"Ich habe viel ruiniert, in dem ich die Band verlassen habe."
Auf der Bühne kann er kaum eine Sekunde still stehen und ist schon ob seines extravaganten Outfits und teils düsteren Make-ups ein Blickfang. Abseits lauter Klänge, grellem Scheinwerferlicht und grölender Fans zeigt sich Wes Borland, seines Zeichens Gitarrist der US-amerikanischen Metalband Limp Bizkit, als aufgeräumter und zugänglicher Zeitgenosse. Im Rahmen des gestrigen Wienkonzerts gab es mit dem 36-Jährigen ein Gespräch über das neue Album "Gold Cobra", seiner neuerlichen Rückkehr zur Band nach dem Ausstieg 2005 und der Beziehung zu Sänger und Aushängeschild der Gruppe Fred Durst.
Fred Durst im Interview
2009 gab es ein Pressestatement von Fred und Dir, in dem ihr erklärt habt, eure Abscheu gegen aktuelle Rockmusik sei größer, als jene euch gegenüber. Deshalb sei es zur Wiedervereinigung gekommen.
Wes Borland: Oh, das. Da wir zu dem Zeitpunkt wieder auf Tour gehen wollten, aber kein neues Album hatten, wollten man von uns, dass wir etwas sagen. Wir wollten das nicht, sondern nur auftreten. Dabei kam eben dieses Statement heraus. Es ist wahrscheinlich zur Hälfte wahr und zur Hälfte nicht. Zu dem Zeitpunkt dachten wir ja nicht, dass wir wie Superhelden ein Comeback feiern. Niemand hasste eine Band so sehr wie unsere, also wollten wir etwas Unverschämtes sagen. Wir dachten, es wäre lustig.
Wie sieht heute die Beziehung innerhalb der Band aus?
Borland: Sehr gut, was eigentlich komisch ist. Viele Jahre lang war es einfach nur schrecklich. Ein Freund der Band, der auch unser Manager war, versuchte lange, uns wieder zusammenzubringen. Und eines Tages waren Fred und ich aufnahmebereit und sagten uns: "Setzen wir uns mal zusammen, trinken einen Whiskey und schauen, wo uns der Kopf steht." Ich wusste selbst nicht mehr, worüber ich eigentlich so böse war, warum ich all diesen Hass Fred gegenüber in mir hatte. Es war gut, die Band und die Beziehungen innerhalb von einer neuen, einer erwachseneren Perspektive aus anzugehen.
Ist eine derartige Spannung für kreative Köpfe vielleicht auch wichtig?
Borland: Das glaube ich schon, aber für uns ist es noch wichtiger, dass wir die Unterschiede anerkennen. Er ist gut in Sachen, die ich nicht kann, und umgekehrt. Wir wissen, dass der jeweils Andere genau das Fehlende abdecken wird. Vorher wollte jeder von uns alles machen. Jetzt vertrauen wir auf die Fähigkeiten des Anderen.
Waren die Aufnahmen zu "Gold Cobra" anders als früher?
Borland: Nicht wirklich. Wir arbeiteten nur länger an diesem Album. Ungefähr eineinhalb Jahre hatten wir immer wieder kleine Sessions. Wir lebten mit dieser Musik eine lange Zeit und haben immer wieder daran gearbeitet und etwas verändert. Insofern wurde dieses Album mit mehr Sorgfalt gemacht. Wir wollten uns aber auch nicht zu viele Gedanken machen. Es ist eigenartig eine Band zu sein, die so viel Druck vonseiten der Fans hat, gerade wenn es darum geht, alte Erfolge zu bestätigen. Auch weil wir so lange nichts veröffentlicht haben und mit "The Unquestionable Truth (Part 1)" eine Platte gemacht haben, die ein absolutes Desaster war. Vielleicht kommt aber irgendwann ein zweiter Teil, quasi das Yin zum Yang. Ich glaube aber, es wäre besser, das in der Vergangenheit begraben zu lassen.
Wie zufriedenstellend ist es, nach den vergangenen zehn Jahren wieder ein musikalisches Lebenszeichen von sich zugeben?
Borland: Natürlich ist das toll. Ich bin froh, dass wir am Ende nicht einfach in einer Staubwolke verpufft sind. Dass hätte vielen Leuten zwar sehr gefallen, aber es ist schön, eine zweite Chance mit der Band zu bekommen.
Kam für euch der Erfolg möglicherweise zu früh?
Borland: Wir sind ja keine große Band mehr. Wir sind eine Band, von der sich viele Leute verabschiedet haben. Jetzt müssen wir wieder dafür arbeiten und das zurücknehmen, was noch übrig ist. Also müssen wir auch wieder etwas beweisen. Ich habe viel ruiniert, in dem ich die Band verlassen habe. Jetzt bauen wir das wieder auf.
Würdest Du diese Entscheidung rückblickend gerne ändern?
Borland: Natürlich hätten die Sachen anders ablaufen können, aber wer weiß, wo wir dann jetzt stehen würden, und ob wir genau zu diesem Ort gekommen wären, wo wir jetzt stehen. Wahrscheinlich würde ich es dabei belassen. Immerhin ist diese großartige Platte entstanden.