, dreckiger und schmutziger. Dann kommt die Kunst auch wirklich zum Vorschein.

Im Video tragen Sie auch einen Hermelin-Mantel. So wie einst Falco
Nikotin:
Man muss ein bisschen provozieren und anecken. Musik ohne Kanten ist schwierig. Das mag ich privat auch nicht.

Dazu haben Sie im Video auch eine Pistolen-schwingende Sisi dabei
Nikotin:
Das war meine Idee. Dafür wurde ich vor dem Dreh auch ausgelacht. „Warum muss die eine Pistole haben?“ Aber ich fand das schräg. Wenn sie eine Pistole hat, aber eben niemanden erschießt. Sisi war ja eigentlich absurd crazy. Und das wollte ich verbildlichen.

Sie tragen da auch Frauenkleider
Nikotin:
Ja. Ich trage hin und wieder Frauenkleider.

Auch privat?
Nikotin:
Kommt auf die Uhrzeit an und was passiert. Aber es ist schon passiert. Und ich finde es ur schräg. Weil man hat so wenig Platz und es gibt so viel Luft. Ich trage aber lieber Hosen.

Nikotin:
© zeidler
× Nikotin:

Wann kommen neue Songs?
Nikotin:
Jeden Monat jetzt! Der nächste Song kommt schon am 12.April. „Goldener Traum“. Da geht es darum, dass man die schönste Frau der Welt trifft. Eine Art Fata-Morgana. Und mit der hat man einen harten Exzess. Geht feiern und am Ende kriegt man sie doch nicht. Es ist nur diese Vorstellung. So wie im TV oder auf Instagram. Wo man dieses Supermodel sieht und einen Moment lang denkt: WOW. Und dann weiterscrollt. Es ist ein guter Song. Schauen wir was der macht.

Sind Sie mit dem Erfolgs-Level zufrieden oder geht da noch viel mehr?
Nikotin:
Ich bin selten zufrieden. Und ich würde mir wünschen, dass viel mehr geht. Erzwingen kann ich es nicht: das ist ein Marathon. Kein Sprint. Ich kann nur Song für Song bringen und schauen wohin die Reise geht. Nummer eins wäre natürlich ein Wahnsinn. Das passiert aber nur wenn es sein soll.

Ist das eine Musik, die man auch in Amerika hören könnte?
Nikotin:
Ich glaube, wenn ich einen Song für Amerika machen würde müsste ich noch mehr englische Wörter reinbringen und ich glaube, dann müsste das ganze mega-glatt sein oder HipHop oder Trap. Trap mache ich vielleicht einmal. Total glatt sollen andere machen. Das geht sich für mich nicht aus. Für mich ist es immer rough und dirty.

Rough und dirty ist es wohl auch auf der Konzertbühne: Sind sie ein Bühnentier?
Nikotin:
Bei mir passiert etwas auf der Bühne. Wie eine Zündschnur. Ich kann da gar nicht anders, außer dass ich mich dem Ganzen komplett hingebe. Ich freu mich auf mehr Konzerte. Ich hätte Lust jede Woche 2, 3 Konzerte zu spielen.

Ihre Tour-Pläne?
Nikotin:
Im Sommer sind ein paar fette Sachen geplant und im Herbst wird es wohl eine Tour geben. Es ist der Prozess. Das Projekt ist immer mehr am Wachsen ist, aber es ist noch nie soweit, dass jeder in Österreich sagt er kennt Nikotin und würde sich ein Ticket kaufen.

Nikotin:
© zeidler
× Nikotin:
 

Sie haben dafür einen sehr wichtigen Partner: Ihr Manager ist Horst Bork, der ja schon Falco managte…
Nikotin:
Ein gemeinsamer Kontakt hat uns vermittelt. Seitdem sind wir quasi unzertrennlich. Ich schätze ihn sehr. Er ist eine Komponente. Es ist jedoch ein großes Team. Ich habe das Glück, dass ich der Mittelstürmer bin. Aber ohne die ganze Mannschaft könnte ich niemals ein Tor schießen!

Aber Sie haben den Zug zum Tor?
Nikotin:
Europameister wäre ein Wahnsinn. Weltmeister? Ich weiß nicht ob ich das aushalten würde.

Sind Sie Fußball-Fan? Schauen Sie die Spiele?
Nikotin: 
Am Abend bin ich immer super im Arsch. Weil meine Tage so hart sind. Da schaue ich Netflix. Irgendeinen Scheiß. Was seichtes. Wo es um nichts geht. Und dann schlafe ich oder lasse den Tag Revue passieren. Und dann liege ich wieder wach. Hin und wieder stehe ich auf und mache mitten in der Nacht Musik. Was nicht so gesund ist. Es ist ein hartes Business.

Rock N‘ Roll ist kein Schaukelstuhl: Ist es noch immer so, dass man den Fernseher aus dem Hotelzimmer wirft?
Nikotin:
Zu mir sagt man: Bitte mache es noch nicht. Aber ich werde es machen. Ich muss es machen! Fernseher aus dem Hotelzimmer werfen. Scheißegal ob es richtig ist. Aber ich will es machen. Ansonsten ist es leider eine abgespeckte Version von dem was mal war. Die Leute glauben aber schon, dass da etwas besonderes passiert und sie irgendwas von dir haben können. Die Mädels, die glauben dass der Typ spannend ist. Oder Leute die Fotos wollen oder Fragen habe. Wenn ich Insta aufmache, dann kommt da eine Flut von Bullshit. Aber ich antworte, denn sonst wäre es unhöflich. Es ist viel. Es ist wild. Und ich denke, wenn man sich da nicht einigermaßen unter Kontrolle hält dann kann man nur untergehen. Voll im Exzess sein. Das geht dann vielleicht ein paar Jahre gut. Und dann muss man oft auf Entzug gehen. Das ist schon die Realität. Ich habe schon oft gehört: „Hast du dir da gut überlegt was du da machst?“ Und ich sage. „Nein“. Weil ich muss das machen.

