Tränen-Abschied
Keszler: 'Traurig, aber auch erlöst'
09.06.2019Mehr als zwei Jahrzehnte sammelte Gery Keszler unermüdlich Spenden.
„Einerseits bin ich traurig, andererseits fühle ich mich erlöst. Wir mussten
erkennen: Das Schiff Life Ball ist nicht unsinkbar“, erklärt Gründer Gery
Keszler kurz vor dem letzten Life Ball, der gestern Abend am Wiener
Rathausplatz mit großer Zirkus-Show (siehe nächste Seite) über die Bühne
ging. Bewegend sicher, seine Abschiedsrede, die für 23.31 Uhr geplant war
(nach Redaktionsschluss). Zuvor postete er bereits eine Video-Botschaft und
rief zu einem großen Abschiedsfest auf.
Ende einer Ära. Es war der
29. Mai 1993, als Gery Keszler zum allerersten Mal ins Wiener Rathaus zum
Life Ball lud. Der Rest ist Geschichte. In den darauf folgenden 26 Jahren
brach der Ball nicht nur zahlreiche Tabus, sondern erwirtschaftete auch rund
30 Millionen Euro für den Kampf gegen HIV, die an 170 nationale und
internationale Aidshilfe-Unternehmen gingen.
Kampf um Sponsoren
Der Grund für das Aus ist leicht erklärt: Mangel an Sponsorengeldern. „Für
die Sponsoren ist Aids nicht mehr das aktuellste Thema. Es wurde immer
schwieriger, Mittel für den Life Ball aufzustellen. Wir haben bereits im
Sommer auf die finanzielle Fragilität hingewiesen. Dabei ging es nicht um
viel, wir hätten ein paar hunderttausend Euro gebraucht, um die Dynamik
aufrechtzuerhalten“, so Keszler im Interview.
Vor allem der Ausstieg
des Partners Austrian Airlines traf Keszler schwer.
Gürtler als Nachfolgerin
Zukunft: Ein Comeback des Life Balls sieht Keszler unter seiner Führung zurzeit nicht. Falls die Aids-Charity dennoch wieder aufleben sollte, würde sich Keszler Elisabeth Gürtler als Nachfolgerin wünschen. Indes ließ Bürgermeister Michael Ludwig wissen, dass er das Mega-Event mit einem Werbewert von 5 Millionen für die Stadt und einem Umsatz für die Wirtschaft von über 9 Millionen Euro doch retten möchte. Mit Keszler? Das ist noch ungewiss.
Video-Botschaft zum Ende der Aids-Charity
Mit Tränen in den Augen richtet sich der Life-Ball-Gründer an die Fans und
Förderer der Aids-Charity in den vergangenen fast drei Jahrzehnten:
Ein
riesiges Dankeschön an alle, die mich diese 27 Jahre in irgendeiner Form
begleitet haben. Die so viel Energie und Leistung in den Life Ball
eingebracht haben. Sie alle sind Teil dieser vielen, vielen Initiativen, die
wir realisieren konnten. Die vielen Menschenleben, die wir auch retten
konnten. Und die große Unterstützung, die in die Millionen geht. Ich wünsche
allen einen wunderschönen Life Ball!
Bürgermeister will Aids-Charity ohne Keszler
Nach seiner überraschenden Absage wollte Wiens Bürgermeister Ludwig –
in alter Häupl-Tradition – nun doch gestern eine Rede am Wiener Rathausplatz
im Zuge der Life-Ball-Show halten. Er hat sogar kurz vor dem Event noch mit
einer Finanz-Spritze von kolportierten 100.000 Euro geholfen.
Alles
Zeichen, die dafür sprechen, dass der Life Ball vielleicht doch nicht zum
letzten Mal sein buntes Treiben veranstaltet.
Im Wiener
Gemeinderat soll Ludwig bereits angekündigt haben, dass die Stadt Wien an
der Planung für die Weiterführung – allerdings ohne Gery Keszler –
arbeitet.
Als Veranstalter will die Stadt Wien dabei aber nicht
auftreten, sondern den Ball eventuell durch einen von der Stadt geförderten
Verein durchführen lassen.
Angebot: Noch bevor Keszler das
Life-Ball-Aus kommunizierte, habe man dem Ballvater das Angebot gemacht,
„den Ball in anderer Form gemeinsam weiterzuführen“. Keszler wäre dabei als
Gesicht und Kopf erhalten geblieben, aber die Organisation hätte in
„professionellere“ Hände gelegt werden sollen.
Ohne Keszlers Zustimmung
oder Mitarbeit könnte es für die Stadt Wien aber schwierig werden. Zum einen
sind Keszlers weltweite Kontakte unbezahlbar und außerdem ist die Marke
„Life Ball“ noch bis 2027 patentrechtlich geschützt.