Todes-Protokoll

Sie starb im Alk- und Pillenwahn

19.02.2012

48 Stunden feierte die Pop-Diva durch, dann starb sie in der Wanne.

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© Sony BMG, FilmMagic
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Los Angeles. Überrascht hat es wenige, trotzdem verharrte die Welt nach dem Tod der „Queen of Pop“, Whitney Houston (†48), im Schock: Eine ganze Generation wuchs mit ihrer einzigartigen Stimme auf. Jetzt lag sie regungslos in der Badewanne der Suite 434 des Beverly Hilton-Hotels. Ihr Tod: Zu früh, sinnlos, rätselhaft.

Pillenwahn
Schon monate­lang trank sie, nahm Drogen. Sie war frustriert, da ihre Stimme fürs Comeback nicht mehr reichte, hatte Panik: „Ich kann meine großen Hits nicht mehr singen.“ Ihr Millionenvermögen war verprasst.

Letzten Donnerstag begann ihr Ende: Verwirrt lief sie bei einem Pressetermin herum, chaotisch gekleidet, die Haare nass. Sie roch nach Alk und Zigaretten. Dann kippte sie im Tru Nightclub Tequilas, krächzte ein Duett mit Kelly Price. Im Rausch zankte sie mit Sängerin Stacy Francis, Gläser gingen zu Bruch, Blut spritzte auf die Beine.

Blaue Zunge
Freitag betrank sie sich in der Trader Vic’s Lounge mit Wodka. Um 3 Uhr früh brüllte sie vom Balkon: „Ich bin dieser Scheiße überdrüssig!“ Grauenhaft hätte sie ausgesehen beim Frühstück, so Gäste. Und wie oft bei schweren Katern warf Whitney das Antidepressivum Xanax ein. Sie trank Heineken und Sekt. Ärzte fassungslos: „Eine tödliche Kombi.“

Sie telefonierte mit Mutter Cissy (78), aß einen Hamburger, zog sich ins Bad zurück. Bodyguard Ray hörte sie singen – dann wurde es still. Ihre Tante Mary Jones fand sie: Ihr lebloser Körper halb in der Wanne, halb draußen, die Zunge blau. Helfer begannen mit der Wiederbelebung. Doch sie war längst tot.

Rudi Dolezal: "Sie war eine Diva der Superlative"
Der Wiener Filmemacher Rudi Dolezal drehte die 2000er-Tournee von Whitney Houston mit. In ÖSTERREICH erinnert er sich an den Weltstar.

Erinnerungen
Es war ein verregneter Sonntagnachmittag in Wien. Als der Anruf kam, saß ich in meinem Schneideraum in der Winckelmannstraße. Es war Clive Davis.

Der Entdecker und Mentor von Whitney Houston war ein guter DoRo-Kunde. Videos wie die für No Mercy, die mehrere Nummer-1-Hits in den USA hatten, verbanden uns. Clive hatte wieder einen, noch dazu gut bezahlten Job. Whitney war „Entertainer of the Decade“ in den USA geworden, konnte den begehrten Award aber nicht vor den Dutzend Millionen Zuschauern im US-Fernsehen in Empfang nehmen. Wir sollten sie in Deutschland auf ihrer gerade startenden Europa-Tournee 1999 filmen. Mit Live-Widmung für ihre US-Fans. Höchster technischer Aufwand – für nur einen Song.

Mädchenpensionat
Ich kannte Whitney seit ihren frühen Alben von mehreren Interviews und Dreharbeiten, damals eher schüchtern, zurückhaltend, wie eine artige Tochter aus einem Mädchenpensionat. Wir hatten uns auf Anhieb gut verstanden. Nun, bei den Dreharbeiten zum Tourneestart in Mannheim, war das alles sofort wieder da. Die Arbeit war rasch erledigt.

Das Live-Video musste schnell geschnitten werden, um dann per Satellit in die USA für die Live-Sendung überspielt zu werden. Wenige Tage später, es war ein weiterer verregneter Sonntagnachmittag in Wien, kam Superstar Whitney Houston samt Bodyguards und Managerin in meinen Schneideraum, um das Live-Video künstlerisch abzunehmen.

