Talk zum neuen Hit
Wanda: „Mit dem Song »Therapie« habe ich meine Bestimmung erfüllt!“
21.02.2024Nach der Trauer-Ballade "Bei niemand anders" rocken sich Wanda auch mit dem neuen Hit "Therapie" in alle Herzen. Das Interview über Emotionen, Erfolgs-Druck und die eigene Therapie.
Wie geht es Ihnen nach all den Schicksalsschlägen?
Marco Wanda: Mir geht es nicht gut, aber besser. Ich komme aus der schlimmsten Zeit meines Lebens und ich kann das erste Mal seit Jahren einen neuen Release von uns genießen, denn die Veröffentlichungen in den Jahren 2022 und 2023 waren mehr als dramatisch. Jetzt ist es was anderes: ich habe einen inneren Frühling und nehme das ganze nicht mehr so unterkühlt zur Kenntnis. Mir ist durchaus bewusst, welches Geschenk es ist, dass ich das machen darf. Und das aus so einer schlimmen Situation so fantastische Musik entstanden ist. Ich bin echt stolz auf diese Nummer. Das ist echt eine geile Scheibe!
Sie treffen mit dem neuen Hit "Therapie", wie unzählige Online-Kommentare beweisen, wieder mitten in alle Herzen…
Wanda: Ich mache das seit 10 Jahren, aber ich habe mich den Leuten noch nie so verbunden gefühlt. Dieses Album und auch diese ersten zwei Singles decken Themen ab die ein jeder erlebt hat. Das ist total verbindend. Ich lese das aber nicht nur online. Ich höre das auch auf der Straße. Wenn mich Leute jetzt ansprechen, dann hat das eine völlig andere Qualität als früher.
Bei „Bei niemand anders“ wussten sie noch ganz genau wann und wie sie das geschrieben haben. War das bei „Therapie“ genauso?
Wanda: Nein! Das war ganz anders. Dieser Song war schwer zu knacken! Da bin ich wirklich lange gesessen. Ich hatte dieses Thema, dass einer sich ein bisschen ausgenützt fühlt. Dass ihm die emotionale Zuwendung fehlt, von jemand der ihm das nicht geben kann. Dieses Thema hat mich wochenlang verfolgt. Wir haben auch im Studio lange gebraucht, aber als es es dann fertig war wussten wir: Wow! Quite a Moment!
Ihre ersten Gedanken?
Wanda: Ich habe meine Bestimmung und meinen Job erfüllt. Ich habe Schmerz in etwas umgewandelt, das anderen vielleicht hilft. Dieser Song zieht ja nicht runter. Ganz im Gegenteil.
Wieviel Therapie haben Sie selbst gebraucht um solche Zeilen zu verfassen?
Wanda: Ich würde mein Leben gerade als einen einzigen Therapeutischen Prozess begreifen. Alles hat kein Ende und keinen Anfang. Das wird bleiben. Aber so lange daraus gute Musik entsteht ist alles ok. Das darf aber nie aufhören. Wenn das aufhört ist alles vorbei.
Musik ist für Sie also die beste Therapie?
Wanda: Mir hat mein Vater kurz vor seinem Tod noch etwas sehr interessantes gesagt: Ich darf nicht vergessen, dass ich im Leben einen sehr großen Vorteil habe: Egal was mir schlimmes passiert. Ich kann einen Song darüber schreiben. Das hat er immer als großen Vorteil im Leben gesehen.
Das ist aber oft gar nicht so einfach.
Wanda: Ich muss viel rauchen und trinken. Ich muss diese Strategie vielleicht irgendwann mal überdenken. Ich kann Songs nur ganz oder gar nicht. Ich kann mich nur mit Leib oder Seele verschreiben. Nick Cave hat das mal “einen herzzerreißenden Akt“ genannt. Und das stimmt. Man lässt sehr viel Substanz liegen. Gesund ist das sicher nicht.
An Song-Ende singen sie „Den Scheiß denn man lernt in Therapie“. Welchen Scheiß lernt man denn da?
Wanda: Jeder hat ein anderes Ziel in der Therapie, aber so weit ich das für mich begreife geht es darum eine Beziehung zu sich aufzubauen und wissen wo die eigenen Grenzen liegen: Nicht zu viel von sich zu verlangen. Und auch mal aus dem Stress und dem Weltgeschehen zurücktreten und auf sich zu schauen.
Was hat es mit der markanten Songzeile „Brauche den Sex nicht mehr“ auf sich?
Wanda: Das ist das Zentrum des Narrativs. Das macht es zum Love Song. Ohne diese Zeile wäre es drei mal schwächer.
Das ist also ein „Love Song“?
Wanda: Jaja. Alles was ich schreibe steht in der Tradition des Blues. Am Ende ist immer irgendwer traurig. Griechische Tragödien. Das ist auch der Anspruch. Wir wollen ja nicht Musik machen, die in einem Jahrzehnt stecken bleibt, sondern wir möchten etwas schaffen, das auch in 100 Jahren noch Bedeutung hat. Uns wird man vergessen haben, aber die Texte und die Musik werden bleiben
Hat Ihr Vater den Song „Therapie“ eigentlich noch gehört?
