Vollzeit-Papa
Buchinger: Ex-Minister in Karenz
12.11.2011
Der Ex-Sozialminister ist bereits ein perfekter Hausmann.
Ex-Minister Erwin Buchinger (Sozialminister im Gusenbauer-Kabinett) hat schnell gelernt. Seit zwei Monaten (1. September) ist er in Väterkarenz – und bereits ein perfekter Hausmann.
Gegen 8.30 Uhr bricht seine Frau Marina Laux (30) in den Job zur Arbeiterkammer auf. Fürsorglich hält er Sohn Benjamin (elf Monate) auf dem Arm. Vertauschte Rollen: Bevor seine um 25 Jahre jüngere Frau die Wohnung verlässt, ruft Buchinger ihr liebevoll nach: „Schatz, kommst du heute später nach Hause?“ („Ja, ich gehe noch zum Yoga.“) Und: „Soll ich dir etwas kochen?“ („Ja, bitte!“)
Abends serviert Buchinger kulinarische Leckerbissen wie Forelle, Spaghetti, Gansl oder Beiried. Tagsüber kümmert er sich ohne Hilfe von Großmüttern oder Nannys um seinen Sohn. Ein Vater wie aus dem Bilderbuch.
Keine Ängste. Der Rollentausch erfüllt den Ex-Minister. Vor Wickeln, Einkaufen, Kindertränentrösten hat Buchinger keine Angst, sie gehen ihm leicht von der Hand. Fünf Monate wird er nur für Sohn Benjamin da sein. Am 31. Jänner endet seine Karenz, dann arbeitet er wieder als Behindertenanwalt. „Bei meinen ersten beiden Kindern habe ich auch versucht, eine intensive Beziehung auszubauen. Aber die Karriere war auch wichtig, so habe ich viele Entwicklungsschritte versäumt“, erzählt Buchinger über seine Motive.
Papa statt Karriere
Für den süßen Benjamin verzichtet der Jurist auf fast 50 Prozent seines Gehaltes. Er bereut es nicht. Statt teurer Urlaube liest der gebürtige Oberösterreicher heute „Benni“ lieber aus Kinderbüchern vor.
Und auch seine Politkarriere hat er fürs Erste an den Nagel gehängt. „Ich will in den nächsten Jahren keinen Job, der über acht oder neun Stunden dauert“, setzt Buchinger Prioritäten.
Und dem Filius tut die Vaterliebe gut. Er lacht nonstop. Es ist nicht zu übersehen: Benjamin ist ein rundum glückliches Kind.
ÖSTERREICH: Herr Buchinger, Sie sind jetzt seit mehr als zwei Monaten in Karenz. Wie fühlen Sie sich als Vollzeit-Papa?
Erwin Buchinger: Mein Leben läuft für mich jetzt ganz anders. Seit 35 Jahren war ich den Rhythmus gewöhnt: In der Früh aufstehen, viele Stunden arbeiten, am Abend noch zu Veranstaltungen und meistens erst in der Nacht nach Hause kommen. Jetzt ist mein Tag auch angefüllt, aber mit anderer Arbeit. Was für mich besonders ist, ist für Hunderttausende Frauen der Alltag.
ÖSTERREICH: Wie schaut Ihr Tag jetzt aus?
Buchinger: Um 7.30 Uhr geht es los. Von da an übernehme ich den Haushalt mit Frühstückmachen, Einkaufen, Kochen, Mit-Benjamin-Spielen, Wickeln. Das Ergebnis meiner Arbeit sieht man jetzt am Kind – wie gut sich Benjamin entwickelt. Lustig ist, dass Benjamin uns Eltern absolut gleichwertig sieht. Er nennt uns entweder „Papamama“ oder „Mamapapa“.
ÖSTERREICH: Sie sind bereits Vater von zwei erwachsenen Kindern. Wie haben Sie sich als Vater verändert?
