Premiere

"Gräfin Marizza" verzaubert Volksoper

24.03.2014

Astrid Kessler und Carsten Süss gefielen in den zentralen Partien.

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© APA/HERBERT PFARRHOFER
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Dem Jubel bei der gestrigen Premieren nach zu schließen, hat die Volksoper Wien mit ihrer Neuproduktion des Kalman-Klassikers "Gräfin Mariza" ganz den Geschmack ihres Stammpublikums getroffen: Eine von keinerlei Aktualisierungs-Ehrgeiz getriebene Regie (Thomas Enzinger), eine perfekt geölte Operetten-Maschine und ein knalliger Auftritt des Direktors ließen anscheinend keine Wünsche offen.

Stück über verarmte Adelsfamilie
Es ist erstaunlich, doch war die "Gräfin Mariza" bei ihrer Uraufführung im Jahr 1924 im Theater an der Wien ein durchaus aktuelles Zeitstück: Verarmte Adelsfamilien, die gezwungen waren, nach dem Krieg ihre Güter zu verkaufen und bürgerliche Berufe anzunehmen, gab es zuhauf. Regisseur Enzinger, der bereits 2008 im Bühnenbild seines Lieblingsausstatters Toto eine ansprechende "Gräfin Mariza" im Salzburger Landestheater inszeniert und 2011 mit "Wiener Blut" auch an der Volksoper großen Erfolg hatte, hat sich nicht auf die Suche nach heutigen Bezügen begeben und der Operette nur einen unaufdringlichen Rahmen verpasst.

Dummheit der Erwachsenen  

Ein kleines Mädchen (Leonie Dareb) lässt sich von Diener Tschekko (Michael Gempart) die Liebesgeschichte zwischen dem als Gutsverwalter arbeitenden verarmten Graf Tassilo und der umschwärmten Gräfin Mariza erzählen und kommentiert immer wieder die Dummheit der Erwachsenen, die nicht auf ihre Gefühle hören wollen. Das genügt für eine Mini-Distanz zum tadellos abschnurrenden Bühnengeschehen, das Alexander Rumpf, der neue Chefdirigent des Tiroler Landestheaters, vom Volksopernorchester mit viel Schmelz und Schmiss begleiten lässt.

Wildes Treiben auf der Bühne
Im drehbaren Landschloss-Ambiente wird gesungen , getanzt und gespielt, als gäbe es kein Heute und kein Morgen, da fiedeln die Zigeuner ("Komm, Zigan", heißt einer der Hits dieser Operette) unberührt von allen Political Correctness Diskussionen, da sehen die männlichen Mitglieder des Zigeuner-Balletts fast alle aus wie Austrofred und scheint Annely Peebo als handlesende Zigeunerin der Vitrine eines Völkerkunde-Museums entstiegen.

Hausdebütantin Astrid Kessler gefeiert  
Es gibt sehr hübsche Effekte wie den Ballettauftritt eines Dutzends Doppelgänger des sich als Baron Koloman Zsupan ausgebenden betrügerischen Provinzmimen (Boris Eder erweist sich einmal mehr als Multitalent) oder einen Luftballonflug. Und es gibt mit der deutschen Hausdebütantin Astrid Kessler als dauerrauchende Mariza und Carsten Süss als Tassilo, der Verwalter ihres Herzens, zwei tadellose Interpreten der beiden zentralen Partien, ergänzt von einem weiteren Hausdebütanten, Toni Slama als ebenfalls nach der Gunst Marizas schmachtenden Fürsten Populescu.

Chef des Hauses auch auf der Bühne

Ja, und dann gibt es natürlich noch den Chef des Hauses. Robert Meyer ist nicht nur der Erste Komiker der Volksoper, sondern auch der Abräumer vom Dienst. Also wird sein Auftritt als Kammerdiener Penizek (den bei der Volksopern-Erstaufführung 1925 Hans Moser verkörperte) bis zum Exzess verblödelt, mit in den Text eingebauten Stücktiteln sonder Zahl (der Kammerdiener war in seinem Erstberuf Theaterkritiker) und heftig akklamierten Anspielungen zur Burgtheater-Krise. Bewunderungswürdig trocken interpretiert dagegen an seiner Seite Helga Papouschek Tassilos dank ärztlicher Kunst für immer jung bleibende Tante Bozena, die in dieser Fassung in Populescu ihren alten Verlobten erkennen und endlich erhören darf.

Resümee
Ende gut, alles gut. Das Publikum zeigte sich begeistert von der Gelegenheit, vor allem lachen zu dürfen und nicht nachdenken zu müssen. Die nächste Probleme kommen ohnedies früh genug. Das mag sich an diesem Abend durchaus nicht nur im Publikum, sondern auch auf der Bühne so mancher gedacht haben.

Info
"Gräfin Mariza" von Emmerich Kalman, Text von Julius Brammer und Alfred Grünwald, Regie: Thomas Enzinger, Bühnenbild und Kostüme: Toto, Choreografie: Bohdana Szivacz, Dirigent: Alexander Rumpf, Chor und Orchester der Volksoper Wien, Wiener Staatsballett, Volksoper Wien, Nächste Vorstellungen: 25., 30.3., 1., 8., 16.4., Karten: 01 / 513 1 513, www.volksoper.at


 
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