Wanda: Mein Vater hat auf bis auf „Bei niemand anders“ leider gar nichts mehr gehört. Ich bin mir aber sicher es hätte ihm sehr gut gefallen. Denn das ist ziemlich seine Musik: Er hat immer sehr komisch und außerhalb des Taktes getanzt zu unseren Sachen. Und da hätte er sich ziemlich bewegt dazu. Ich sehe es direkt vor mir
Man kann dazu auch tanzen?
Wanda: Wenn man tanzen kann kann man schon tanzen dazu.
Inwiefern sind diese beiden emotionellen Songs eine Referenz für das neue Album „Ende Nie“? Gibt’s da nur „Love Songs“ oder auch Party-Hymnen?
Wanda: Party-Hymnen glaube ich nicht. Die Platte ist noch nicht ganz fertig. Das kann sich noch entwickeln. Aber die beiden Song sind schon ein sehr viel sagender Vorgeschmack: Da geht es hin. Der Album Titel kam von Manu. Ein schönes Statement nach all dem was passiert ist.
Weil Sie Ihre Platten ja gerne mit den Beatles vergleichen? Welches Beatles-Werk ist „Ende nie“?
Wanda: „With The Beatles“. Ich glaube es ist in gewisser Weise unser Debüt, denn wir sind eine andere Band geworden. Das ist ein Debüt-Album. Es fühlt sich wie das Erste an.
Jedoch mit jahrelanger Erfahrung. Welche Dinge im Leben würden Sie heute anders machen?
Wanda: Ich hätte früher mit Therapie angefangen. Ich hätte mir ein paar Dogen und etwas Alkohol gespart, rückblickend. Aber andererseits egal in welches Jahr ich auch zurückblicke: der Typ, der ich war und dem ich dieses Leben verdanke, das ich jetzt leben darf, der war so derartig besessen, auf irgendeinem Trip und einer Mission um mir dieses Leben zu ermöglichen. Der hätte mir nicht zugehört. Er hätte immer nur gesagt: „Ich kann nichts anderes machen. Du wirst schon sehen. Das führt zu was.“ Selbst wenn ich etwas ändern wollte hätte ich nichts anderes machen können.
Mit „Bei niemand anders“ sind Wanda auch die großen "Amadeus"-Favoriten. Kein Song hat Österreich so sehr bewegt.
Wanda: Damit hat der Song seine Prophezeiung schon erfüllt. Ob er unbedingt einen Preis gewinnen muss weiß ich nicht. Der emotionaler Wert ist über die Brachenanerkennung zu stellen. Aber sollten wir gewinnen dann sage ich nicht nein.
Würde der Preise dann bei Ihnen einen Ehrenplatz erhalten?
Wanda: Ich habe das ganze Zeug immer meinem Vater geschenkt. Das wäre dann das erste Mal, dass es bei mir landet. Das würde ich mir mit gemischten Gefühlen irgendwo hinstellen, denn grundsätzlich bin ich nicht der Typ, der die ganzen Sachen aufhängt. Auch die ganzen Goldenen Schallplatten nicht. Ich habe mal vor Jahren sogar eine aus dem Fenster geschmissen. Im Suff. Weil es mich so geärgert hat. Weil wenn das Zeug da hängt hat, dann hat man ständig Druck. Mich nervt das eher.
Verspüren Sie denn Erfolgs-Druck?
Wanda: Qualität ist der einzige Druck. Etwas von dauerhaftem Wert zu schaffen. Österreich und Deutschland hat uns das ermöglicht. Wir dürfen so arbeiten und da wären wir Wahnsinnig, wenn wir das nicht ernst nehmen.
Für Sie war trotz all dieser Schicksalsschläge immer klar: Musik bleibt mein Ventil
Wanda: Ja natürlich: Das ist meine Verdrängung und Verarbeitungsprozess seitdem ich ein Kind bin. Andere Leute gehen Joggen.
Gibt’s da eigentlich auch Schreibblockaden? Oder ist Musik Ihr bester Freund?
Wanda: Wir haben schon auch unsere Krisen. Dieser Freund und ich. Manchmal klappt es gar nicht und dann darf man es aber auch nicht erzwingen. Denn man darf es auch nicht verletzen. Das ist eher etwas das zu einem kommt wenn man dafür offen ist. Es darf keine Beziehung auf Zwang basierend sein.
Im Dezember gibt es wieder ein Weihnachts-Konzert in der Stadthalle. Wird das nun zur Tradition?
Wanda: Ich glaube es ist bereits eine. So lange die Leute das wollen machen wir das. Das ist ein schönes Klassentreffen mit unseren Fans.
Wie emotionell wird es werden, wenn Sie dort dann "Therapie" live spielen?
Wanda: Dieser Song hat so ein hohes Falsett und das ist so brutal Kopfstimmig, dass ich auf der Bühne nur daran denke werden die Töne halbwegs zu erwischen. (lacht)