Buchinger: Bei meinen beiden ersten Kindern war ich um die 30 Jahre. Es war mir auch damals wichtig, viel Zeit mit ihnen zu verbringen und eine intensive Beziehung aufzubauen. Aber die Karriere hatte ich immer im Hinterkopf. Jetzt habe ich die Hauptverantwortung. Ich bin untertags die erste Ansprechperson für Benjamin.
ÖSTERREICH: Was war die größte Umstellung für Sie?
Buchinger: Wickeln, Babykörperpflege, Flascherl machen – das konnte ich schon. Wenn man das einmal gelernt hat, kann man es auch fast 25 Jahre später wieder abrufen. Was ich lernen musste, war Geduld aufzubringen. Wenn man als Mann von der Arbeit nach Hause kommt und sich eineinhalb Stunden mit den Kindern beschäftigt, dann sind sie wie ein Spielzeug. Ist man den ganzen Tag mit dem Kind zusammen, kann es sein, dass man genervt ist. Ich muss mich immer wieder zurücknehmen. In Ruhe ein Buch zu lesen geht eben nicht, weil Benjamin spielen will.
ÖSTERREICH: Können Sie jetzt besser die Sorgen von Müttern nachvollziehen?
Buchinger: Ich verstehe jetzt, dass viele Frauen das Gefühl haben, ihnen fällt zu Hause die Decke auf den Kopf. Als Mann denkt man sich, dass die Karenz doch entspannt sein muss, wenn man zu Hause sein kann. Ich habe öfters das Gefühl, dass ich raus muss. Deswegen gehe ich einmal pro Woche ins Büro, halte auch immer wieder Vorträge. Aber eines ist klar: Benjamin ist an meiner Seite.
ÖSTERREICH: Wie ist die Resonanz, wenn Sie mit Ihrem Sohn am öffentlichen Spielplatz erscheinen?
Buchinger: Ich bekomme natürlich viel Zuspruch. Die Mütter sind neugierig, warum ich in Karenz gegangen bin, wie ich mit Benjamin zurechtkomme und alle finden es toll, dass ich mich dazu entschlossen habe. Da haben Männer sicher Vorteile, sie bekommen viel positives Feedback.
ÖSTERREICH: War das schon vor der Geburt klar, dass Sie eine Väterkarenz nehmen werden?
Buchinger: Das war unsere Beziehungsgrundlage, wir hätten kein Kind bekommen, wenn ich nicht in Karenz gegangen wäre.
ÖSTERREICH: Könnten Sie sich nach der Väterkarenz auch ein Comeback in der Politik vorstellen?
Buchinger: Derzeit würde ich Nein sagen. In den nächsten fünf bis sechs Jahren möchte ich keinen Beruf haben, der über acht bis neun Stunden Arbeitszeit hinausgeht. Bei mir hat Benjamin Priorität. Er ist unsere Nummer 1.
ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen mit dem Kochen?
Buchinger: Ich koche nicht nur für Benjamin, sondern auch zwei- bis dreimal pro
Woche für meine Frau.
ÖSTERREICH: Und was kocht der Hausmann Buchinger?
Buchinger: Gulasch, Beiriedschnitte, Forelle, Gansl oder Spaghetti.
ÖSTERREICH: Wie verhält sich Ihr Sohn, wenn am Wochenende Mama und Papa zu Hause sind? Wer spielt da die erste Geige?
Buchinger: Am Wochenende ist er natürlich auf die Mama fixiert. Aber wenn es Probleme gibt, dann kommt er zu mir und lässt sich trösten.
ÖSTERREICH: Und Ihre Frau ist da nicht eifersüchtig?
Buchinger: Am Anfang, glaube ich, war sie ein wenig traurig, aber jetzt ist das ganz normal für sie.
ÖSTERREICH: Wann steigen Sie wieder in den Job ein?
Buchinger: Im Dezember haben wir die Schnupperstunden in der Kinderkrippe. Ab Februar arbeite ich wieder, da geht Benjamin den ganzen Tag in die Kinderkrippe. Ich bin zuversichtlich, dass das für ihn kein Problem wird. Und wenn doch, müssen wir die Arbeitsstunden reduzieren.