Mit allen Konsequenzen?
Nikotin:
Ich glaube, dass das meine Bestimmung ist. Momentan auf alle Fälle. Ich wünsche mir, dass ich mich nicht täusche.

Werden Sie auf der Straße erkannt? Angesprochen? Angepöbelt?
Nikotin:
Alles. Es kommt darauf an wo ich bin und was ich trage. Ich bin allgemein ein paranoider Typ. Meine Traumvorstellung wäre einfach nur Musik machen und da lenkt das ganze Beiwerk ab. Sobald die Musik leidet hat alles andere keine Stellenwert mehr. Also schreiben, schreiben, schreiben. Bis ich nicht mehr kann.

Im Video zum Song „1010“ spielt auch Richard Lugner mit
Nikotin:
Wir haben ihn angerufen und er hat gesagt er ist dabei. In Nachhinein glaube ich, er wusste nicht wirklich auf was er sich da einlässt. Es war voll leiwand mit ihm. Er ist ein cooler Typ. Ich bewundere ihn. Wer mit 91 so fit sein kann und die Kraft hat so viel zu machen. Wenn es eine Möglichkeit gibt, dass er wieder mal dabei ist wäre das cool. Ich habe ja vor kurzem gesehen, dass er auch Frauenkleider trägt. Ich hätte ihn voll gerne als Fee dabei.

Vielleicht nimmt er Sie ja mal zum Opernball mit?
Nikotin:
Da komme ich sofort mit. Aber ich glaube, dass er mich niemals fragen wird, weil er ja nur weibliche Gäste einlädt.

Wo sehen Sie sich in 10 Jahren?
Nikotin:
Ich habe keine Ahnung. Dass ich nicht sterbe. Dass ich mich irgendwie breche. Dass ich mir voll die Kante gebe und nicht mehr Herr meiner Sinne bin. Ich glaube - Hand aufs Herz - dass ich das nicht überlebe, wenn ich weiter mit soviel Vollgas in der Musik bleibe! . Momentan geht es Woche für Woche. Doch wenn der totale Hit kommt, weiß ich nicht wie es mir geht. Ich wünsche es mir, aber ich weiß nicht wie es dann ist.

Wo wir wieder bei Falco wären: Er ist ja am Erfolg von „Rock Me Amadeus“ zerbrochen..
Nikotin:
Ja leider. Er ist sicher daran zerbrochen. Sicher auch daran, dass er bei der Japan Tour fertig war und deshalb die Amerika Tour abgesagt hat. Weil er gesagt hat er braucht eine Pause. Und damit war Amerika vom Tisch. Schade. Echt schade. Ich versteh auch nicht warum „Junge Römer“ gefloppt ist.

Nikotin:
© zeidler
× Nikotin:
 

Hätten Sie gerne mit Falco gearbeitet oder hätten Sie sich das gar nicht getraut?
Nikotin:
Ich hätte es gerne gemacht, aber ich mich sicher gefürchtet: Ist er wieder Kinski? Oder tut er nur so wie der Kinski? Es wäre ein Wahnsinn gewesen, wenn das möglich gewesen wäre. Ich hätte generell so große Lust auf ein Feature. Und ich suche und suche dafür. Es kommt mir aber zu wenig unter. Für die Leute, die mir unterkommen ist mein Projekt noch zu klein. Aber das kommt ja vielleicht noch.

Wer würde Sie reizen?
Nikotin:
Nena würde ich sau geil finden. Udo Lindenberg kann ich ja nicht mehr machen, wegen Apache 207. Das hätte super gepasst. Hansi Hinterseer. Ich glaube das traue ich mich nicht. Wenn er Lust hat, dann würde ich mit ihm schifahren gehen. Und dann aufnehmen (lacht).

Zurück zu den Erfolgs-Ängsten: Wer erdet Sie, dass das nicht wirklich fatal endet?
Nikotin:
Ich erde mich. Ich versuche, dass ich wirklich im Reinen mit mir bin. Das ist wirklich schwierig, aber ich mache viel Sport. Denn ich weiß nicht, was ich sonst machen soll. Oder malen. Mantren sagen. Sonst habe ich das Glück, dass ich ein paar wirklich enge Freunde habe. Die sind gerade aus. Falls es passiert, dass ich abhebe, kommt sofort: „Hey, Alter pass auf! Wer glaubst denn,  dass du bist? Komm mal runter.“ Aber Momentan ist alles klein. Natürlich schreiben viele über mich: Popstar. Superstar. Fair enough. Aber wirklich Popstar ist man nur wenn man Zeit und Raum verliert. Weil man ständig unterwegs ist und überall erkannt wird.

Ihr Herz ist vergeben?
Nikotin:
Ja mein Herz ist vergeben. Zum Glück. Es geht sich schwer aus. Brutal. Keine Ahnung wie es wird wenn die Karriere wirklich abhebt. Ich bin momentan auf dem Weg dahin und man denkt sich immer, dass der Weg viel einfacher ist. Aber der Weg ist hart. Der ist schön. Er ist dreckig. Er ist wild. Man versucht, dass man damit genug Sachen kompensieren kann um dabei nicht unterzugehen.

Nikotin:
© zeidler
× Nikotin:

Nikotin mit oe24-Reporter Thomas Zeidler-Künz
  

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