Die Angelegenheit dauerte fünf Minuten. Whitney war auf der Bühne sensationell gewesen, mein Team und ich hatten einen guten Job gemacht. „Super, Rudi, approved“, sagte die Managerin, „send it to USA.“ So einfach kann das sein. Auf das, was dann kam, war ich nicht vorbereitet: „What else can we do?“, fragten Whitney und ihre Managerin unisono, und ich nahm die Gelegenheit beim Schopf: „Ich könnte euch Ausschnitte von ein paar anderen Arbeiten von mir zeigen, Queen, Miles Davis oder Rolling Stones …“

Fucking great
Den Damen gefiel, was sie sahen. Nach fünf Minuten Stones und zehn Minuten Queen ließ Whitney den Film stoppen. „Rudi, this is fucking great, can you do a film like this about me?“ – „Selbstverständlich“, meinte ich, „wir können morgen anfangen.“ „Okay“, sagte Whitney, „dann also morgen, zwölf Uhr mittags in Köln.“ Das war der Moment, das Projekt war geboren.

Am nächsten Tag war ich mit meinem Kamerateam in Köln bereit. Zwölf Uhr, sie war da. Sehr konzentriert, ganz auf dem Punkt. „Was brauchst du, um mir die Qualität zu liefern, die ich bei dir gesehen habe?“ Ich sagte: „Absolutely Backstage. Absoluten Zugang zu allem, keine Zensur.“ Whitney nahm ein Blatt Papier und zeichnete darauf einen Backstage-Pass. „To Rudi Dolezal, anywhere I want to go.“ Der Pass für mein Team und mich, die Garantie, überall filmen zu dürfen.

Ein Erlebnis
Ihre Konzerte 1999 waren ein Erlebnis. Sie sang sich jeden Abend die Seele aus dem Leib. Ich habe viele Konzerte gesehen, ich habe noch nie so intensive Konzerte erleben dürfen wie damals. Whitney war intensiv, sie war professionell, sie gab jeden Abend alles. 1999 war meiner Meinung nach eine gute Phase ihrer Karriere. Ihre Stimme war noch nicht angegriffen von Substanzen. Sie war einfühlend, sensibel, zuvorkommend – einfach ein Schatz. Dann war sie wieder nervös, unsicher, bitchy – einfach ein Star.

Vorurteil
Um gleich mit einem Vorurteil aufzuräumen: Bobby Brown ist nicht für Whitneys Probleme allein verantwortlich. Ich habe intensive Liebe zwischen den beiden miterlebt, da war etwas ganz Eigenes, etwas Schönes. Natürlich habe ich auch Probleme miterlebt, doch der Gentleman schweigt. Ich kann nur sagen, ich habe Whitney nie Drogen nehmen gesehen.

Superlative
Die Zusammenarbeit mit Whitney Houston war ganz speziell, und ich kann und will über sie nichts Schlechtes sagen. Whitney war ein Weltstar, eine Diva der Superlative, ein Talent, wie es nur ganz selten zu finden ist. Für mich ist sie DIE weibliche Stimme des Jahrhunderts. Mit ihr zu arbeiten, war ein außerordentliches Privileg, für das ich ihr, Whitney, immer sehr dankbar sein werde, denn es war ganz allein ihre Entscheidung.

Legende
Wir hatten bis zuletzt Kontakt. Sie war aufgedunsen und ähnelte vom Aussehen her immer mehr Tina Turner. Bei unserer Zusammenarbeit war sie immer pünktlich und verlässlich gewesen, in den letzten Jahren bekam ich aber mit, dass sie oft Termine absagte oder Absprachen mit anderen in letzter Sekunde nicht einhielt. Was viele dem Alkohol und den Drogen zuschrieben.

Dann die Nachricht von ihrem Tod. 3.55 p.m., Los Angeles. Im Ballroom die Clive Davis Party, im 4. Stock, Zimmer 434, Whitney Houstons Leiche. Und plötzlich wussten alle schon immer: Sie ist eine Legende.

Aufmerksamkeit
Viele, auch hier in den USA, von wo ich diese Zeilen schreibe, haben keine Ahnung von Whitney und ihrer Geschichte. Ich denke mir: Wäre nur ein Bruchteil der Aufmerksamkeit, die man ihr nach ihrem Tod schenkt, für sie da gewesen, als sie noch lebte, sie wäre vielleicht noch am Leben ...

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