"Teenager vom Mars"

Fettes Brot: Endlich neues Album

01.09.2015

Hip-Hop-Gruppe wollte "Maschinerie gar nicht mehr zum Erliegen" bringen.

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© Redferns/Getty
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"Endlich wieder Spaß, eure Lieblingsstars": Selbstbewusst sind sie, die Brote aus Hamburg. Auf Album Nummer acht stellen sich Dokter Renz, König Böris und Björn Beton alias Fettes Brot als "Teenager vom Mars" vor und geben sich keine Blöße. Doppeldeutige Texte, eine gehörige Portion Funk und viel Abwechslung bietet die Platte, für die man "das Eisen in relativ kurzer Zeit geschmiedet" habe.

Befreite Gedanken
"Wir haben dieses klassische Jahr Nichtstun gestrichen und direkt weiter gemacht", sagt Dokter Renz (Martin Vandreier) über die Zeit nach dem Vorgänger "3 is ne Party" (2013). "Wir wollten damit erreichen, den Fluss der letzten Platte und die damit ins Rollen gekommene Maschinerie gar nicht mehr zum Erliegen zu bringen." Wobei man recht frei ans Werk gegangen sei, wie sein Kollege König Boris (Boris Lauterbach) im APA-Gespräch ergänzt: "Wir wollten einfach mal machen und haben uns daher gesagt: Scheiß drauf! Kein roter Faden, kein Konzept, gar nichts. Dieser Gedanke hat mich sehr befreit."

Nun ist das Endergebnis zwar eine wilde Mischung, dabei aber keineswegs beliebig oder für die sich gerne dem Pop zuwendende deutsche Rap-Formation aus dem Rahmen fallend. "Diese Genre-Überlegungen haben wir schon vor längerer Zeit abgelegt. Uns da groß Gedanken zu machen, führt einfach zu nichts. Die Leute sehen das so, wie sie das wollen", erläutert König Boris. "Wir waren immer schon Leute, die die Grenzen ein bisschen ignoriert oder übertreten haben. Und letztlich haben wir das Gefühl, dass wir dadurch im Laufe der Zeit unser eigenes Genre geworden sind. Wie Dokter Renz in 'K.L.A.R.O.' sagt: Super-lässig zeitloser Pop."

Und dieser wird breit gefächert serviert: Vom knalligen Titelsong über den reduzierten Funk in "Mein Haus" und das soulige, ganz einem traditionellen Hip-Hop-Anspruch verpflichtete "Du bist the Shit" bis zum melodiösen Porträt "Emmely" über jene Berliner Supermarkt-Kassierin, die wegen zwei Pfandmarken im Gesamtwert von 1,30 Euro gekündigt wurde und dagegen vor Gericht durch alle Instanzen ging. "Wir sind seit jeher Fans von starken Frauenfiguren", bemerkt dazu König Boris. Nur sollte man sich nicht unbedingt einen Party-Knaller im Stile von "Emanuela" oder "Bettina, zieh dir bitte etwas an" erwarten. An derart plakativen Wiederholungen sind Fettes Brot keineswegs interessiert.

"Man darf sich auch nicht verkrampfen und muss nicht mit jedem Lied das Rad neu erfinden", erklärt Dokter Renz. "Aber natürlich war das immer der Antrieb: Mal kucken, was noch so geht. Wir sind Fans davon, die eigenen Darlings zu killen. Wenn etwas zu vertraut daherkommt, dann gibt es eine Kontrollinstanz. Nichts gegen erste Ideen, aber vielleicht kriegen wir das noch geiler hin." Durch diesen offenen Ansatz hat sich die Gruppe, die Mitte der 1990er mit Songs wie "Nordisch by Nature" oder "Jein" durchstartete, von Anfang an mit Szene-Puristen angelegt.

"Variety is the spice of life, hab ich immer gedacht", grinst König Boris. "Aber ja, da gab es schon einiges auszufechten mit der Hip-Hop-Szene, als alles noch viel strenger war. Da haben wir uns viel Unmut aufgehalst und viel Kopfschütteln geerntet." Mittlerweile sei aber sowohl bei Künstlern wie Hörern eine Veränderung bemerkbar. Hip-Hop habe sich geöffnet, andere Genres beeinflusst und sich gleichzeitig etabliert. "Je länger alle merken, dass das nicht mehr weggeht, desto entspannter werden auch die Protagonisten", ist sich König Boris sicher. "Speziell im deutschen Hip-Hop herrscht derzeit eine Vielfältigkeit, die gut tut."

Apropos Vielfältigkeit: Die spiegelt sich letztlich auch im Albumtitel wider. "Da gibt es zwei Aspekte", so König Böris. "Einerseits das platt Humoristische, weil wir für Teenager natürlich zu alt sind. Aber auf dem Mars ticken die Uhren anders. Und dann der Perspektivenwechsel, dieser Blick von außen auf uns, auf die Welt, auf das Geschehen. Dieses Motiv des Außenseiters zieht sich sowieso wie ein roter Faden durch unser Schaffen - aus Gründen, die vielleicht ein Psychologe irgendwann mal klären kann", lacht der Rapper. Aus dem Lied wurde zum ersten Mal in der Karriere der Gruppe auch der Plattentitel. "Und gemeinsam mit dem Artwork ergibt das jetzt ein stimmiges Bild - ohne dass wir das als Konzept vorgesehen hätten", meint Dokter Renz.

In gewohnter Manier gehen Fettes Brot auch aktuellen politischen Themen nicht aus dem Weg. "Das ist ein natürlicher Prozess. So funktioniert unsere Musik", betont König Boris. "Das, was uns menschlich bewegt, findet auch Niederschlag. Ich kann mich über AfD und Pegida wahnsinnig aufregen. So ist es fast schon ein Privileg, ein Ventil dafür zu haben, wo einem Leute auch noch zuhören. Wir betrachten es schon als unsere Aufgabe, bestimmte Sachen, die uns auffallen und die schief laufen, anzusprechen - auch wenn wir nicht immer eine Lösung parat haben. Und natürlich gibt es Themen, denen man in einem dreiminütigen Popsong nicht gerecht wird. Aber manchmal funktioniert es halt doch."

 

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