Die Tamara Fellner Show
Exklusives Interview mit Ali H.s Schwester – Neue Einblicke in den Fall Leonie
19.08.2021Eigentlich waren Abschiebungen für die Schuldigen im Fall Leonie nach Afghanistan schon so gut wie fix. Doch die neuen Entwicklungen in Afghanistan – die Machtübernahme der Taliban, die das Land mit Terror überzieht – verändern die Lage komplett.
In der heutigen Tamara Fellner Show sind die Schwester des Angeklagten Ali H. und seine Rechtsanwältin Astrid Wagner zu Gast. Alis Schwester berichtet über die Situation in Afghanistan, ihre Beziehung zu Ali und über die Wochen mit Ali vor der Tatnacht. Ali H. und drei weitere Männer sind wegen Vergewaltigung mit Todesfolge angeklagt.
In Afghanistan aufwachsen
Schon 2016 kam die älteste Schwester Alis, welche heute zu Gast ist, nach Österreich, da ihr heutiger Mann schon seit 20 Jahren hier lebt. Nach Europa zu kommen, war für sie ein wunderschönes Erlebnis. Sie fühlte sich zum ersten Mal wie ein Mensch. Arbeiten zu können und Bildung zu erhalten, war für sie ein augenöffnendes Erlebnis. Als sie ein Kind gewesen war, waren die Taliban noch nicht so mächtig gewesen wie sie es heute sind, trotzdem sei es etwas total anderes, in Europa zu leben. Schon als kleines Kind musste sie ein Kopftuch tragen und durfte das Haus nicht allein verlassen.
Todesangst um die Schwester in Afghanistan
Seit die Taliban jedoch verstärkt an Macht gewinnen, sei das Leben davor fast wie Freiheit gewesen. Eine jüngere Schwester ist noch immer mit der gesamten Familie in Afghanistan. Sie verstecken sich, denn der Mann der jüngeren Schwester habe mit den Amerikanern zusammengearbeitet. Ein Todesurteil in Afghanistan unter Taliban-Herrschaft. Wenn sie es schaffen mit ihr zu telefonieren, weint die ganze Familie, sagt die älteste Schwester Alis in der Show. Die jüngere Schwester berichtet von den Grausamkeiten unter denen vor allem junge Frauen leiden. Die Taliban durchsuchen regelmäßig Wohnungen und entführen junge Frauen. Es soll schon Zwangsheiraten mit Taliban-Kämpfern gegeben haben. Man darf auch nur noch in männlicher Begleitung und mit Burka verhüllt nach draußen gehen. In der Stadt Dschalalabad wurde ein Mädchen von den Taliban niedergeschossen, weil sie gelacht hatte. Eine andere Frau wurde von den Taliban ermordet, weil sie nicht komplett verschleiert war. Eine Ansammlung an Grausamkeiten bestürzt die ganze Welt.
Alis Flucht aus Afghanistan
Ali flüchtete mit seiner Mutter vor ein paar Jahren aus Afghanistan. Dabei wurden sie getrennt. Ali war damals erst 14 Jahre alt. Die Mutter erreichte schon 2019 Österreich, Ali kam erst zirka ein Jahr später nach, sagt die Schwester im Interview. Seit ihrer Ankunft in Österreich hatte die Mutter versucht, ihren Sohn zu sich holen zu lassen. Der erst 2004 geborene Ali wurde schließlich von der Polizei nach Österreich gebracht, um ihn mit seiner Mutter zu vereinen. Was er erlebt hat, während er über ein Jahr lang in Flüchtlingsheimen saß, weiß niemand.
Ob Alis Geburtsurkunde gefälscht ist
Doch auch sein Alter ist für die Staatsanwaltschaft anscheinend nicht in Stein gemeißelt. Obwohl es eine Geburtsurkunde aus dem Jahr 2010 gibt, wurde eine Altersfeststellung bei einem praktischen Arzt beantragt, der Alis Alter auf 20 Jahre schätzt. Für die Anwältin Astrid Wagner sei dies absurd: Ali verhalte sich wie ein Junge seines Alters und sehe auch so aus. Geburtsurkunden werden in Afghanistan immer erst einige Jahre nach der Geburt des Kindes ausgefüllt.
Die Tatnacht
Als die älteste Schwester Alis von Tamara nach der Tat gefragt wird, spricht sie als erstes ihr Beileid für die gesamte Familie Leonies aus. Es tue ihr leid, was Leonie zugestoßen ist. Ali sei aber ein guter Mensch und habe Leonie sicherlich nichts angetan. Er mache sich Vorwürfe und sei unfassbar traurig über Leonies Tod. Warum er nicht geholfen habe? Beiden sei von den anderen mutmaßlichen Tätern Ecstasy in die Getränke gemischt worden. Zusätzlich zum freiwilligen Alkoholkonsum davor habe das Ali möglicherweise genauso außer Gefecht gesetzt. Er habe sich einfach die falschen Bekanntschaften ausgesucht, vermutet die Schwester.
Eine verhängnisvolle Freundschaft?
Leonie und Ali seien Freunde gewesen, wenn nicht sogar mehr. Die Anwältin Astrid Wagner wirft ein, dass man natürlich auch seine Freundin vergewaltigen könne, doch das es keinerlei Indizien dafür gibt. Die beiden seien gut miteinander ausgekommen. Ali habe seiner Schwester auch immer wieder Fotos und Chatnachrichten mit Leonie gezeigt und sie hätten sogar gemeinsam videotelefoniert. Eine Freundin des Opfers sagt aber aus, dass die beiden kein Paar gewesen seien. Als er Leonie einmal in der U-Bahn begrabscht habe, sei es zum Streit gekommen, berichtet die Freundin weiter. Aussage steht gegen Aussage, nicht nur hier, auch bei den anderen mutmaßlichen Tätern. Jetzt befindet sich Ali H. in U-Haft. Es gilt die Unschuldvermutung.